Der Todschlaeger
sehr
wohl, daß sie nun, da ihre Kleine umgelegt
wurde und darauf aus war, sich stoßen zu
lassen, noch tiefer sinken würde, weil sie jetzt
allein war, kein Kind mehr hatte, auf das sie
Rücksicht nehmen mußte, und sich so tief
absacken lassen konnte, wie sie fallen würde.
Ja, dieses entartete Luder trug in seinen
schmutzigen Unterröcken das letzte bißchen
ihrer Ehrbarkeit fort. Und wütend berauschte
sie sich drei Tage, die Fäuste geballt, den
Mund verquollen von abscheulichen Worten
gegen das Miststück, ihre Tochter.
Coupeau rauchte wieder in aller Seelenruhe
seine Pf eife, nachdem er die äußeren
Boulevards abgeklappert und allen
vorübergehenden Schlampen unter die Nase
geblickt hatte; bloß wenn er bei Tisch war,
stand er manchmal auf, die Arme in die Luft
gestreckt, ein Messer in der Faust, und schrie,
er sei entehrt; und er setzte sich wieder hin, um
seine Suppe aufzuessen.
In dem Hause, in dem jeden Monat Mädchen
davonflogen wie Kanarienvögel, deren Käfige
man offengelassen hatte, setzte das
Mißgeschick der Coupeaus niemand in
Erstaunen. Die Lorilleux aber triumphierten.
Na, sie hätten es ja vorausgesagt, daß die
Kleine ihnen den Hobel blasen würde! Das
hatten sie verdient, mit allen
Blumenmacherinnen ginge es schief. Die
Boches und die Poissons feixten ebenfalls und
machten furchtbar viel Aufwand und Prahlerei
mit ihrer Tugend.
Nur Lantier nahm Nana hinterhältig in Schutz.
Mein Gott, erklärte er mit seiner puritanischen
Miene, zweifellos verstoße ein Fräulein, das
abhaue, gegen alle Gesetze; dann fügte er mit
einer Flamme in den Augenwinkeln hinzu:
Himmelkreuzdonnerwetter! Die Göre sei aber
auch zu hübsch, um in ihrem Alter im Elend
zu verkommen.
»Sie wissen's noch nicht?« rief eines Tages
Frau Lorilleux in Boches Conciergeloge, wo
die Sippschaft Kaffee trank. »Na schön, so
wahr, wie das Licht des Tags uns erleuchtet,
hat Hinkebein ihre Tochter verkauft ... Ja, sie
hat sie verkauft, und ich habe Beweise! –
Dieser Alte, den man morgens und abends auf
der Treppe traf, der ging schon hinauf, um
Anzahlungen zu leisten. Das sprang einem ja
in die Augen. Und gestern erst! Da hat sie
jemand beide zusammen im Théâtre de
l'AmbiguComique erblickt, das Flittchen und
ihren Kater ... Mein Ehrenwort! Sie sind
zusammen, das sehen Sie doch!«
Man trank den Kaffee aus, während man das
erörterte. Nach alledem war es ja möglich, es
passierten noch tollere Dinge. Und im Viertel
wiederholten am Ende die gesetztesten Leute,
Gervaise habe ihre Tochter verkauft.
Gervaise schleppte ihr Leben nun gerade noch
so dahin wie ein Paar alte Latschen und pfiff
auf die Meinung der Leute. Hätte man sie auf
der Straße eine Diebin genannt, so würde sie
sich nicht umgedreht haben. Seit einem Monat
arbeitete sie nicht mehr bei Frau Fauconnier,
die sie hatte hinauswerfen müssen, um
Streitereien zu vermeiden. In wenigen Wochen
hatte sie bei acht Wäscherinnen angefangen; in
jeder Werkstatt blieb sie zwei oder drei Tage,
dann bekam sie den Laufpaß, so saute sie die
Arbeit hin, ohne Sorgfalt, unsauber, und sie
verlor dermaßen den Kopf, daß sie ihr
Handwerk verlernte. Da sie fühlte, daß sie eine
Pfuscherin war, hatte sie schließlich das
Bügeln aufgegeben und wusch im Tagelohn
im Waschhaus in der Rue Neuve de la
Goutted'Or; pantschen, sich mit dem Dreck
herumschlagen, wieder hinabsteigen zu dem,
was das Handwerk an Unangenehmem und
Leichtem an sich hat, das ging immer noch,
das ließ sie auf der abschüssigen Bahn ihres
raschen Herunterkommens eine Stufe tiefer
sinken. Du meine Güte, das Waschhaus
machte sie nicht gerade schöner. Ein richtiger
kotbespritzter Hund war sie, wenn sie triefend
von dort herauskam und man ihre blau
angelaufene Haut sah. Dabei wurde sie trotz
ihres Getanzes vor dem leeren Speiseschrank
immer dicker, und ihr Bein verkrümmte sich
so stark, daß sie nicht mehr neben jemand
hergehen konnte, ohne ihn beinahe
umzuwerfen, so sehr hinkte sie.
Wenn man so sehr verkommt, schwindet
natürlich aller Stolz der Frau. Gervaise hatte
ihren früheren Hochmut abgelegt, ihre
Koketterie,
ihr
Bedürfnis
nach
Gefühlsregungen, nach Schicklichkeit und
Rücksichtnahme. Man konnte ihr überall Tritte
mit dem Stiefel verabfolgen, vorn und hinten,
sie spürte sie nicht, sie wurde zu schlaff und
lässig. So hatte Lantier sie völlig fallenlassen;
er kniff sie nicht einmal mehr der Form halber;
und
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