Der Todschlaeger
eines
Alten vor mir hin und her schwänzelte, und
sagte zu mir: Diesen Podex kennst du doch ...
Da habe ich den Schritt verdoppelt und stand
meiner verdammten Nana Nase an Nase
gegenüber ... Ich sage Ihnen, Sie brauchen sie
nicht zu bedauern, sie ist recht glücklich, hat
ein hübsches Wollkleid auf dem Rücken, ein
goldenes Kreuz am Hals und sieht zudem
höchst komisch aus!«
»Ach!« wiederholte Gervaise mit noch
dumpferer Stimme.
Lantier, der die Plätzchen aufgegessen hatte,
nahm ein Stück Gerstenzucker aus einem
anderen Glas.
»Durchtrieben ist dieses Kind!« fuhr er fort.
»Stellen Sie sich vor, sie hat mir mit kolossaler
Dreistigkeit einen Wink gegeben, ich sollte ihr
nachgehen. Dann hat sie ihren Alten irgendwo
in einem Café verstaut ... Oh, großartig, der
Alte! Ausgenommen, der Alte! – Und sie hat
sich in einer Haustür wieder mit mir getroffen.
Eine richtige Schlange! Nett, spielt das
Zierpüppchen und leckt einen ab wie ein
Hündchen! Ja, sie hat mich geküßt und hat
wissen wollen, wie es allen geht – Kurzum, es
hat mich sehr gefreut, sie zu treffen.«
»Ach!« sagte Gervaise ein drittes Mal. Sie
sackte zusammen, sie wartete immer noch.
Hatte ihre Tochter denn kein Wort für sie
übrig gehabt?
In der Stille hörte man erneut Poissons Säge.
Vergnügt lutschte Lantier mit schmatzenden
Lippen schnell an seinem Gerstenzucker.
»Na, ich kann sie ruhig sehen, ich würde auf
die andere Straßenseite gehen«, meinte
Virginie, die den Hutmacher soeben abermals
mit grimmiger Hand gekniffen hatte. »Ja, mir
würde die Schamröte darüber in die Stirn
steigen, von einer dieser Dirnen in der
Öffentlichkeit begrüßt zu werden ... Das sage
ich nicht, weil Sie da sind, Madame Coupeau,
aber Ihre Tochter ist ein schönes Aas. Poisson
greift alle Tage welche auf, die mehr taugen.«
Gervaise sagte nichts, rührte sich nicht, hatte
die Augen starr ins Leere gerichtet. Schließlich
schüttelte sie langsam den Kopf, als wolle sie
auf die Gedanken antworten, die sie für sich
behielt, während der Hutmacher mit lüsterner
Miene murmelte:
»Von diesem Aas würde man sich gern einen
verdorbenen Magen holen. Das ist ja zart wie
ein Hühnchen ...« Aber die Süßwarenhändlerin
sah ihn mit so schrecklicher Miene an, daß er
sich unterbrechen und sie mit einem Späßchen
besänftigen mußte. Er spähte zu dem
Polizisten hin, bemerkte, daß der seine Nase
über seiner kleinen Schachtel hatte, und nutzte
dies aus, um Virginie den Gerstenzucker in
den Mund zu stecken.
Darauf gab diese ein wohlgefälliges Lachen
von sich. Dann richtete sie ihren Zorn auf die
Wäscherin.
»Beeilen Sie sich doch ein bißchen, nicht
wahr? Es bringt die Arbeit kaum voran, wenn
Sie wie ein Prellstein dasitzen ... Los, bewegen
Sie sich, ich habe keine Lust, bis heute abend
im Wasser herumzupantschen.« Und boshaft
setzte sie leiser hinzu: »Ist es etwa meine
Schuld, wenn Ihre Tochter flottmacht?«
Zweifellos hörte Gervaise nichts. Mit
zerschlagenem Rückgrat flach auf der Erde
hingestreckt und mit den benommenen
Bewegungen eines Frosches herumkriechend,
hatte sie wieder begonnen, den Fußboden zu
wischen. Mit ihren beiden auf dem Holz der
Bürste verkrampften Händen schob sie eine
schwarze Woge vor sich her, deren
Dreckspritzer sie bis in das Haar mit Schlamm
besprenkelten. Sie brauchte nur noch
nachzuspülen, nachdem das Schmutzwasser in
den Rinnstein gefegt war.
Inzwischen erhob Lantier, der sich langweilte,
nach einem Schweigen die Stimme.
»Wissen Sie was, Badinguet«, rief er, »gestern
habe ich Ihren Chef in der Rue de Rivoli
gesehen. Er ist verteufelt runtergekommen, der
macht kein halbes Jahr mehr ... Na, freilich,
bei dem Leben, das er führt!« Er sprach vom
Kaiser.
Ohne aufzublicken, antwortete der Polizist in
frostigem Ton:
»Wenn Sie die Regierung wären, dann wären
Sie nicht so fett.«
»Oh, mein Bester, wenn ich die Regierung
wäre«, erwiderte der Hutmacher und trug
einen jähen Ernst zur Schau, »dann würden die
Dinge ein bißchen besser gehen, darauf gebe
ich Ihnen Brief und Siegel ... So bricht einem
bei deren Außenpolitik ja seit einiger Zeit
wirklich der Angstschweiß aus. Wenn ich, der
ich mit Ihnen spreche, bloß einen Journalisten
kennen würde, um ihn mit meinen Ideen zu
begeistern ...« Er wurde lebhaft, und da sein
Gerstenzucker aufgeknabbert war, hatte er
soeben eine Schublade geöffnet, aus der er
Lakritzen
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