Der Todschlaeger
Nana
schlief, nichts Heiteres an sich hatte. Zwischen
dem Bett der Kleinen und ihrem eigenen war
gerade noch Platz für zwei Stühle. Die Tapete
an den Wänden, eine alte, verschossene, graue
Tapete, hing in Fetzen herab. Die runde Luke
in der Nähe der Decke ließ trübes und fahles
Kellerlicht hereinfallen. Da drin quälte man
sich ganz hübsch, besonders jemand, der nicht
atmen konnte. Wenn Schlaflosigkeit sie in der
Nacht befiel, horchte sie noch, wie die Kleine
schlief, und dies war eine Ablenkung. Aber am
Tage murrte sie, da man ihr nicht von morgens
bis abends Gesellschaft leistete, sie weinte und
sagte stundenlang immer wieder vor sich hin,
während sie den Kopf auf dem Kissen hin und
her wälzte:
»Mein Gott, was bin ich unglücklich! – Mein
Gott, was bin ich unglücklich! – Im Gefängnis,
ja, im Gefängnis, da lassen sie mich sterben!«
Und sobald Besuch zu ihr kam, Virginie oder
Frau Boche, um sie zu fragen, wie es mit ihrer
Gesundheit stehe, antwortete sie nicht und
schnitt sofort das Thema ihrer Klagen an.
»Ach, teuer ist das Brot, das ich hier esse!
Nein, bei Fremden würde ich nicht soviel
auszustehen haben! – Sehen Sie, ich habe eine
Tasse Kräutertee haben wollen, na, und da hat
man mir einen ganzen Wassertopf voll
gebracht, eine Art und Weise, mir
vorzuwerfen, daß ich zuviel Kräutertee
trinke ... Es ist wie mit Nana, diesem Kind, das
ich aufgezogen habe; morgens läuft sie barfuß
davon, und ich sehe sie nicht mehr wieder.
Man könnte meinen, ich stinke. Doch nachts
schläft sie tüchtig, nicht ein einziges Mal
würde sie aufwachen, um mich zu fragen, ob
ich Schmerzen habe ... Kurzum, ich bin ihnen
lästig, sie warten, daß ich verrecke. Oh, das
wird bald geschehen sein. Ich habe keinen
Sohn mehr, die Wäscherin, diese Schurkin, hat
ihn mir genommen. Sie würde mich schlagen,
sie würde mir den Rest geben, wenn sie nicht
Angst vor dem Gericht hätte.«
Gervaise zeigte sich tatsächlich zuweilen ein
wenig grob. Mit der Bude ging es schief,
jedermann verbitterte darin und scherte sich
beim ersten Wortwechsel zum Teufel.
Coupeau hatte eines Morgens, als er
Katzenjammer hatte, ausgerufen: »Die Alte
sagt immerzu, sie stirbt bald, und dabei stirbt
sie nie!« – ein Ausspruch, der Mama Coupeau
ins Herz getroffen hatte. Man warf ihr vor, was
sie kostete, man sagte seelenruhig, wenn sie
nicht mehr da sei, so wäre das eine große
Ersparnis. Freilich, sie benahm sich auch
nicht, wie sie sollte. So weinte sie Blut und
Wasser, wenn sie ihre älteste Tochter, Frau
Lerat, sah, und beschuldigte ihren Sohn und
ihre Schwiegertochter, sie ließen sie
verhungern, und dies alles nur, um ihr ein
Zwanzigsousstück zu entlocken, das sie für
Leckereien ausgab. Auch mit den Lorilleux
machte sie abscheuliche Klatschereien, indem
sie ihnen erzählte, wofür ihre zehn Francs
drauf gingen: für die Launen der Wäscherin;
für neue Hauben, für Kuchen, die in den Ecken
gegessen wurden, und für schmutzigere Dinge
sogar, die man nicht zu nennen wage. Zwei
oder dreimal hätte sie es beinahe dahin
gebracht, daß sich die ganze Familie
geschlagen hätte. Bald hielt sie es mit den
einen, bald hielt sie es mit den anderen;
kurzum, das wurde ein richtiger Schlamassel.
Mitten in ihrem heftigsten Anfall in diesem
Winter zwinkerte Mama Coupeau eines
Nachmittags Frau Lorilleux und Frau Lerat,
die sich an ihrem Bett getroffen hatten, zu, um
ihnen zu bedeuten, sie sollten sich zu ihr
herabbeugen. Sie konnte kaum sprechen. Mit
leiser Stimme hauchte sie:
»Das ist ja eine saubere Geschichte! – Heute
nacht habe ich die beiden gehört. Ja, ja,
Hinkebein und den Hutmacher ... Und
getrieben haben die's! Coupeau ist schön dran.
Das ist ja eine saubere Geschichte!« Hustend
und fast erstickend, erzählte sie in kurzen
Sätzen, ihr Sohn müsse gestern abend wohl
sternhagelvoll nach Hause gekommen sein. Da
sei sie sich, weil sie nicht geschlafen habe,
über alle Geräusche sehr gut klargeworden:
Hinkebeins nackte Füße, die über den
Fliesenfußboden tappten, die zischende
Stimme des Hutmacher, der sie rief, die
Verbindungstür, die leise zugestoßen wurde,
und das übrige. Das müsse bis zum
Tagesanbruch gedauert haben, sie wisse die
Uhrzeit nicht genau, weil sie trotz ihrer
Bemühungen schließlich eingeschlummert sei.
»Das Ekelhafteste daran ist, daß Nana es hätte
hören können«, fuhr sie fort. »Gerade diesmal
hat sie sich die
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