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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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änderte sich die Szene,
    Henriette und Jules fielen gegen die Wand auf
    den Hintern, während Lalie erschrocken mitten
    in einer Verbeugung verharrte. Der Schlosser
    hielt eine große, ganz neue Fuhrmannspeitsche
    mit einem langen weißen Holzstiel und einem
    Lederriemen, der in einem Stück dünner
    Schnur endete, in der Hand. Er stellte diese
    Peitsche in die Ecke beim Bett, er versetzte der
    Kleinen, die sich schon vorsah und das Kreuz
    hinhielt, nicht seinen üblichen Fußtritt. Ein
    Grinsen ließ seine schwarzen Zähne sehen,
    und er war sehr lustig, sehr besoffen, sein
    Vollmondgesicht von einem ulkigen Einfall
    gerötet.
    »He«, sagte er, »du spielst die Rumtreiberin,
    du verdammter Strunk! Ich habe dich unten
    tanzen hören ... Los, tritt vor! Näher,
    Himmelsakrament, und mit dem Gesicht nach
    vorn; ich habe es nicht nötig, an deiner
    Mostrichdose herumzuschnuppern. Fasse ich
    dich denn an, daß du wie ein Piepmatz zitterst?
    – Zieh mir die Schuhe aus!«
    Erschrocken, daß sie ihre Abreibung nicht
    bekam, und wieder ganz blaß geworden, zog
    Lalie ihm die Schuhe aus. Er hatte sich auf den
    Bettrand gesetzt, legte sich angezogen hin,
    behielt die Augen offen und verfolgte die
    Bewegungen der Kleinen in der Stube. Sie
    ging hin und her, vertiert unter diesem Blick
    und die Glieder nach und nach von einer
    solchen Angst gequält, daß sie schließlich eine
    Tasse zerschlug. Da nahm er, ohne sich stören
    zu lassen, die Peitsche und zeigte sie ihr.
    »Hör mal, du kleines Rindvieh, sieh dir das an;
    das ist ein Geschenk für dich. Ja, das sind
    wieder mal fünfzig Sous, die du mich
    kostest ... Mit diesem Spielzeug hier bin ich
    nicht mehr gezwungen, herumzurennen, und
    du kannst dich in die Ecken verkriechen,
    soviel du willst. Willst du mal probieren? –
    Aha, du zerschlägst die Tassen! – Los, hopp!
    Tanz doch, mach doch Verbeugungen vor
    Herrn Kühn!«
    Auf den Rücken hingesielt, den Kopf ins
    Kissen vergraben, richtete er sich nicht einmal
    auf und ließ die große Peitsche mit dem
    Lärmen eines Postillions, der seine Pferde
    antreibt, durch die Stube knallen. Den Arm
    sinken lassend, versetzte er Lalie dann einen
    Peitschenhieb um den Leib, rollte sie auf und
    rollte sie ab wie einen Kreisel. Sie fiel hin und
    wollte sich auf allen vieren in Sicherheit
    bringen; doch er versetzte ihr abermals einen
    Peitschenhieb und brachte sie wieder auf die
    Beine.
    »Hopp, hopp!« grölte er. »Das ist das
    Eselrennen! – Ganz prima an einem
    Wintermorgen, he? Ich mache heia, ich erkälte
    mich nicht, ich erwische die Rindviecher von
    weitem, ohne meine Frostbeulen wund zu
    reiben. In die Ecke da – das saß, du Nuttchen!
    Und in die andere Ecke – das saß auch! Und in
    die andere da – das saß wiederum! Tja, wenn
    du dich unter das Bett verkriechst, versohle ich
    dich mit dem Stiel ... Hoppe, hoppe, Reiter,
    hoppe, hoppe, Reiter!«
    Leichter Schaum kam ihm auf die Lippen,
    seine gelben Augen traten aus ihren schwarzen
    Höhlen. Von Sinnen sprang Lalie heulend in
    alle vier Ecken der Stube, kauerte sich auf dem
    Boden zusammen, preßte sich an die Wände;
    doch die dünne Schmitze der langen Peitsche
    erreichte sie überall, knallte ihr mit dem
    Krachen eines Knallfroschs um die Ohren,
    zwickte ihr mit langem Brennen ins Fleisch.
    Das regelrechte Getanze eines Tieres, dem
    man Kunststücke beibringt. Dieses arme kleine
    Kätzchen tanzte Walzer – das mußte man
    sehen! –, die Hacken in der Luft wie die
    Rangen, die Seilspringen spielen und
    »Schneller drehen!« schreien. Sie konnte sich
    nicht mehr verschnaufen, prallte von selber
    wieder hoch wie ein Gummiball und ließ sich
    schlagen, geblendet, müde vom Suchen nach
    einem Zufluchtsloch. Und ihr Vater, dieser
    Wolf, frohlockte, nannte sie Bummelliese,
    fragte sie, ob sie genug habe und ob sie
    hinlänglich einsehe, daß sie die Hoffnung, ihm
    zu entkommen, jetzt fahrenlassen müsse.
    Aber mit einemmal kam Gervaise herein, die
    das Geheul der Kleinen hergezogen hatte.
    Angesichts eines derartigen Bildes packte sie
    wütende Entrüstung.
    »Oh, so ein Dreckstück von Mann!« schrie sie.
    »Wollen Sie sie wohl sein lassen, Sie Schuft!
    Ich werde Sie bei der Polizei anzeigen!«
    Bijard knurrte wie ein Tier, das man stört. Er
    lallte:
    »Hören Sie mal, Sie Humpelbein! Kümmern
    Sie sich gefälligst um Ihre Angelegenheiten.
    Soll ich vielleicht Handschuhe anziehen, um
    sie durchzuwamsen ... Das geschieht nur zu
    dem Zweck, um sie zu warnen, das

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