Der Todschlaeger
werde
sie schon daran hindern, herumzusumpfen,
und wenn er ihr die Pfoten kaputtschlagen
müßte. Wenn er gute Laune hatte, machte er
sich manchmal über sie lustig und zog sie auf.
Wahrhaftig, ein schöner Bissen für die
Männer, eine Seezunge, so platt sei sie, und
dazu Salznäpfe an den Schultern, so groß, daß
man die Faust hineinstecken könne! Nana, die
für die häßlichen Dinge, die sie nicht begangen
hatte, geschlagen und in die Roheit der
abscheulichen Beschuldigungen ihres Vaters
hinabgezerrt wurde, legte die tückische und
grimmige Unterwürfigkeit umzingelter Tiere
an den Tag.
»Laß sie doch in Ruhe!« sagte Gervaise, die
vernünftiger war, immer wieder. »Schließlich
machst du ihr noch Lust dazu, wenn du soviel
zu ihr davon sprichst.«
Ach ja, du meine Güte, die Lust dazu kam ihr!
Das heißt, es juckte sie am ganzen Leibe,
abzuhauen und durchgezogen zu werden, wie
Vater Coupeau sagte. Er ließ sie allzusehr in
diesem Gedanken leben, auch ein ehrbares
Mädchen hätte dabei Feuer gefangen. Mit
seiner Art herumzubrüllen brachte er ihr sogar
Dinge bei, die sie noch nicht kannte, was recht
erstaunlich war. Nach und nach nahm sie nun
komische Manieren an. Eines Morgens
bemerkte er, wie sie in einem Papier
herumkramte, um sich etwas in die Fratze zu
kleistern. Es war Reispuder, mit dem sie aus
einem verderbten Geschmack heraus den so
zarten Atlas ihrer Haut bepflasterte. Er
beschmierte sie so mit dem Papier, daß er ihr
fast das Gesicht zerschrammte, und schimpfte
sie Müllerstochter. Ein andermal brachte sie
rote Bänder mit, um ihre Mütze, diesen alten
schwarzen Hut, der ihr soviel Schande machte,
neu aufzuputzen. Und er fragte sie wütend, wo
diese Bänder herkämen. Die habe sie sich
wohl auf dem Rücken liegend verdient, was?
Oder habe sie sie etwa englisch eingekauft?
Schlampe oder Diebin, vielleicht schon beides.
Wiederholt sah er so in ihren Händen nette
Gegenstände, einen Karneolring, ein Paar
Ärmel mit kleinen Spitzen, eins jener
Doubléherzen, ein »Fühlmaldran«, das sich die
Mädchen zwischen die beiden Brüstchen
hängen. Coupeau wollte alles zertrampeln,
aber sie verteidigte ihre Sachen wütend: das
gehöre ihr, Damen hätten es ihr geschenkt,
oder auch, sie habe in der Werkstatt etwas
eingetauscht. Das Herz zum Beispiel habe sie
in der Rue d'Aboukir gefunden. Als ihr Vater
das Herz mit dem Absatz zertrat, blieb sie
ganz aufrecht, weiß und zuckend stehen,
während ein inneres Aufbegehren sie dazu
trieb, sich auf ihn zu stürzen, um ihm irgend
etwas zu entreißen. Seit zwei Jahren träumte
sie davon, dieses Herz zu besitzen, und nun
trampelte man es ihr platt! Nein, das fand sie
zu stark, das mußte schließlich mal ein Ende
nehmen!
Coupeau legte jedoch mehr Quälerei als
Rechtlichkeit in die Art und Weise, wie er
Nana gängeln wollte. Oft hatte er unrecht, und
seine Ungerechtigkeiten brachten die Kleine
hoch. Es kam so weit mit ihr, daß sie in der
Werkstatt fehlte; verabreichte der
Bauklempner ihr dann seine Tracht Prügel, so
machte sie sich über ihn lustig und erwiderte,
sie wolle nicht mehr zu Titreville
zurückkehren, weil man sie neben Augustine
setze, die bestimmt ihre Füße gegessen haben
müsse, so sehr stinke sie aus dem Maul. Nun
brachte Coupeau sie selber in die Rue du Caire
und bat die Chefin, sie zur Strafe immer neben
Augustine zu pflanzen. Vierzehn Tage lang
machte er sich jeden Morgen die Mühe, von
der
Barrière
Poissonnière
aus
hinunterzugehen, um Nana bis zur Tür der
Werkstatt zu begleiten. Und er blieb fünf
Minuten auf dem Bürgersteig stehen, um
sicher zu sein, daß sie hineingegangen war.
Aber als er eines Morgens mit einem Kumpel
in einer Weinschenke in der Rue SaintDenis
halt gemacht hatte, sah er, wie das
Frauenzimmer zehn Minuten später, mit den
Unterröcken wedelnd, dem unteren Ende der
Straße zu flitzte. Seit vierzehn Tagen hielt sie
ihn zum besten; sie stieg zwei Stockwerke
hoch, statt bei Titreville hineinzugehen, und
setzte sich so lange auf eine Treppenstufe, bis
er weg war. Als sich Coupeau an Frau Lerat
halten wollte, schrie diese ihm sehr
unverblümt zu, sie lasse sich den Verweis
nicht gefallen; sie habe ihrer Nichte alles
gesagt, was sie gegen die Männer sagen
müsse, und es sei nicht ihre Schuld, wenn
diese Göre noch immer Sinn für diese
Dreckskerle habe; nun wasche sie ihre Hände
in Unschuld, sie schwöre, sich in nichts
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