Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
ganze Nacht hin und her
    bewegt, wo sie doch gewöhnlich ganz fest wie
    ein Murmeltier schläft; sie fuhr hoch, sie
    drehte sich um, als ob glühende Kohlen in
    ihrem Bett gelegen hätten.«
    Die beiden Frauen schienen nicht überrascht.
    »Bei Gott!« murmelte Frau Lorilleux. »Das
    muß am ersten Tage angefangen haben ... Da
    es Coupeau nun mal gefällt, haben wir uns
    nicht einzumischen. Gleichviel, für die Familie
    ist das nicht gerade ehrenvoll.«
    »Wenn ich da wäre«, erklärte Frau Lerat, die
    Lippen zusammenkneifend, »dann würde ich
    ihr Angst machen, ich würde ihr irgend etwas
    zurufen, ganz gleich was: ›Ich sehe dich!‹ oder
    auch: ›Die Gendarmen sind da!‹ – Das
    Dienstmädchen eines Arztes hat mir gesagt,
    ihr Herr hätte ihr gesagt, das könne eine Frau
    in einem gewissen Augenblick auf der Stelle
    töten. Und wenn sie auf der Strecke bliebe, so
    geschähe ihr das recht, nicht wahr, sie wäre
    damit bestraft, worin sie gesündigt hat.«
    Bald erfuhr das ganze Viertel, daß Gervaise
    wieder jede Nacht Lantier aufsuchte. Frau
    Lorilleux trug vor den Nachbarinnen eine
    lärmende Entrüstung zur Schau; sie bedauerte
    ihren Bruder, diesen Einfaltspinsel, dessen
    Frau immerzu fremd gehe; und wenn sie einen
    solchen Saustall überhaupt noch betrete, so
    geschehe das ihrem Reden nach einzig und
    allein ihrer armen Mutter wegen, die
    gezwungen sei, inmitten dieser
    Schändlichkeiten zu leben. Da fiel das Viertel
    über Gervaise her. Sie mußte es gewesen sein,
    die den Hutmacher verleitet hatte. Das sah
    man ihr an den Augen an. Ja, trotz der
    häßlichen Gerüchte blieb Lantier, dieser
    verdammte Schleicher, beliebt, weil er sein
    Gehabe eines feinen Mannes jedermann
    gegenüber beibehielt, Zeitung lesend auf den
    Bürgersteigen entlangschritt, zu den Damen
    zuvorkommend und galant war und stets
    Plätzchen und Blumen zu verschenken hatte.
    Mein Gott, er tat seine Pflicht als Hahn; ein
    Mann ist ein Mann, man kann nicht von ihm
    verlangen, den Frauen zu widerstehen, die sich
    ihm an den Hals werfen. Für sie aber gab es
    keine Entschuldigung; sie entehrte die Rue de
    la Goutted'Or. Und als Paten zogen die
    Lorilleux Nana an sich, um Einzelheiten zu
    erfahren. Wenn sie sie auf versteckte Art und
    Weise ausfragten, setzte die Kleine ihre
    dämliche Miene auf und antwortete, indem sie
    die Flamme ihrer Augen unter den langen
    weichen Wimpern auslöschte.
    Inmitten dieser öffentlichen Entrüstung lebte
    Gervaise ruhig, müde und ein wenig schläfrig
    dahin. Anfangs war sie sich sehr schuldig, sehr
    schmutzig vorgekommen, und sie hatte sich
    vor sich selber geekelt. Wenn sie aus Lantiers
    Stube kam, wusch sie sich die Hände, machte
    einen Lappen naß und rieb sich die Schultern
    fast bis zum Wundwerden, um gleichsam ihren
    Unrat zu beseitigen. Wenn Coupeau dann
    seine Scherze zu treiben versuchte, wurde sie
    ärgerlich, lief bibbernd in den Hintergrund des
    Ladens, um sich anzuziehen; und sie duldete
    nicht mehr, daß der Hutmacher sie berührte,
    wenn ihr Mann sie gerade geküßt hatte. Am
    liebsten hätte sie die Haut gewechselt, wenn
    sie den Mann wechselte. Aber langsam
    gewöhnte sie sich daran. Es war zu lästig, sich
    jedesmal

    abzuwaschen.

    Ihre
    Trägheitsanwandlungen machten sie schlaff,
    ihr Verlangen, glücklich zu sein, ließ sie soviel
    Glück wie möglich aus ihren
    Widerwärtigkeiten herausholen. Sie war
    nachgiebig gegen sich und die anderen,
    bemühte sich einzig und allein, die Dinge so
    einzurichten, daß niemand allzuviel Verdruß
    hatte. Nicht wahr, wenn nur ihr Mann und ihr
    Liebhaber sich freuten, im Hause alles seinen
    geregelten, alltäglichen Trott ging, man von
    morgens bis abends Witze machte, alle fett
    waren, alle zufrieden mit dem Leben waren
    und ihre Tage angenehm verbrachten, so war
    wirklich kein Grund vorhanden, sich zu
    beklagen. Außerdem mußte sie alles in allem
    wohl nicht so viel Böses tun, da doch alles so
    gut zur Zufriedenheit eines jeden in Ordnung
    ging; gewöhnlich wird man doch bestraft,
    wenn man Böses tut. Ihre Schamlosigkeit war
    nun zur Gewohnheit geworden. Jetzt war das
    geregelt wie Essen und Trinken; jedesmal
    wenn Coupeau besoffen heimkam, ging sie zu
    Lantier hinüber, was wenigstens montags,
    dienstags und mittwochs in der Woche
    vorkam. Sie teilte ihre Nächte. Schließlich
    verließ sie den Bauklempner, wenn er bloß zu
    laut schnarchte, sogar mitten im Schlaf und
    machte seelenruhig auf dem Kopfkissen des
    Nachbarn weiter heia. Nicht

Weitere Kostenlose Bücher