Der Todschlaeger
anderen auf und ab wippte, daß die Leute
rings um sie Witze machten, wenn sie nur
diesen Hut umhertanzen sahen, ohne zu
wissen, was daruntersteckte.
»Na und?« fragte Coupeau.
»Du erkennst den Haarknoten da nicht?«
murmelte Gervaise gepreßt. »Ich lasse mir den
Kopf abhacken, das ist sie!«
Mit einem Stoß zerteilte der Bauklempner die
Menge. Himmelsakrament, ja, das war Nana!
Und noch dazu in einem schönen Aufzug! Sie
hatte nur noch ein altes Seidenkleid auf dem
Hintern, das vom Abwischen der Tische in den
Spelunken ganz beschmiert war und dessen
losgerissene Volants überall hervorbammelten.
Dazu hatte sie ein Leibchen an, ohne einen
Zipfel Schal auf den Schultern, und zeigte ihre
bloße Korsage mit den ausgeplatzten
Knopflöchern. Wenn man bedenkt, daß dieses
Weibsbild da einen durch und durch
aufmerksamen Alten gehabt hatte und daß sie
so weit gesunken war, daß sie irgendeinem
Zuhälter nachlief, der sie wahrscheinlich
schlug! Einerlei, sie blieb schön frisch und
lecker, struppig wie ein Pudel, und hatte einen
rosigen Schnabel unter ihrem verflixten
großen Hut.
»Warte, die werde ich dir tanzen lehren!«
versetzte Coupeau.
Nana hegte natürlich keinen Argwohn. Sie
wand sich hin und her, das mußte man sehen!
Und mit dem Hintern wippen nach links und
mit dem Hintern wippen nach rechts,
Verbeugungen, die sie fast entzweibrachen,
und Wirbel mit den Füßen, die sie ihrem
Kavalier ins Gesicht schleuderte, als wolle sie
sich aufspalten! Man bildete einen Kreis und
klatschte ihr Beifall, und in Fahrt gekommen,
raffte sie ihre Röcke, schürzte sie bis zu den
Knien hoch, wurde ganz durchgeschüttelt vom
Schwung des Chahuts; gepeitscht, drehte sie
sich wie ein Kreisel, knallte im Spagat flach
aufs Parkett und verfiel dann wieder in ein
züchtiges Tänzchen mit einem fabelhaft
schicken Wogen der Hüften und des Busens.
Man hätte sie in eine Ecke tragen und sie
streicheln und vor Liebe auffressen mögen.
Coupeau allerdings, der mitten in die
Pastourelle hineinplatzte, störte die Figur und
bekam Rippenstöße ab.
»Ich sage Ihnen doch, das ist meine Tochter!«
schrie er. »Lassen Sie mich durch!«
Nana ging gerade rückwärts und fegte dabei
das Parkett mit ihren Federn, rundete ihr
Hinterteil und verlieh ihm leichte, ruckartige
Bewegungen, damit es netter aussah. Sie
bekam einen gehörigen Fußtritt genau an die
richtige Stelle, richtete sich auf und wurde
blaß, als sie ihren Vater und ihre Mutter
erkannte. Kein Glück, du meine Güte!
»Raus!« grölten die Tänzer.
Aber Coupeau, der soeben in dem Kavalier
seiner Tochter den mageren jungen Mann im
Überzieher wiedererkannt hatte, waren die
Leute ziemlich schnuppe.
»Ja, wir sind es«, brüllte er. »Das hast du nicht
erwartet, was! – Aha, hier erwischt man dich
also, und noch dazu mit einem Grünschnabel,
der sich vorhin respektlos gegen mich
benommen hat!«
Gervaise, die die Zähne zusammenbiß, stieß
ihn an und sagte:
»Sei still! – So viele Erklärungen sind nicht
nötig.« Und vortretend, verpaßte sie Nana
zwei tüchtige Ohrfeigen. Die erste fegte den
Federhut beiseite, und die zweite hinterließ ihr
rotes Mal auf der Wange, die weiß war wie ein
Leinentuch.
Starr vor Schreck nahm Nana sie hin, ohne zu
weinen und ohne aufzumucken.
Die Kapelle spielte weiter, die Menge wurde
ärgerlich und wiederholte immer wieder
heftig:
»Raus! Raus!«
»Los, hau ab!« versetzte Gervaise. »Geh
voran! Und laß es dir nicht einfallen,
auszurücken, oder ich lasse dich im Gefängnis
schlafen!«
Der kleine junge Mann war wohlweislich
verschwunden. Da ging Nana voran, ganz
steif, noch betäubt von ihrem Pech. Wenn sie
Miene machte, störrisch zu werden, brachte sie
eine Maulschelle von hinten wieder auf den
Weg zur Tür. Und so gingen sie alle drei unter
den Scherzen und dem Gejohle des Saales
hinaus, während die Kapelle die Pastourelle
mit einem solchen Donnern beendete, daß die
Posaunen Kugeln zu spucken schienen.
Das alte Leben fing wieder an. Nachdem Nana
zwölf Stunden in ihrer ehemaligen Kammer
geschlafen hatte, gab sie sich eine Woche lang
sehr nett. Sie hatte sich ein bescheidenes
Kleidchen zusammengeflickt, sie trug eine
Haube, deren Bänder sie unter ihrem
Haarknoten zusammenknüpfte. Von Feuereifer
erfaßt, erklärte sie sogar, sie wolle zu Hause
arbeiten; zu Hause verdiene man, was man
wolle, ferner höre man nicht die Gemeinheiten
in der
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