Der Todschlaeger
für ein Trottel, dieser
Poisson! Und so was trug einen Degen, so was
erlaubte sich, die Leute auf den Bürgersteigen
anzurempeln! Dann trieb Coupeau die
Dreistigkeit so weit, Gervaise aufzuziehen. Ja,
ja, ihr Liebhaber lasse sie ja ganz schön sitzen!
Sie habe kein Glück: beim ersten Mal habe sie
keinen Erfolg bei den Schmieden gehabt, und
beim zweiten Mal hätten ihr die Hutmacher
die kalte Schulter gezeigt. Sie wende sich aber
auch an unseriöse Berufsstände. Warum
nehme sie keinen Maurer, einen Mann des
Zusammenhalts, der es gewohnt sei, seinen
Mörtel dauerhaft anzurühren? Sicherlich sagte
er diese Dinge nur aus Ulk, aber Gervaise
wurde deswegen doch ganz grün, weil er sie
mit seinen grauen Äuglein durchspürte, als
wolle er ihr die Worte mit einem Bohrer
hineintreiben. Wenn er das Kapitel
Schlüpfrigkeiten anschnitt, wußte sie nie, ob er
im Scherz oder im Ernst sprach. Ein Mann, der
sich von Anfang bis Ende des Jahres besäuft,
ist nicht mehr ganz klar im Kopf, und es gibt
Ehemänner, die mit zwanzig Jahren sehr
eifersüchtig sind und die der Trunk mit dreißig
Jahren sehr großzügig werden läßt in bezug
auf das Kapitel ehelicher Treue.
Man mußte sehen, wie Coupeau in der Rue de
la Goutted'Or herumprahlte! Er bezeichnete
Poisson als Hahnrei. Das stopfte ihnen den
Schnabel, diesen Schwätzerinnen! Der
Hahnrei war nicht mehr er. Oh, er wisse, was
er wisse. Wenn es seinerzeit so ausgesehen
habe, als verstehe er nicht, so augenscheinlich
deshalb, weil er Klatschereien nicht liebe.
Jeder kenne sein Zuhause und kratze sich, wo
es ihn jucke. Ihn jucke es nicht; er könne sich
nicht kratzen, um den Leuten einen Gefallen
zu tun. Na, und der Polizist, verstehe der
denn? Diesmal sei es doch an dem; man habe
die Liebesleute gesehen, es handle sich nicht
mehr um leeres Gerede. Und er wurde
ärgerlich, er begriff nicht, wie ein Mann, ein
Beamter der Regierung, einen solchen Skandal
bei sich zu Hause duldete. Der Polizist müsse
wohl lieben, was andere aufgewärmt hatten,
das sei alles. An den Abenden, wenn sich
Coupeau mit seiner Frau allein in dem Loch
unter dem Dach langweilte, hielt ihn das nicht
davon ab, hinunterzugehen, um Lantier zu
holen und ihn mit Gewalt mitzubringen. Er
fand die Bude trostlos, seitdem der Kumpel
nicht mehr da war. Er söhnte ihn mit Gervaise
aus, wenn er sah, daß sie kühl miteinander
standen. Himmeldonnerwetter! Pfeife man
denn nicht auf die Leute, sei es denn verboten,
sich so zu amüsieren, wie man's verstehe? Er
grinste, in seinen flackernden Trinkeraugen
entbrannten großzügige Gedanken, das
Bedürfnis, alles mit dem Hutmacher zu teilen,
um das Leben zu verschönern. Und besonders
an diesen Abenden wußte Gervaise nicht
mehr, ob er im Scherz oder im Ernst sprach.
Inmitten dieser Geschichten tat Lantier sich
wichtig. Er gab sich väterlich und würdevoll.
Dreimal nacheinander hatte er Zerwürfnisse
zwischen den Coupeaus und den Poissons
verhindert. Das gute Einvernehmen der beiden
Ehepaare trug zu seiner Zufriedenheit bei.
Dank der zärtlichen und festen Blicke, mit
denen er Gervaise und Virginie überwachte,
heuchelten sie stets große Freundschaft
füreinander. Mit der Gelassenheit eines
Paschas über die Blonde und die Brünette
herrschend, mästete er sieb, durch seine
Geriebenheit. Dieser Kerl verdaute noch die
Coupeaus, während er bereits die Poissons
verspeiste. Oh, das genierte ihn kaum! War ein
Laden heruntergeschluckt, nahm er einen
zweiten Laden in Angriff. Schließlich haben
nur Männer dieses Schlages Glück.
Im Juni dieses Jahres ging Nana zu ihrer
Erstkommunion. Sie wurde dreizehn Jahre,
war schon groß wie ein hochgeschossener
Spargel, hatte ein unverfrorenes Benehmen.
Im vorigen Jahr hatte man sie wegen ihres
schlechten
Betragens
aus
dem
Katechismusunterricht weggeschickt; und
wenn der Pfarrer sie diesmal zuließ, so
geschah das aus Angst, sie nicht
wiederkommen zu sehen und eine Heidin mehr
auf die Straße loszulassen. Nana tanzte vor
Freude umher, wenn sie an das weiße Kleid
dachte. Die Lorilleux hatten als Paten das
Kleid versprochen, ein Geschenk, über das sie
im ganzen Haus sprachen. Frau Lerat sollte
den Schleier und die Haube schenken, Virginie
das Täschchen und Lantier das Gebetbuch, so
daß die Coupeaus der Zeremonie
entgegensahen, ohne sich allzu große Sorgen
zu machen. Die Poissons, die ihren
Einzugsschmaus geben wollten, wählten
gerade
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