Der Todschlaeger
ausdrücken!« erwiderte er und schlug
sich auf den Schenkel. »Ich verstehe, es ist die
Alte.«
Gervaise war ganz blaß geworden. Vater
Bazouge hatte den Sarg für sie gebracht.
Er gab sich galant, suchte sich zu
entschuldigen und fuhr fort:
»Nicht wahr, gestern hat man erzählt, im
Erdgeschoß ist eine abgekratzt. Da habe ich
geglaubt ... Wissen Sie, in unserem Beruf da
gehen diese Dinge zu einem Ohr rein und zum
anderen wieder raus ... Ich mache Ihnen
trotzdem mein Kompliment. Je später, um so
besser, he, obgleich das Leben ja nicht immer
spaßig ist, ach nein, du meine Güte!«
Sie hörte ihn an, wich zurück aus Angst, daß
er sie mit seinen großen schmutzigen Händen
ergreife, um sie in seinem Kasten
wegzutragen. Am Abend ihrer Hochzeit hatte
er schon einmal zu ihr gesagt, er kenne Frauen,
die ihm dankbar wären, wenn er heraufkäme,
um sie abzuholen. Na schön, soweit war sie
noch nicht, und es lief ihr kalt über den
Rücken. Ihr Dasein war verpfuscht, aber so
früh wollte sie nicht von hinnen gehen; ja,
lieber wollte sie jahrelang vor Hunger fast
verrecken, als gleich zu verrecken, was im
Handumdrehen geschehen war.
»Er ist bekneipt«, murmelte sie mit einer
Miene des Ekels, in den sich Entsetzen
mischte. »Die Verwaltung sollte wenigstens
keine Trunkenbolde schicken. Man bezahlt ja
genug.«
Da benahm sich der Leichenträger spöttisch
und unverschämt.
»Na, hören Sie mal, Muttchen, dann ist es
eben ein anderes Mal. Ganz zu Ihren Diensten,
verstehen Sie! Sie brauchen mir nur einen
Wink zu geben. Ich bin nämlich der
Damentröster ... Und spucke nicht auf Vater
Bazouge, denn er hat schon schickere als dich
in den Armen gehalten, die sich
zurechtmachen ließen, ohne sich zu
beschweren, und recht froh waren, im Dunkeln
weiter heia zu machen.«
»Halten Sie den Mund, Vater Bazouge!« sagte
Lorilleux streng, der bei dem Stimmenlärm
herbeigeeilt war. »Solche Scherze gehören
sich nicht. Wenn man sich beschwerte, würden
Sie entlassen werden ... Los, machen Sie, daß
Sie wegkommen, wenn Sie die primitivsten
Anstandsregeln nicht achten.«
Der Leichenträger entfernte sich, aber noch
lange hörte man ihn auf dem Bürgersteig
lallen:
»Anstandsregeln! – Es gibt keine
Anstandsregeln ... es gibt keine
Anstandsregeln ... nur Anständigkeit!«
Endlich schlug es zehn Uhr. Der
Leichenwagen hatte Verspätung. Es waren
bereits Leute im Laden, Freunde und
Nachbarn, Herr Madinier, MeineBotten, Frau
Gaudron, Fräulein Remanjou; und alle
Minuten steckte ein Mann oder eine Frau den
Kopf durch die klaffende Türöffnung
zwischen den geschlossenen Fensterläden, um
nachzusehen, ob dieser trödelnde
Leichenwagen noch nicht käme. Die in der
Hinterstube versammelte Familie teilte
Händedrücke aus. Ab und zu entstand eine
Stille, die von raschem Geflüster
durchschnitten wurde, ein gereiztes und
fieberhaftes
Warten
mit
jähem
Hinundhergerenne von Kleidern: Frau
Lorilleux, die ihr Taschentuch vergessen hatte,
oder Frau Lerat, die versuchte, sich ein
Gebetbuch zu leihen. Jeder, der hereinkam,
erblickte mitten in der Kammer vor dem Bett
den offenen Sarg; und unwillkürlich blieb
jeder stehen, um ihn verstohlen zu mustern,
und rechnete sich aus, daß die dicke Mama
Coupeau da niemals hineinpassen würde. Alle
sahen sich an mit diesem Gedanken in den
Augen,; ohne ihn sich mitzuteilen. An der Tür
zur Straße aber gab es ein Gedränge. Herr
Madinier kam und verkündete mit ernster und
verhaltener Stimme, während er die Arme
krümmte:
»Da sind sie!«
Es war noch nicht der Leichenwagen. Vier
Leichenträger traten eiligen Schrittes
hintereinander ein, mit ihren roten Gesichtern
und ihren steifen Möbelkutscherhänden, im
schmutzigen Schwarz ihrer Kleidungsstücke,
die vom Scheuern an den Särgen abgenützt
und blank geworden waren. Sehr besoffen und
sehr schicklich, schritt Vater Bazouge voran;
sobald er bei der Arbeit war, fand er sein
Gleichgewicht wieder. Sie sprachen kein
Wort, hatten den Kopf ein wenig gesenkt und
wogen Mama Coupeau bereits mit dem Blick.
Und es dauerte nicht lange, die arme Alte
wurde im Handumdrehen eingepackt. Der
kleinste, ein schieläugiger junger Mann, hatte
die Kleie in den Sarg geschüttet und breitete
sie knetend aus, als wolle er Brot backen. Ein
anderer, ein großer Magerer mit
Spaßvogelmiene, hatte soeben das Laken
darüber gebreitet. Dann – eins, zwei, hopp! –
packten alle vier
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