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Der Todschlaeger

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Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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eines
    Alten vor mir hin und her schwänzelte, und
    sagte zu mir: Diesen Podex kennst du doch ...
    Da habe ich den Schritt verdoppelt und stand
    meiner verdammten Nana Nase an Nase
    gegenüber ... Ich sage Ihnen, Sie brauchen sie
    nicht zu bedauern, sie ist recht glücklich, hat
    ein hübsches Wollkleid auf dem Rücken, ein
    goldenes Kreuz am Hals und sieht zudem
    höchst komisch aus!«
    »Ach!« wiederholte Gervaise mit noch
    dumpferer Stimme.
    Lantier, der die Plätzchen aufgegessen hatte,
    nahm ein Stück Gerstenzucker aus einem
    anderen Glas.
    »Durchtrieben ist dieses Kind!« fuhr er fort.
    »Stellen Sie sich vor, sie hat mir mit kolossaler
    Dreistigkeit einen Wink gegeben, ich sollte ihr
    nachgehen. Dann hat sie ihren Alten irgendwo
    in einem Café verstaut ... Oh, großartig, der
    Alte! Ausgenommen, der Alte! – Und sie hat
    sich in einer Haustür wieder mit mir getroffen.
    Eine richtige Schlange! Nett, spielt das
    Zierpüppchen und leckt einen ab wie ein
    Hündchen! Ja, sie hat mich geküßt und hat
    wissen wollen, wie es allen geht – Kurzum, es
    hat mich sehr gefreut, sie zu treffen.«
    »Ach!« sagte Gervaise ein drittes Mal. Sie
    sackte zusammen, sie wartete immer noch.
    Hatte ihre Tochter denn kein Wort für sie
    übrig gehabt?
    In der Stille hörte man erneut Poissons Säge.
    Vergnügt lutschte Lantier mit schmatzenden
    Lippen schnell an seinem Gerstenzucker.
    »Na, ich kann sie ruhig sehen, ich würde auf
    die andere Straßenseite gehen«, meinte
    Virginie, die den Hutmacher soeben abermals
    mit grimmiger Hand gekniffen hatte. »Ja, mir
    würde die Schamröte darüber in die Stirn
    steigen, von einer dieser Dirnen in der
    Öffentlichkeit begrüßt zu werden ... Das sage
    ich nicht, weil Sie da sind, Madame Coupeau,
    aber Ihre Tochter ist ein schönes Aas. Poisson
    greift alle Tage welche auf, die mehr taugen.«
    Gervaise sagte nichts, rührte sich nicht, hatte
    die Augen starr ins Leere gerichtet. Schließlich
    schüttelte sie langsam den Kopf, als wolle sie
    auf die Gedanken antworten, die sie für sich
    behielt, während der Hutmacher mit lüsterner
    Miene murmelte:
    »Von diesem Aas würde man sich gern einen
    verdorbenen Magen holen. Das ist ja zart wie
    ein Hühnchen ...« Aber die Süßwarenhändlerin
    sah ihn mit so schrecklicher Miene an, daß er
    sich unterbrechen und sie mit einem Späßchen
    besänftigen mußte. Er spähte zu dem
    Polizisten hin, bemerkte, daß der seine Nase
    über seiner kleinen Schachtel hatte, und nutzte
    dies aus, um Virginie den Gerstenzucker in
    den Mund zu stecken.
    Darauf gab diese ein wohlgefälliges Lachen
    von sich. Dann richtete sie ihren Zorn auf die
    Wäscherin.
    »Beeilen Sie sich doch ein bißchen, nicht
    wahr? Es bringt die Arbeit kaum voran, wenn
    Sie wie ein Prellstein dasitzen ... Los, bewegen
    Sie sich, ich habe keine Lust, bis heute abend
    im Wasser herumzupantschen.« Und boshaft
    setzte sie leiser hinzu: »Ist es etwa meine
    Schuld, wenn Ihre Tochter flottmacht?«
    Zweifellos hörte Gervaise nichts. Mit
    zerschlagenem Rückgrat flach auf der Erde
    hingestreckt und mit den benommenen
    Bewegungen eines Frosches herumkriechend,
    hatte sie wieder begonnen, den Fußboden zu
    wischen. Mit ihren beiden auf dem Holz der
    Bürste verkrampften Händen schob sie eine
    schwarze Woge vor sich her, deren
    Dreckspritzer sie bis in das Haar mit Schlamm
    besprenkelten. Sie brauchte nur noch
    nachzuspülen, nachdem das Schmutzwasser in
    den Rinnstein gefegt war.
    Inzwischen erhob Lantier, der sich langweilte,
    nach einem Schweigen die Stimme.
    »Wissen Sie was, Badinguet«, rief er, »gestern
    habe ich Ihren Chef in der Rue de Rivoli
    gesehen. Er ist verteufelt runtergekommen, der
    macht kein halbes Jahr mehr ... Na, freilich,
    bei dem Leben, das er führt!« Er sprach vom
    Kaiser.
    Ohne aufzublicken, antwortete der Polizist in
    frostigem Ton:
    »Wenn Sie die Regierung wären, dann wären
    Sie nicht so fett.«
    »Oh, mein Bester, wenn ich die Regierung
    wäre«, erwiderte der Hutmacher und trug
    einen jähen Ernst zur Schau, »dann würden die
    Dinge ein bißchen besser gehen, darauf gebe
    ich Ihnen Brief und Siegel ... So bricht einem
    bei deren Außenpolitik ja seit einiger Zeit
    wirklich der Angstschweiß aus. Wenn ich, der
    ich mit Ihnen spreche, bloß einen Journalisten
    kennen würde, um ihn mit meinen Ideen zu
    begeistern ...« Er wurde lebhaft, und da sein
    Gerstenzucker aufgeknabbert war, hatte er
    soeben eine Schublade geöffnet, aus der er
    Lakritzen

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