Der Todschlaeger
mitten ins Zimmer
geworfen wurde und es mit dem Auspacken
von Trauerkleidung erfüllte. Sie hörte ihn
herumtrampeln, wurde unruhig bei der
geringsten Bewegung von ihm, fuhr hoch,
wenn er gegen ein Möbelstück stieß oder sein
Geschirr herumschubste. Dieser verdammte
Säufer beschäftigte sie ständig, mit dumpfer
Angst, in die sich ein Gelüst, Bescheid zu
wissen, mischte. Er, der fidel, alle Tage voll
bis obenhin war, in dessen Kopf alles drunter
und drüber ging, hustete, spuckte, sang ein
lustiges Liedchen, ließ Unanständigkeiten vom
Stapel und schlug sich mit den vier Wänden
herum, bevor er sein Bett fand. Und ganz blaß,
verharrte sie und fragte sich, was er da wohl
anstellte; sie hatte gräßliche Vorstellungen, sie
setzte es sich in den Kopf, daß er einen Töten
mitgebracht haben mußte und ihn unter seinem
Bett verstaute. Mein Gott, die Zeitungen
erzählten doch eine Geschichte von einem
Angestellten eines Bestattungsinstituts, der die
Särge der kleinen Kinder bei sich zu Hause
sammelte, bloß um sich Mühe zu ersparen und
nur einen einzigen Gang zum Friedhof zu
machen. Sicher, wenn Bazouge ankam, roch es
durch die Bretterwand nach dem Toten. Man
hätte meinen können, vor dem Friedhof
PèreLachaise mitten im Reich der Maulwürfe
zu wohnen. Er war schrecklich, dieser Kerl,
wie er so ständig vor sich hin lachte, als
stimme sein Beruf ihn heiter. Selbst wenn er
mit seinem Hexensabbat fertig war und vor
Schlaf umfiel, schnarchte er auf eine
ungewöhnliche Weise, daß der Wäscherin der
Atem aussetzte. Stundenlang spitzte sie die
Ohren und glaubte, bei dem Nachbarn zögen
Leichenbegängnisse vorüber.
Ja, das schlimmste war, daß Gervaise in ihrem
Schrecken so sehr angezogen wurde, daß sie
ihr Ohr an die Wand preßte, um sich besser
Klarheit zu verschaffen. Bazouge wirkte auf
sie, wie schöne Männer auf ehrbare Frauen
wirken: sie möchten sie befühlen, aber sie
wagen es nicht; ihre gute Erziehung hält sie
zurück. Nun ja, wenn die Angst Gervaise nicht
zurückgehalten hätte, dann hätte Gervaise gern
einmal den Tod befühlt, um zu sehen, wie er
beschaffen war. Sie wurde zuweilen so
wunderlich und wartete, den Atem anhaltend,
aufmerksam auf die Lösung des Geheimnisses
in einer Bewegung Bazouges, daß Coupeau sie
grinsend fragte, ob sie in den Leichenträger
von nebenan verschossen sei. Sie wurde
ärgerlich, sprach davon, auszuziehen, so sehr
sei ihr diese Nachbarschaft zuwider; und
sobald der Alte mit seinem Friedhofsgeruch
ankam, verfiel sie unwillkürlich wieder in ihre
Überlegungen und sah entflammt und
furchtsam aus wie eine Ehefrau, die davon
träumt, Seitensprünge zu machen. Hatte er ihr
nicht zweimal angeboten, sie einzupacken, sie
irgendwohin mitzunehmen zu einem
Heiabettchen, wo die Wonne des Schlafes so
stark ist, daß man mit einem Schlage alles
Elend vergißt? Vielleicht war das tatsächlich
sehr gut. Nach und nach kam eine brennendere
Versuchung über sie, davon zu kosten. Sie
hätte es gern für vierzehn Tage, für einen
Monat versucht! Oh, einen Monat schlafen,
besonders im Winter, dem Monat der fälligen
Vierteljahresmiete,
wenn
die
Widerwärtigkeiten des Lebens sie verrecken
ließen! Aber das war nicht möglich, man
mußte immer weiterschlafen, wenn man eine
Stunde zu schlafen begann; und dieser
Gedanke ließ sie zu Eis erstarren, ihre
Verschossenheit in den Tod verflog vor der
ewigen und strengen Freundschaft, die die
Erde verlangte.
An einem Abend im Januar schlug sie
allerdings mit beiden Fäusten gegen die
Bretterwand. Von allen herumgestoßen, ohne
einen Sou, mit ihrem Mut am Ende, hatte sie
eine gräßliche Woche verbracht. An diesem
Abend fühlte sie sich nicht wohl, sie
schlotterte vor Fieber und sah Flammen
umhertanzen. Da begann sie, statt sich aus
dem Fenster zu stürzen, wozu sie einen
Augenblick Lust gehabt hatte, zu klopfen und
zu rufen:
»Vater Bazouge! Vater Bazouge!«
Der Leichenträger zog seine Schuhe aus und
sang dabei: »Es waren drei schöne Mädchen.«
Die Arbeit mußte sich am Tage ganz gut
gemacht haben, denn er schien noch
angeregter als gewöhnlich zu sein.
»Vater Bazouge! Vater Bazouge!« schrie
Gervaise mit lauterer Stimme. Hörte er sie
denn nicht? Sie überließ sich ihm auf der
Stelle, er konnte sie ruhig am Halse fassen und
sie dort hinschaffen, wo er seine anderen
Frauen hinschaffte, die armen und die reichen,
die er tröstete. Sie litt unter
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