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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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ausdrücken!« erwiderte er und schlug
    sich auf den Schenkel. »Ich verstehe, es ist die
    Alte.«
    Gervaise war ganz blaß geworden. Vater
    Bazouge hatte den Sarg für sie gebracht.
    Er gab sich galant, suchte sich zu
    entschuldigen und fuhr fort:
    »Nicht wahr, gestern hat man erzählt, im
    Erdgeschoß ist eine abgekratzt. Da habe ich
    geglaubt ... Wissen Sie, in unserem Beruf da
    gehen diese Dinge zu einem Ohr rein und zum
    anderen wieder raus ... Ich mache Ihnen
    trotzdem mein Kompliment. Je später, um so
    besser, he, obgleich das Leben ja nicht immer
    spaßig ist, ach nein, du meine Güte!«
    Sie hörte ihn an, wich zurück aus Angst, daß
    er sie mit seinen großen schmutzigen Händen
    ergreife, um sie in seinem Kasten
    wegzutragen. Am Abend ihrer Hochzeit hatte
    er schon einmal zu ihr gesagt, er kenne Frauen,
    die ihm dankbar wären, wenn er heraufkäme,
    um sie abzuholen. Na schön, soweit war sie
    noch nicht, und es lief ihr kalt über den
    Rücken. Ihr Dasein war verpfuscht, aber so
    früh wollte sie nicht von hinnen gehen; ja,
    lieber wollte sie jahrelang vor Hunger fast
    verrecken, als gleich zu verrecken, was im
    Handumdrehen geschehen war.
    »Er ist bekneipt«, murmelte sie mit einer
    Miene des Ekels, in den sich Entsetzen
    mischte. »Die Verwaltung sollte wenigstens
    keine Trunkenbolde schicken. Man bezahlt ja
    genug.«
    Da benahm sich der Leichenträger spöttisch
    und unverschämt.
    »Na, hören Sie mal, Muttchen, dann ist es
    eben ein anderes Mal. Ganz zu Ihren Diensten,
    verstehen Sie! Sie brauchen mir nur einen
    Wink zu geben. Ich bin nämlich der
    Damentröster ... Und spucke nicht auf Vater
    Bazouge, denn er hat schon schickere als dich
    in den Armen gehalten, die sich
    zurechtmachen ließen, ohne sich zu
    beschweren, und recht froh waren, im Dunkeln
    weiter heia zu machen.«
    »Halten Sie den Mund, Vater Bazouge!« sagte
    Lorilleux streng, der bei dem Stimmenlärm
    herbeigeeilt war. »Solche Scherze gehören
    sich nicht. Wenn man sich beschwerte, würden
    Sie entlassen werden ... Los, machen Sie, daß
    Sie wegkommen, wenn Sie die primitivsten
    Anstandsregeln nicht achten.«
    Der Leichenträger entfernte sich, aber noch
    lange hörte man ihn auf dem Bürgersteig
    lallen:
    »Anstandsregeln! – Es gibt keine
    Anstandsregeln ... es gibt keine
    Anstandsregeln ... nur Anständigkeit!«
    Endlich schlug es zehn Uhr. Der
    Leichenwagen hatte Verspätung. Es waren
    bereits Leute im Laden, Freunde und
    Nachbarn, Herr Madinier, MeineBotten, Frau
    Gaudron, Fräulein Remanjou; und alle
    Minuten steckte ein Mann oder eine Frau den
    Kopf durch die klaffende Türöffnung
    zwischen den geschlossenen Fensterläden, um
    nachzusehen, ob dieser trödelnde
    Leichenwagen noch nicht käme. Die in der
    Hinterstube versammelte Familie teilte
    Händedrücke aus. Ab und zu entstand eine
    Stille, die von raschem Geflüster
    durchschnitten wurde, ein gereiztes und
    fieberhaftes

    Warten

    mit

    jähem
    Hinundhergerenne von Kleidern: Frau
    Lorilleux, die ihr Taschentuch vergessen hatte,
    oder Frau Lerat, die versuchte, sich ein
    Gebetbuch zu leihen. Jeder, der hereinkam,
    erblickte mitten in der Kammer vor dem Bett
    den offenen Sarg; und unwillkürlich blieb
    jeder stehen, um ihn verstohlen zu mustern,
    und rechnete sich aus, daß die dicke Mama
    Coupeau da niemals hineinpassen würde. Alle
    sahen sich an mit diesem Gedanken in den
    Augen,; ohne ihn sich mitzuteilen. An der Tür
    zur Straße aber gab es ein Gedränge. Herr
    Madinier kam und verkündete mit ernster und
    verhaltener Stimme, während er die Arme
    krümmte:
    »Da sind sie!«
    Es war noch nicht der Leichenwagen. Vier
    Leichenträger traten eiligen Schrittes
    hintereinander ein, mit ihren roten Gesichtern
    und ihren steifen Möbelkutscherhänden, im
    schmutzigen Schwarz ihrer Kleidungsstücke,
    die vom Scheuern an den Särgen abgenützt
    und blank geworden waren. Sehr besoffen und
    sehr schicklich, schritt Vater Bazouge voran;
    sobald er bei der Arbeit war, fand er sein
    Gleichgewicht wieder. Sie sprachen kein
    Wort, hatten den Kopf ein wenig gesenkt und
    wogen Mama Coupeau bereits mit dem Blick.
    Und es dauerte nicht lange, die arme Alte
    wurde im Handumdrehen eingepackt. Der
    kleinste, ein schieläugiger junger Mann, hatte
    die Kleie in den Sarg geschüttet und breitete
    sie knetend aus, als wolle er Brot backen. Ein
    anderer, ein großer Magerer mit
    Spaßvogelmiene, hatte soeben das Laken
    darüber gebreitet. Dann – eins, zwei, hopp! –
    packten alle vier

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