Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
wie
    möglich an sich, schenkte ihr alles, was sie
    konnte, Essen und alte Kleider. Als sie ihr
    eines Tages ein altes Leibchen von Nana
    anprobierte, blieb ihr die Luft weg, als sie sah,
    daß das Rückgrat blau, der Ellbogen
    zerschunden und noch blutig, ihr ganzes
    Fleisch eines unschuldigen Kindleins
    gemartert war und an den Knochen klebte. Na
    ja, Vater Bazouge konnte seinen Kasten
    fertigmachen, sie würde nicht mehr lange
    machen in diesem Tempo! Aber die Kleine
    hatte die Wäscherin gebeten, nichts zu sagen.
    Sie wollte nicht, daß man ihrem Vater
    ihretwegen Scherereien mache. Sie verteidigte
    ihn und versicherte, er wäre nicht bösartig
    gewesen, wenn er nicht getrunken hätte. Er sei
    verrückt, er wisse nichts mehr. Oh, sie
    verzeihe ihm, weil man Verrückten alles
    verzeihen müsse.
    Seitdem paßte Gervaise auf, suchte
    einzuschreiten, sobald sie Vater Bijard die
    Treppe heraufkommen hörte. Aber meistens
    bekam sie bloß selber irgendeine Backpfeife
    ab. Wenn sie im Laufe des Tages eintrat, fand
    sie Lalie oft am Fußende des eisernen Bettes
    festgebunden; ein Einfall des Schlossers, der
    ihr, bevor er ausging, die Beine und den Leib
    mit einem dicken Strick festschnürte, ohne daß
    man erfahren konnte warum; der Rappel eines
    vom Trunk verstörten Hirns, zweifellos bloß
    um die Kleine zu tyrannisieren, selbst wenn er
    nicht mehr da war. Lalie blieb ganze Tage
    lang, steif wie ein Pfahl, mit Ameisengekribbel
    in den Beinen, an dem Bettpfosten; sogar eine
    Nacht blieb sie dort, weil Bijard vergessen
    hatte, nach Hause zu kommen. Als Gervaise
    entrüstet davon sprach, sie loszubinden, flehte
    sie sie an, sie möge keinen Strick verrücken,
    weil ihr Vater wütend werde, wenn er die
    Knoten nicht auf dieselbe Art und Weise
    gemacht wieder vorfinde. Das sei für sie
    wirklich nicht schlimm, sie ruhe sich dabei
    aus; und dies sagte sie lächelnd, die kurzen
    Engelchenbeine geschwollen und abgestorben.
    Angesichts des heillosen Durcheinanders im
    Haushalt bekümmerte es sie, daß es die Arbeit
    kaum voranbrachte, wenn sie an dieses Bett
    festgebunden war. Ihr Vater hätte doch etwas
    anderes erfinden sollen. Trotzdem
    beaufsichtigte sie ihre Kinder, verschaffte sich
    Gehorsam, rief Henriette und Jules zu sich
    heran, um ihnen die Nase zu putzen. Da sie die
    Hände frei hatte, strickte sie so lange, bis sie
    befreit wurde, um ihre Zeit nicht völlig zu
    verlieren. Und besonders weh tat es ihr, wenn
    Bijard sie losband; sie kroch eine gute
    Viertelstunde auf dem Fußboden umher, weil
    sie sich wegen des nicht mehr zirkulierenden
    Blutes nicht aufrecht halten konnte.
    Der Schlosser hatte sich auch ein anderes
    Spielchen ausgedacht. Er steckte Sousstücke in
    den Ofen, damit sie rotglühend wurden, legte
    sie dann auf eine Ecke des Kamins. Und er rief
    Lalie, er sagte ihr, sie solle zwei Pfund Brot
    holen. Arglos griff die Kleine nach den
    Sousstücken, stieß einen Schrei aus, warf sie
    weg und schüttelte ihr verbranntes Händchen.
    Da wurde er wütend. Wer hatte ihm bloß so
    ein Schindluder aufgehalst? Nun verlor sie
    schon das Geld! Und er drohte, ihr den Hintern
    zu versohlen, wenn sie nicht sofort das Geld
    aufhebe. Wenn die Kleine zögerte, bekam sie
    eine erste Verwarnung, eine Maulschelle von
    solcher Wucht, daß ihr Funken vor den Augen
    tanzten. Stumm, mit zwei großen Tränen an
    den Augenrändern, hob sie die Sousstücke auf
    und ging davon, wobei sie sie in der hohlen
    Hand hin und her springen ließ, um sie
    abzukühlen.
    Nein, man würde niemals die Einfälle von
    Grausamkeit ahnen, die auf dem Grunde eines
    Säuferhirns gedeihen können. Eines
    Nachmittags zum Beispiel spielte Lalie mit
    ihren Kindern, nachdem sie alles aufgeräumt
    hatte. Das Fenster stand offen, es zog, und der
    sich auf dem Korridor verfangende Wind stieß
    mit leichtem Rucken gegen die Tür.
    »Das ist Herr Kühn«, sagte die Kleine. »Treten
    Sie doch ein, Herr Kühn. Bemühen Sie sich
    doch herein.« Und sie machte Verbeugungen
    vor der Tür und begrüßte den Wind.
    Henriette und Jules hinter ihr grüßten auch,
    entzückt von diesem Spiel, und bogen sich vor
    Lachen, als habe man sie gekitzelt. Sie war
    ganz rosig, als sie sah, daß sie so herzlich
    ihren Spaß daran hatten, und fand sogar selbst
    Vergnügen daran, was bei ihr höchstens am
    sechsunddreißigsten jedes Monats vorkam.
    »Guten Tag, Herr Kühn. Wie geht es Ihnen,
    Herr Kühn?«
    Aber eine rohe Hand stieß die Tür auf, Vater
    Bijard kam herein. Da

Weitere Kostenlose Bücher