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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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werden niemals
    böse miteinander sein ... Nur, Sie verstehen, es
    ist alles aus.«
    Und er ging mit großen Schritten davon und
    ließ Gervaise betäubt zurück, die sein letztes
    Wort mit Glockengedröhn in ihren Ohren
    anschlagen hörte. Als sie in die Weinschenke
    trat, hörte sie dumpf in ihrem Innern: Es ist
    alles aus, ach ja, es ist alles aus; ich habe hier
    nichts mehr zu schaffen, wenn alles aus ist! –
    Sie setzte sich, verschlang einen Happen Brot
    und Käse, leerte ein volles Glas, das sie vor
    sich fand.
    Es war ein langer Raum mit niedriger Decke
    im Erdgeschoß, den zwei große Tische
    einnahmen; Literflaschen, Viertel Brote, breite
    dreieckige Stücke Briekäse auf drei Tellern
    waren in einer Reihe zur Schau gestellt.
    Die Gesellschaft aß nur in aller Eile etwas,
    ohne Tischtuch und ohne Gedeck. Weiter weg
    beendeten neben dem bullernden Ofen die vier
    Leichenträger gerade ihr Mittagessen.
    »Mein Gott«, erklärte Herr Madinier, »es
    kommt jeder an die Reihe. Die Alten machen
    den Jungen Platz ... Ihre Wohnung wird Ihnen
    ja recht leer erscheinen, wenn Sie
    heimkommen.«
    »Oh, mein Bruder kündigt«, sagte Frau
    Lorilleux lebhaft. »Dieser Laden ist ja ein
    Untergang.«
    Man hatte Coupeau bearbeitet. Jedermann
    drängte ihn, den Mietvertrag abzutreten. Sogar
    Frau Lerat, die sich seit einiger Zeit sehr gut
    mit Lantier und Virginie stand und von dem
    Gedanken gekitzelt wurde, daß sie ineinander
    verschossen sein müßten, sprach von Bankrott
    und Gefängnis, wobei sie eine erschrockene
    Miene aufsetzte. Und jäh wurde der
    Bauklempner ärgerlich, seine Rührung, die
    bereits zu sehr mit. Alkohol begossen war,
    schlug in Wut um.
    »Hör zu!« schrie er seiner Frau ins Gesicht.
    »Ich will, daß du auf mich hörst! Dein
    verdammter Dickkopf macht immer nur, was
    er will. Aber diesmal werde ich meinen Willen
    durchsetzen, das kann ich dir sagen!«
    »Ach was«, sagte Lantier, »als ob man sie
    jemals durch gute Worte zur Vernunft bringt!
    Man brauchte einen Holzhammer, um ihr das
    in den Schädel einzuhämmern.«
    Und beide hackten eine Weile auf sie ein. Das
    hinderte die Kinnladen nicht, ihre Tätigkeit zu
    verrichten. Der Briekäse verschwand, die
    Literflaschen flossen wie Brunnen. Gervaise
    wurde allerdings weich unter den Schlägen.
    Sie erwiderte nichts, hatte den Mund immerzu
    voll und beeilte sich, als habe sie großen
    Hunger. Als die beiden müde wurden, hob sie
    langsam den Kopf und sagte:
    »Langt's jetzt, he? Der Laden ist mir ziemlich
    schnuppe! Ich will ihn nicht mehr ... Versteht
    ihr, er ist mir schnuppe! Es ist alles aus!«
    Da bestellte man nochmals Käse und Brot und
    unterhielt sich ernsthaft. Die Poissons
    übernahmen den Pachtvertrag und erboten
    sich, für die beiden rückständigen Mieten
    aufzukommen. Im übrigen nahm Boche im
    Namen

    des

    Hausbesitzers

    mit
    wichtigtuerischer Miene die Übereinkunft an.
    Er vermietete den Coupeaus sogar auf der
    Stelle eine Wohnung, die leerstehende
    Wohnung im sechsten Stock auf Lorilleux'
    Flur. Was Lantier anging, mein Gott, so wolle
    er seine Stube gern behalten, wenn das die
    Poissons nicht störe. Der Polizist verneigte
    sich, das störe ihn durchaus nicht; unter
    Freunden verstehe man sich immer, trotz der
    politischen Ansichten. Und ohne sich weiter
    um die Abtretung zu kümmern, machte sich
    Lantier als ein Mann, der endlich sein
    Geschäftchen abgeschlossen hat, eine große
    Schnitte mit Briekäse zurecht; er lehnte sich
    zurück und aß sie andächtig, vor Gesundheit
    strotzend, er glühte vor tückischer Freude und
    blinzelte mit den Augen, um abwechselnd zu
    Gervaise und zu Virginie hinzuschielen.
    »He! Vater Bazouge!« rief Coupeau.
    »Kommen Sie doch her, einen Schluck
    trinken. Wir sind nicht stolz, wir sind ja alle
    Arbeiter.«
    Die vier Leichenträger, die gerade weggehen
    wollten, kamen zurück, um mit der
    Gesellschaft anzustoßen. Das sei kein
    Vorwurf, aber die Dame von vorhin habe ihr
    Gewicht gehabt und sei wohl ein Glas Wein
    wert. Vater Bazouge sah die Wäscherin
    unverwandt an, ohne ein unangebrachtes Wort
    fallen zu lassen.
    Gervaise, der unbehaglich war, erhob sich, sie
    verließ die Männer, die sich vollends
    bezechten. Coupeau, der besoffen wie eine
    Drossel war, fing wieder an zu heulen und
    sagte, dies sei der Kummer.
    Als Gervaise abends wieder zu Hause war,
    blieb sie abgestumpft auf einem Stuhl sitzen.
    Es kam ihr vor, als seien die Räume verödet
    und riesig. Wirklich, da war sie eine

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