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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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anderen auf und ab wippte, daß die Leute
    rings um sie Witze machten, wenn sie nur
    diesen Hut umhertanzen sahen, ohne zu
    wissen, was daruntersteckte.
    »Na und?« fragte Coupeau.
    »Du erkennst den Haarknoten da nicht?«
    murmelte Gervaise gepreßt. »Ich lasse mir den
    Kopf abhacken, das ist sie!«
    Mit einem Stoß zerteilte der Bauklempner die
    Menge. Himmelsakrament, ja, das war Nana!
    Und noch dazu in einem schönen Aufzug! Sie
    hatte nur noch ein altes Seidenkleid auf dem
    Hintern, das vom Abwischen der Tische in den
    Spelunken ganz beschmiert war und dessen
    losgerissene Volants überall hervorbammelten.
    Dazu hatte sie ein Leibchen an, ohne einen
    Zipfel Schal auf den Schultern, und zeigte ihre
    bloße Korsage mit den ausgeplatzten
    Knopflöchern. Wenn man bedenkt, daß dieses
    Weibsbild da einen durch und durch
    aufmerksamen Alten gehabt hatte und daß sie
    so weit gesunken war, daß sie irgendeinem
    Zuhälter nachlief, der sie wahrscheinlich
    schlug! Einerlei, sie blieb schön frisch und
    lecker, struppig wie ein Pudel, und hatte einen
    rosigen Schnabel unter ihrem verflixten
    großen Hut.
    »Warte, die werde ich dir tanzen lehren!«
    versetzte Coupeau.
    Nana hegte natürlich keinen Argwohn. Sie
    wand sich hin und her, das mußte man sehen!
    Und mit dem Hintern wippen nach links und
    mit dem Hintern wippen nach rechts,
    Verbeugungen, die sie fast entzweibrachen,
    und Wirbel mit den Füßen, die sie ihrem
    Kavalier ins Gesicht schleuderte, als wolle sie
    sich aufspalten! Man bildete einen Kreis und
    klatschte ihr Beifall, und in Fahrt gekommen,
    raffte sie ihre Röcke, schürzte sie bis zu den
    Knien hoch, wurde ganz durchgeschüttelt vom
    Schwung des Chahuts; gepeitscht, drehte sie
    sich wie ein Kreisel, knallte im Spagat flach
    aufs Parkett und verfiel dann wieder in ein
    züchtiges Tänzchen mit einem fabelhaft
    schicken Wogen der Hüften und des Busens.
    Man hätte sie in eine Ecke tragen und sie
    streicheln und vor Liebe auffressen mögen.
    Coupeau allerdings, der mitten in die
    Pastourelle hineinplatzte, störte die Figur und
    bekam Rippenstöße ab.
    »Ich sage Ihnen doch, das ist meine Tochter!«
    schrie er. »Lassen Sie mich durch!«
    Nana ging gerade rückwärts und fegte dabei
    das Parkett mit ihren Federn, rundete ihr
    Hinterteil und verlieh ihm leichte, ruckartige
    Bewegungen, damit es netter aussah. Sie
    bekam einen gehörigen Fußtritt genau an die
    richtige Stelle, richtete sich auf und wurde
    blaß, als sie ihren Vater und ihre Mutter
    erkannte. Kein Glück, du meine Güte!
    »Raus!« grölten die Tänzer.
    Aber Coupeau, der soeben in dem Kavalier
    seiner Tochter den mageren jungen Mann im
    Überzieher wiedererkannt hatte, waren die
    Leute ziemlich schnuppe.
    »Ja, wir sind es«, brüllte er. »Das hast du nicht
    erwartet, was! – Aha, hier erwischt man dich
    also, und noch dazu mit einem Grünschnabel,
    der sich vorhin respektlos gegen mich
    benommen hat!«
    Gervaise, die die Zähne zusammenbiß, stieß
    ihn an und sagte:
    »Sei still! – So viele Erklärungen sind nicht
    nötig.« Und vortretend, verpaßte sie Nana
    zwei tüchtige Ohrfeigen. Die erste fegte den
    Federhut beiseite, und die zweite hinterließ ihr
    rotes Mal auf der Wange, die weiß war wie ein
    Leinentuch.
    Starr vor Schreck nahm Nana sie hin, ohne zu
    weinen und ohne aufzumucken.
    Die Kapelle spielte weiter, die Menge wurde
    ärgerlich und wiederholte immer wieder
    heftig:
    »Raus! Raus!«
    »Los, hau ab!« versetzte Gervaise. »Geh
    voran! Und laß es dir nicht einfallen,
    auszurücken, oder ich lasse dich im Gefängnis
    schlafen!«
    Der kleine junge Mann war wohlweislich
    verschwunden. Da ging Nana voran, ganz
    steif, noch betäubt von ihrem Pech. Wenn sie
    Miene machte, störrisch zu werden, brachte sie
    eine Maulschelle von hinten wieder auf den
    Weg zur Tür. Und so gingen sie alle drei unter
    den Scherzen und dem Gejohle des Saales
    hinaus, während die Kapelle die Pastourelle
    mit einem solchen Donnern beendete, daß die
    Posaunen Kugeln zu spucken schienen.
    Das alte Leben fing wieder an. Nachdem Nana
    zwölf Stunden in ihrer ehemaligen Kammer
    geschlafen hatte, gab sie sich eine Woche lang
    sehr nett. Sie hatte sich ein bescheidenes
    Kleidchen zusammengeflickt, sie trug eine
    Haube, deren Bänder sie unter ihrem
    Haarknoten zusammenknüpfte. Von Feuereifer
    erfaßt, erklärte sie sogar, sie wolle zu Hause
    arbeiten; zu Hause verdiene man, was man
    wolle, ferner höre man nicht die Gemeinheiten
    in der

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