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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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    einzumischen, weil sie wisse, was sie wisse,
    nämlich Klatschereien in der Familie, ja,
    Personen, die sie zu beschuldigenwagten, mit
    Nana auf Abwege zu gehen und ein
    schmutziges Vergnügen dabei auszukosten,
    wie Nana unter ihren Augen den großen
    Sprung mache. Im übrigen erfuhr Coupeau
    von der Chefin, daß Nana von einer anderen
    Arbeiterin verführt worden sei, von diesem
    Boulevardpferdchen Léonie, die soeben die
    Blumen hatte fahrenlassen, um flottzumachen.
    Zweifellos hätte das Kind, das es nur nach
    Moneten und Eseleien auf den Straßen
    gelüstete,

    noch

    mit

    einem
    Orangenblütenkranz93 auf dem Kopf heiraten
    können. Aber, zum Donnerwetter! Man mußte
    sich ganz schön beeilen, wenn man sie einem
    Mann geben wollte, ohne daß irgend etwas
    zerrissen war, sauber und in gutem Zustand,
    vollständig, mit einem Wort, wie ein Fräulein,
    das auf sich hält.
    In dem Haus in der Rue de la Goutted'Or
    sprach man von Nanas Altem wie von einem
    Herrn, den jedermann kannte. Oh, er blieb sehr
    höflich, sogar ein wenig schüchtern, aber
    verteufelt hartnäckig und geduldig und folgte
    ihr in zehn Schritt Entfernung mit der Miene
    eines gehorsamen Wauwaus. Manchmal kam
    er sogar bis auf den Hof herein. Frau Gaudron
    traf ihn eines Abends auf dem Treppenabsatz
    im zweiten Stock, er hielt die Nase gesenkt,
    feuerrot im Gesicht, und ängstlich flitzte er am
    Geländer entlang. Und die Lorilleux drohten
    auszuziehen, wenn ihr Drecklappen von
    Nichte nochmals Männer an ihrem Hintern
    mitbringe, denn das werde ja ekelhaft, die
    Treppe sei voll von ihnen, man könne nicht
    mehr hinuntergehen, ohne auf allen Stufen
    welche zu sehen, die herumschnüffelten und
    warteten; wirklich, man könnte meinen, in
    diesem Winkel des Hauses gäbe es eine
    läufige Hündin. Die Boches bekamen Mitleid
    mit dem Los dieses armen Herrn, eines so
    achtbaren Mannes, der sich in eine kleine
    Herumtreiberin vernarre. Schließlich sei er
    Kaufmann, sie hätten seine Knopffabrik am
    Boulevard de la Villette gesehen, er hätte einer
    Frau etwas bieten können, wenn er an ein
    anständiges Mädchen geraten wäre. Dank der
    Einzelheiten, die die Concierges mitgeteilt
    hatten, bekundeten alle Leute im Viertel, ja
    sogar die Lorilleux, die größte Hochachtung
    für den Alten, wenn er, Nana auf den Fersen,
    vorüberging, mit hängender Unterlippe in
    seinem bleichen Gesicht mit dem untadelig
    gestutzten grauen Vollbart.
    Während des ersten Monats machte sich Nana
    hübsch lustig über ihren Alten. Man müsse ihn
    sehen, wie er immer um sie herumschwänzele.
    Ein richtiger Topfgucker, der im Gedränge
    von hinten ihren Rock betaste, ohne sich etwas
    anmerken zu lassen. Und seine Beine! Wie
    Reisig beim Kohlenhändler, richtige
    Streichhölzer! Kein Moos mehr auf der Platte,
    ein paar Haare, die sich flach zum Hals hin
    kräuselten, so daß sie immer versucht sei, ihn
    nach der Anschrift des Perückenmachers zu
    fragen, der ihm den Scheitel ziehe. Ach, so ein
    alter Knacker! Der sei ja ganz närrisch!
    Als sie ihn dann unaufhörlich wiedertraf, kam
    er ihr nicht mehr so ulkig vor. Sie hatte eine
    dumpfe Angst vor ihm, sie hätte geschrien,
    wenn er näher gekommen wäre. Oft hörte sie,
    wenn sie vor einem Juwelier stehenblieb, wie
    er ihr mit einemmal hinter ihrem Rücken
    etwas zustammelte. Und das stimmte, was er
    sagte; sie hätte gern ein Kreuz mit einem
    Samtband um den Hals haben mögen, oder
    auch kleine Korallenohrringe, so kleine, die
    man für Blutstropfen hätte halten können.
    Selbst wenn sie nicht sehnlichst Schmuck
    gewünscht hätte, konnte sie doch wirklich
    nicht länger wie ein Fetzen aussehen, sie hatte
    es satt, sich mit dem heimlich aus den
    Werkstätten in der Rue du Caire ergatterten
    Zeug immer wieder aufzumöbeln, sie hatte vor
    allem genug von ihrer Mütze, diesem Deckel,
    auf dem die bei Titreville stibitzten Blumen
    wie Klunkern wirkten, die wie Glöckchen am
    Hintern eines armen Mannes hingen. Wenn sie
    durch den Straßenschmutz trabte, von den
    Wagen mit Kot bespritzt und vom Glanz der
    Auslagen geblendet, verspürte sie dann
    Gelüste, die ihr wie Heißhunger den Magen
    umdrehten, Gelüste, gut angezogen zu sein, in
    den Restaurants zu essen, ins Theater zu gehen
    und ein eigenes Zimmer mit schönen Möbeln
    zu haben. Sie blieb blaß vor Verlangen stehen,
    sie fühlte, wie vom Pariser Pflaster eine
    Wärme an ihren Schenkeln entlang
    emporstieg, eine wilde Begierde, in die
    Genüsse hineinzubeißen, von

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