Der Todschlaeger
wie
möglich an sich, schenkte ihr alles, was sie
konnte, Essen und alte Kleider. Als sie ihr
eines Tages ein altes Leibchen von Nana
anprobierte, blieb ihr die Luft weg, als sie sah,
daß das Rückgrat blau, der Ellbogen
zerschunden und noch blutig, ihr ganzes
Fleisch eines unschuldigen Kindleins
gemartert war und an den Knochen klebte. Na
ja, Vater Bazouge konnte seinen Kasten
fertigmachen, sie würde nicht mehr lange
machen in diesem Tempo! Aber die Kleine
hatte die Wäscherin gebeten, nichts zu sagen.
Sie wollte nicht, daß man ihrem Vater
ihretwegen Scherereien mache. Sie verteidigte
ihn und versicherte, er wäre nicht bösartig
gewesen, wenn er nicht getrunken hätte. Er sei
verrückt, er wisse nichts mehr. Oh, sie
verzeihe ihm, weil man Verrückten alles
verzeihen müsse.
Seitdem paßte Gervaise auf, suchte
einzuschreiten, sobald sie Vater Bijard die
Treppe heraufkommen hörte. Aber meistens
bekam sie bloß selber irgendeine Backpfeife
ab. Wenn sie im Laufe des Tages eintrat, fand
sie Lalie oft am Fußende des eisernen Bettes
festgebunden; ein Einfall des Schlossers, der
ihr, bevor er ausging, die Beine und den Leib
mit einem dicken Strick festschnürte, ohne daß
man erfahren konnte warum; der Rappel eines
vom Trunk verstörten Hirns, zweifellos bloß
um die Kleine zu tyrannisieren, selbst wenn er
nicht mehr da war. Lalie blieb ganze Tage
lang, steif wie ein Pfahl, mit Ameisengekribbel
in den Beinen, an dem Bettpfosten; sogar eine
Nacht blieb sie dort, weil Bijard vergessen
hatte, nach Hause zu kommen. Als Gervaise
entrüstet davon sprach, sie loszubinden, flehte
sie sie an, sie möge keinen Strick verrücken,
weil ihr Vater wütend werde, wenn er die
Knoten nicht auf dieselbe Art und Weise
gemacht wieder vorfinde. Das sei für sie
wirklich nicht schlimm, sie ruhe sich dabei
aus; und dies sagte sie lächelnd, die kurzen
Engelchenbeine geschwollen und abgestorben.
Angesichts des heillosen Durcheinanders im
Haushalt bekümmerte es sie, daß es die Arbeit
kaum voranbrachte, wenn sie an dieses Bett
festgebunden war. Ihr Vater hätte doch etwas
anderes erfinden sollen. Trotzdem
beaufsichtigte sie ihre Kinder, verschaffte sich
Gehorsam, rief Henriette und Jules zu sich
heran, um ihnen die Nase zu putzen. Da sie die
Hände frei hatte, strickte sie so lange, bis sie
befreit wurde, um ihre Zeit nicht völlig zu
verlieren. Und besonders weh tat es ihr, wenn
Bijard sie losband; sie kroch eine gute
Viertelstunde auf dem Fußboden umher, weil
sie sich wegen des nicht mehr zirkulierenden
Blutes nicht aufrecht halten konnte.
Der Schlosser hatte sich auch ein anderes
Spielchen ausgedacht. Er steckte Sousstücke in
den Ofen, damit sie rotglühend wurden, legte
sie dann auf eine Ecke des Kamins. Und er rief
Lalie, er sagte ihr, sie solle zwei Pfund Brot
holen. Arglos griff die Kleine nach den
Sousstücken, stieß einen Schrei aus, warf sie
weg und schüttelte ihr verbranntes Händchen.
Da wurde er wütend. Wer hatte ihm bloß so
ein Schindluder aufgehalst? Nun verlor sie
schon das Geld! Und er drohte, ihr den Hintern
zu versohlen, wenn sie nicht sofort das Geld
aufhebe. Wenn die Kleine zögerte, bekam sie
eine erste Verwarnung, eine Maulschelle von
solcher Wucht, daß ihr Funken vor den Augen
tanzten. Stumm, mit zwei großen Tränen an
den Augenrändern, hob sie die Sousstücke auf
und ging davon, wobei sie sie in der hohlen
Hand hin und her springen ließ, um sie
abzukühlen.
Nein, man würde niemals die Einfälle von
Grausamkeit ahnen, die auf dem Grunde eines
Säuferhirns gedeihen können. Eines
Nachmittags zum Beispiel spielte Lalie mit
ihren Kindern, nachdem sie alles aufgeräumt
hatte. Das Fenster stand offen, es zog, und der
sich auf dem Korridor verfangende Wind stieß
mit leichtem Rucken gegen die Tür.
»Das ist Herr Kühn«, sagte die Kleine. »Treten
Sie doch ein, Herr Kühn. Bemühen Sie sich
doch herein.« Und sie machte Verbeugungen
vor der Tür und begrüßte den Wind.
Henriette und Jules hinter ihr grüßten auch,
entzückt von diesem Spiel, und bogen sich vor
Lachen, als habe man sie gekitzelt. Sie war
ganz rosig, als sie sah, daß sie so herzlich
ihren Spaß daran hatten, und fand sogar selbst
Vergnügen daran, was bei ihr höchstens am
sechsunddreißigsten jedes Monats vorkam.
»Guten Tag, Herr Kühn. Wie geht es Ihnen,
Herr Kühn?«
Aber eine rohe Hand stieß die Tür auf, Vater
Bijard kam herein. Da
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