Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
sehr
    wohl, daß sie nun, da ihre Kleine umgelegt
    wurde und darauf aus war, sich stoßen zu
    lassen, noch tiefer sinken würde, weil sie jetzt
    allein war, kein Kind mehr hatte, auf das sie
    Rücksicht nehmen mußte, und sich so tief
    absacken lassen konnte, wie sie fallen würde.
    Ja, dieses entartete Luder trug in seinen
    schmutzigen Unterröcken das letzte bißchen
    ihrer Ehrbarkeit fort. Und wütend berauschte
    sie sich drei Tage, die Fäuste geballt, den
    Mund verquollen von abscheulichen Worten
    gegen das Miststück, ihre Tochter.
    Coupeau rauchte wieder in aller Seelenruhe
    seine Pf eife, nachdem er die äußeren
    Boulevards abgeklappert und allen
    vorübergehenden Schlampen unter die Nase
    geblickt hatte; bloß wenn er bei Tisch war,
    stand er manchmal auf, die Arme in die Luft
    gestreckt, ein Messer in der Faust, und schrie,
    er sei entehrt; und er setzte sich wieder hin, um
    seine Suppe aufzuessen.
    In dem Hause, in dem jeden Monat Mädchen
    davonflogen wie Kanarienvögel, deren Käfige
    man offengelassen hatte, setzte das
    Mißgeschick der Coupeaus niemand in
    Erstaunen. Die Lorilleux aber triumphierten.
    Na, sie hätten es ja vorausgesagt, daß die
    Kleine ihnen den Hobel blasen würde! Das
    hatten sie verdient, mit allen
    Blumenmacherinnen ginge es schief. Die
    Boches und die Poissons feixten ebenfalls und
    machten furchtbar viel Aufwand und Prahlerei
    mit ihrer Tugend.
    Nur Lantier nahm Nana hinterhältig in Schutz.
    Mein Gott, erklärte er mit seiner puritanischen
    Miene, zweifellos verstoße ein Fräulein, das
    abhaue, gegen alle Gesetze; dann fügte er mit
    einer Flamme in den Augenwinkeln hinzu:
    Himmelkreuzdonnerwetter! Die Göre sei aber
    auch zu hübsch, um in ihrem Alter im Elend
    zu verkommen.
    »Sie wissen's noch nicht?« rief eines Tages
    Frau Lorilleux in Boches Conciergeloge, wo
    die Sippschaft Kaffee trank. »Na schön, so
    wahr, wie das Licht des Tags uns erleuchtet,
    hat Hinkebein ihre Tochter verkauft ... Ja, sie
    hat sie verkauft, und ich habe Beweise! –
    Dieser Alte, den man morgens und abends auf
    der Treppe traf, der ging schon hinauf, um
    Anzahlungen zu leisten. Das sprang einem ja
    in die Augen. Und gestern erst! Da hat sie
    jemand beide zusammen im Théâtre de
    l'AmbiguComique erblickt, das Flittchen und
    ihren Kater ... Mein Ehrenwort! Sie sind
    zusammen, das sehen Sie doch!«
    Man trank den Kaffee aus, während man das
    erörterte. Nach alledem war es ja möglich, es
    passierten noch tollere Dinge. Und im Viertel
    wiederholten am Ende die gesetztesten Leute,
    Gervaise habe ihre Tochter verkauft.
    Gervaise schleppte ihr Leben nun gerade noch
    so dahin wie ein Paar alte Latschen und pfiff
    auf die Meinung der Leute. Hätte man sie auf
    der Straße eine Diebin genannt, so würde sie
    sich nicht umgedreht haben. Seit einem Monat
    arbeitete sie nicht mehr bei Frau Fauconnier,
    die sie hatte hinauswerfen müssen, um
    Streitereien zu vermeiden. In wenigen Wochen
    hatte sie bei acht Wäscherinnen angefangen; in
    jeder Werkstatt blieb sie zwei oder drei Tage,
    dann bekam sie den Laufpaß, so saute sie die
    Arbeit hin, ohne Sorgfalt, unsauber, und sie
    verlor dermaßen den Kopf, daß sie ihr
    Handwerk verlernte. Da sie fühlte, daß sie eine
    Pfuscherin war, hatte sie schließlich das
    Bügeln aufgegeben und wusch im Tagelohn
    im Waschhaus in der Rue Neuve de la
    Goutted'Or; pantschen, sich mit dem Dreck
    herumschlagen, wieder hinabsteigen zu dem,
    was das Handwerk an Unangenehmem und
    Leichtem an sich hat, das ging immer noch,
    das ließ sie auf der abschüssigen Bahn ihres
    raschen Herunterkommens eine Stufe tiefer
    sinken. Du meine Güte, das Waschhaus
    machte sie nicht gerade schöner. Ein richtiger
    kotbespritzter Hund war sie, wenn sie triefend
    von dort herauskam und man ihre blau
    angelaufene Haut sah. Dabei wurde sie trotz
    ihres Getanzes vor dem leeren Speiseschrank
    immer dicker, und ihr Bein verkrümmte sich
    so stark, daß sie nicht mehr neben jemand
    hergehen konnte, ohne ihn beinahe
    umzuwerfen, so sehr hinkte sie.
    Wenn man so sehr verkommt, schwindet
    natürlich aller Stolz der Frau. Gervaise hatte
    ihren früheren Hochmut abgelegt, ihre
    Koketterie,

    ihr

    Bedürfnis

    nach
    Gefühlsregungen, nach Schicklichkeit und
    Rücksichtnahme. Man konnte ihr überall Tritte
    mit dem Stiefel verabfolgen, vorn und hinten,
    sie spürte sie nicht, sie wurde zu schlaff und
    lässig. So hatte Lantier sie völlig fallenlassen;
    er kniff sie nicht einmal mehr der Form halber;
    und

Weitere Kostenlose Bücher