Der Todschlaeger
mehr
einzumischen, weil sie wisse, was sie wisse,
nämlich Klatschereien in der Familie, ja,
Personen, die sie zu beschuldigenwagten, mit
Nana auf Abwege zu gehen und ein
schmutziges Vergnügen dabei auszukosten,
wie Nana unter ihren Augen den großen
Sprung mache. Im übrigen erfuhr Coupeau
von der Chefin, daß Nana von einer anderen
Arbeiterin verführt worden sei, von diesem
Boulevardpferdchen Léonie, die soeben die
Blumen hatte fahrenlassen, um flottzumachen.
Zweifellos hätte das Kind, das es nur nach
Moneten und Eseleien auf den Straßen
gelüstete,
noch
mit
einem
Orangenblütenkranz93 auf dem Kopf heiraten
können. Aber, zum Donnerwetter! Man mußte
sich ganz schön beeilen, wenn man sie einem
Mann geben wollte, ohne daß irgend etwas
zerrissen war, sauber und in gutem Zustand,
vollständig, mit einem Wort, wie ein Fräulein,
das auf sich hält.
In dem Haus in der Rue de la Goutted'Or
sprach man von Nanas Altem wie von einem
Herrn, den jedermann kannte. Oh, er blieb sehr
höflich, sogar ein wenig schüchtern, aber
verteufelt hartnäckig und geduldig und folgte
ihr in zehn Schritt Entfernung mit der Miene
eines gehorsamen Wauwaus. Manchmal kam
er sogar bis auf den Hof herein. Frau Gaudron
traf ihn eines Abends auf dem Treppenabsatz
im zweiten Stock, er hielt die Nase gesenkt,
feuerrot im Gesicht, und ängstlich flitzte er am
Geländer entlang. Und die Lorilleux drohten
auszuziehen, wenn ihr Drecklappen von
Nichte nochmals Männer an ihrem Hintern
mitbringe, denn das werde ja ekelhaft, die
Treppe sei voll von ihnen, man könne nicht
mehr hinuntergehen, ohne auf allen Stufen
welche zu sehen, die herumschnüffelten und
warteten; wirklich, man könnte meinen, in
diesem Winkel des Hauses gäbe es eine
läufige Hündin. Die Boches bekamen Mitleid
mit dem Los dieses armen Herrn, eines so
achtbaren Mannes, der sich in eine kleine
Herumtreiberin vernarre. Schließlich sei er
Kaufmann, sie hätten seine Knopffabrik am
Boulevard de la Villette gesehen, er hätte einer
Frau etwas bieten können, wenn er an ein
anständiges Mädchen geraten wäre. Dank der
Einzelheiten, die die Concierges mitgeteilt
hatten, bekundeten alle Leute im Viertel, ja
sogar die Lorilleux, die größte Hochachtung
für den Alten, wenn er, Nana auf den Fersen,
vorüberging, mit hängender Unterlippe in
seinem bleichen Gesicht mit dem untadelig
gestutzten grauen Vollbart.
Während des ersten Monats machte sich Nana
hübsch lustig über ihren Alten. Man müsse ihn
sehen, wie er immer um sie herumschwänzele.
Ein richtiger Topfgucker, der im Gedränge
von hinten ihren Rock betaste, ohne sich etwas
anmerken zu lassen. Und seine Beine! Wie
Reisig beim Kohlenhändler, richtige
Streichhölzer! Kein Moos mehr auf der Platte,
ein paar Haare, die sich flach zum Hals hin
kräuselten, so daß sie immer versucht sei, ihn
nach der Anschrift des Perückenmachers zu
fragen, der ihm den Scheitel ziehe. Ach, so ein
alter Knacker! Der sei ja ganz närrisch!
Als sie ihn dann unaufhörlich wiedertraf, kam
er ihr nicht mehr so ulkig vor. Sie hatte eine
dumpfe Angst vor ihm, sie hätte geschrien,
wenn er näher gekommen wäre. Oft hörte sie,
wenn sie vor einem Juwelier stehenblieb, wie
er ihr mit einemmal hinter ihrem Rücken
etwas zustammelte. Und das stimmte, was er
sagte; sie hätte gern ein Kreuz mit einem
Samtband um den Hals haben mögen, oder
auch kleine Korallenohrringe, so kleine, die
man für Blutstropfen hätte halten können.
Selbst wenn sie nicht sehnlichst Schmuck
gewünscht hätte, konnte sie doch wirklich
nicht länger wie ein Fetzen aussehen, sie hatte
es satt, sich mit dem heimlich aus den
Werkstätten in der Rue du Caire ergatterten
Zeug immer wieder aufzumöbeln, sie hatte vor
allem genug von ihrer Mütze, diesem Deckel,
auf dem die bei Titreville stibitzten Blumen
wie Klunkern wirkten, die wie Glöckchen am
Hintern eines armen Mannes hingen. Wenn sie
durch den Straßenschmutz trabte, von den
Wagen mit Kot bespritzt und vom Glanz der
Auslagen geblendet, verspürte sie dann
Gelüste, die ihr wie Heißhunger den Magen
umdrehten, Gelüste, gut angezogen zu sein, in
den Restaurants zu essen, ins Theater zu gehen
und ein eigenes Zimmer mit schönen Möbeln
zu haben. Sie blieb blaß vor Verlangen stehen,
sie fühlte, wie vom Pariser Pflaster eine
Wärme an ihren Schenkeln entlang
emporstieg, eine wilde Begierde, in die
Genüsse hineinzubeißen, von
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