Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
schlafen legen ... Oh,
    lieber klettere ich über ihn hinweg.« Sie
    versuchte, über den Trunkenbold
    hinwegzusteigen, und mußte sich an einer
    Ecke der Kommode festhalten, um in dem
    Dreck nicht auszurutschen.
    Coupeau versperrte das Bett völlig.
    Da nahm Lantier, der leise lächelte, weil er
    deutlich sah, daß sie diese Nacht nicht auf
    ihrem Kopfkissen heia machen würde, sie an
    eine Hand und sagte mit leiser und glühender
    Stimme:
    »Gervaise ... hör mal, Gervaise ...«
    Aber sie hatte verstanden, bestürzt machte sie
    sich los und duzte ihn nun auch wie einst.
    »Nein, laß mich ... Ich flehe dich an, Auguste,
    geh in deine Stube zurück ... Ich werde schon
    zurechtkommen, ich steige vom Fußende ins
    Bett ...«
    »Gervaise, na, sei doch nicht dumm«, sagte er
    immer wieder. »Das riecht zu schlecht, du
    kannst hier nicht bleiben ... Komm. Wovor
    fürchtest du dich denn? Er hört uns doch gar
    nicht, los!«
    Sie kämpfte, sie schüttelte energisch den Kopf.
    In ihrer Verwirrung; um gleichsam zu zeigen,
    daß sie hierbleiben würde, entkleidete sie sich,
    warf ihr Seidenkleid über einen Stuhl und zog
    sich ungestüm bis aufs Hemd und den
    Unterrock aus, war ganz weiß, Hals und Arme
    nackt. Ihr Bett gehöre ihr, nicht wahr? Sie
    wolle in ihrem Bett schlafen. Zweimal
    nacheinander versuchte sie noch, eine saubere
    Stelle zu finden und vorbeizukommen. Aber
    Lantier ließ nicht ab, er faßte sie um die Taille
    und sagte allerhand Dinge, um ihr Blut in
    Brand zu setzen. Oh, da stand sie schön da mit
    einem Rumtreiber von Ehemann vor ihr, der
    sie daran hinderte, sich ehrbar unter ihre
    Bettdecke zu verkriechen, und einem
    verdammten Lumpen von Mann hinter ihr, der
    einzig und allein darauf bedacht war, ihr
    Unglück

    auszunutzen,

    um

    sie
    wiederzubekommen! Als der Hutmacher lauter
    redete, flehte sie ihn an, still zu sein. Und die
    Ohren spitzend, horchte sie zur Kammer hin,
    in der Nana und Mama Coupeau schliefen.
    Die Kleine und die Alte mußten wohl schlafen,
    man hörte lautes Atmen.
    »Auguste, laß mich, du wirst sie aufwecken«,
    begann sie wieder mit gefalteten Händen. »Sei
    vernünftig. Ein andermal, woanders ... Nicht
    hier, nicht vor meiner Tochter ...«
    Er sprach nicht mehr, er lächelte weiter; und
    langsam küßte er sie aufs Ohr, so wie er sie
    einst geküßt hatte, um sie zu necken und
    benommen zu machen.
    Da wurde sie kraftlos, sie fühlte, wie ein
    heftiges Sausen, ein heftiger Schauer in ihren
    Schoß hinabdrang. Dennoch machte sie
    abermals einen Schritt. Und sie mußte
    zurückweichen. Es war nicht möglich, der
    Ekel war so groß, der Geruch wurde so stark,
    daß sie sich in ihrem Laken selber übergeben
    hätte. Wie auf Daunen schlief Coupeau, vom
    Rausch erschlagen, mit abgestorbenen
    Gliedern und schiefem Maul seine Sauftour
    aus. Die ganze Straße hätte ruhig
    hereinkommen und seine Frau umarmen
    können, ohne daß sich deswegen ein Haar an
    seinem Leib bewegt hätte.
    »Da ist eben nichts zu machen«, stammelte
    sie, »es ist seine Schuld, ich kann nicht ... Oh,
    mein Gott, oh, mein Gott! Er weist mich aus
    meinem Bett, ich habe kein Bett mehr ... Nein,
    ich kann nicht, es ist seine Schuld.« Sie
    zitterte, sie verlor den Kopf.
    Und während Lantier sie in seine Stube
    drängte, tauchte Nanas Gesicht an der Glastür
    der Kammer hinter einer Scheibe auf. Die
    Kleine war soeben aufgewacht und war im
    Hemd, blaß vor Schläfrigkeit, leise
    aufgestanden. Sie betrachtete ihren Vater,
    hingewälzt in seinem Ausgebrochenen; dann
    verharrte sie so, das Gesicht an die Scheibe
    gepreßt, und wartete, bis der Unterrock ihrer
    Mutter bei dem anderen Mann gegenüber
    verschwunden war. Sie war ganz ernst. Sie
    hatte die großen, von sinnlicher Neugier
    entflammten Augen eines lasterhaften Kindes.

    Kapitel IX
    In diesem Winter wäre Mama Coupeau
    beinahe bei einem Erstickungsanfall
    verschieden. Jedes Jahr im Dezember wußte
    sie mit Bestimmtheit, daß ihr Asthma sie für
    zwei oder drei Wochen im Bett festnagelte. Sie
    war ja keine fünfzehn Jahre mehr, am
    SanktAntoniusTag mußte sie dreiundsiebzig
    werden. Dazu war sie sehr klapprig und
    röchelte wegen einer Kleinigkeit, obgleich sie
    dick und fett war. Der Arzt kündigte an, sie
    würde beim Husten hinübergehen und bloß
    noch die Zeit haben, zu rufen: »Gute Nacht,
    liebes Mädel, das Licht geht aus!«
    Wenn Mama Coupeau in ihrem Bett lag,
    wurde sie bösartig wie die Krätze. Man muß
    sagen, daß die Kammer, in der sie mit

Weitere Kostenlose Bücher