Der Todschlaeger
dampfend mit der ununterbrochenen
Arbeit ihrer stählernen Arme das Waschhaus
noch heftiger in Erschütterung versetzte.
Als Gervaise den langen Flur des Hotels
Boncœur betrat, kamen ihr wieder die Tränen.
Es war ein finsterer, enger Flur mit einem an
der Wand entlanglaufenden Abfluß für das
Schmutzwasser. Und dieser Gestank, den sie
wiederfand, ließ sie an die vierzehn Tage
denken, die sie hier mit Lantier verbracht
hatte, vierzehn Tage des Elends und der
Streitereien, an die sie sich jetzt mit
brennendem Bedauern erinnerte. Ihr war, als
begänne nun ihre gänzliche Verlassenheit.
Das Zimmer oben war kahl, voller Sonne, das
Fenster stand offen. Diese brennende Sonne,
diese breite tanzende Fläche goldigen Staubs
ließ die schwarze Decke und die Wände mit
der losgerissenen Tapete kläglich erscheinen.
An einem Nagel des Kamins hing nur noch ein
kleines Frauenhalstuch, das wie eine Schnur
zusammengedreht war. Das in die Mitte des
Raumes gezogene Bett der Kinder gab die
Kommode frei, deren offengelassene
Schubladen ihr leeres Innere zeigten. Lantier
hatte sich gewaschen und die Pomade
aufgebraucht, für zwei Sous Pomade auf einer
Spielkarte; das fettige Wasser seiner Hände
füllte die Waschschüssel. Und er hatte nichts
vergessen. Gervaise schien es, als bilde die
Ecke, die bis dahin der Koffer eingenommen
hatte, ein ungeheures Loch. Nicht einmal den
am Fensterriegel aufgehängten kleinen, runden
Spiegel fand sie wieder. Da überkam sie eine
Ahnung, sie schaute auf den Kamin: Lantier
hatte die Pfandscheine mitgenommen, das
zartrosa Bündel lag nicht mehr zwischen den
nicht zusammenpassenden Zinkleuchtern.
Sie hängte ihre Wäsche über eine Stuhllene;
sie blieb stehen, wandte sich um, musterte die
Möbel und war mit einer solchen
Benommenheit geschlagen, daß ihre Tränen
nicht mehr flossen. Von den für das
Waschhaus aufgehobenen vier Sous blieb ihr
ein einziger. Als sie dann Etienne und Claude
schon getröstet am Fenster lachen hörte, trat
sie herzu, nahm ihre Köpfe unter die Arme
und vergaß einen Augenblick lang die Zeit
angesichts dieses grauen Fahrdamms, auf dem
sie am Morgen gesehen hatte, wie das
Arbeitervolk, die Riesenarbeit von Paris
erwachte. Zu dieser Stunde entfachte das vom
Schaffen des Tages erhitzte Pflaster einen
glühenden Widerschein über der Stadt hinter
der Zollmauer. Auf dieses Pflaster, in diese
Backofenluft warf man sie ganz allein mit den
Kleinen; und mit einem Blick überflog sie die
äußeren Boulevards nach rechts und nach links
und verweilte an den beiden Endpunkten, von
dumpfem Entsetzen erfaßt, als solle sich ihr
Leben von nun an dort abspielen zwischen
einem Schlachthaus und einem Hospital.
Kapitel II
Drei Wochen später aßen Gervaise und
Coupeau, der Bauklempner, an einem schönen
sonnigen Tag gegen halb zwölf zusammen in
Vater Colombes »Assommoir«, im
»Totschläger«,
Branntweinpflaumen.
Coupeau, der gerade eine Zigarette auf dem
Bürgersteig geraucht hatte, hatte sie genötigt,
einzutreten, als sie, vom Wäscheaustragen
zurückkommend, die Straße überquerte; und
ihr großer viereckiger Wäscherinnenkorb stand
neben ihr auf der Erde hinter dem kleinen mit
Zink überzogenen Tisch.
Vater Colombes »Assommoir«, der
»Totschläger«, lag an der Ecke der Rue des
Poissonniers und des Boulevard de
Rochechouart. Auf dem Schild war in langen
blauen Buchstaben von einem Ende zum
anderen nur das Wort »Destillation«
geschrieben. An der Tür standen in zwei
halben Fässern verstaubte Oleanderbäume.
Der riesige Schanktisch mit seinen
Gläserreihen, seinem Wasserhahn und seinen
Maßen aus Zinn erstreckte sich links vom
Eingang, und der große Raum war ringsum mit
dicken, hellgelb gestrichenen, vor Lack
schillernden Tonnen geschmückt, deren
kupferne Reifen und Hähne glänzten. Weiter
oben auf Regalen verbargen Likörflaschen,
Einmachgläser voller Obst und allerlei gut
geordnete Fläschchen die Wände und ließen
im Spiegel hinter dem Schanktisch ihre grellen
Flecken sehen, apfelgrün, mattgold und zart
lackfarben. Aber die Sehenswürdigkeit des
Hauses war im Hinttergrund auf der anderen
Seite einer Eichenbarriere auf einem
glasüberdachten Hof der Destillierapparat, den
die Gäste in Betrieb sahen: Destillationskolben
mit langen Hälsen und Kühlschlangen, die
unter die Erde hinabgingen, eine
Teufelsküche, vor die die trunksüchtigen
Arbeiter hintraten und träumten.
Zu
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