Der Todschlaeger
jedesmal gebrechlicher wurde, so daß
man von Rückfall zu Rückfall den großen
Sprung voraussehen konnte, das letzte
Auseinanderkrachen dieses kranken Fasses,
dessen Reifen einer nach dem anderen
zerplatzten.
Dabei wurde er nicht schöner; ein
sehenswertes Gespenst! Das Gift setzte ihm
derb zu. Sein alkoholgetränkter Körper
schrumpfte zusammen wie ein Foetus, der
beim Apotheker im Glase steht. Wenn er sich
vor ein Fenster stellte, sah man das Tageslicht
durch seine Rippen scheinen, so mager war er.
Bei seinen eingefallenen Wangen und
triefenden Augen, die genügend Wachs
weinten, um eine Kathedrale mit Kerzen zu
versorgen, behielt er nur seine schöne, rote,
blühende Gurke, die mitten in seinem
verwüsteten Vollmondgesicht einer Nelke
glich. Diejenigen, die sein Alter kannten,
nämlich volle vierzig Jahre, überlief ein
leichter Schauder, wenn er gebeugt,
schwankend vorüberging und alt aussah wie
die Straßen. Und das Zittern seiner Hände
nahm zu, vor allem seine rechte Hand
trommelte dermaßen, daß er sein Glas an
manchen Tagen in beide Fäuste nehmen
mußte, um es an die Lippen zu führen. Oh,
dieses gottverdammte Zittern! Es war das
einzige, was ihn inmitten seiner allgemeinen
Versumpftheit noch erboste. Man hörte ihn
wilde Schimpfworte auf seine Hände knurren.
Zuweilen sah man ihn stundenlang in
Betrachtung seiner tanzenden Hände
versunken, und er schaute zu, wie sie wie
Frösche hüpften, sagte nichts, ärgerte sich
nicht mehr, sah so aus, als forsche er, welcher
innere Mechanismus sie wohl solche
Spielchen machen ließ; und eines Abends hatte
ihn Gervaise so gefunden mit zwei großen
Tränen, die über seine ausgeglühten
Säuferbacken rannen.
Der letzte Sommer, in dem Nana die Reste
ihrer Nächte bei ihren Eltern dahinschleppte,
war besonders schlimm für Coupeau. Seine
Stimme verwandelte sich völlig, als habe der
blaue Zwirn eine neuartige Musik in seine
Kehle eingesetzt. Auf einem Ohr wurde er
taub. Ferner nahm seine Sehkraft in ein paar
Tagen ab; er mußte sich am Treppengeländer
festhalten, wenn er nicht hinunterpurzeln
wollte. Was seine Gesundheit anbetraf, so lag
sie brach, wie man sagt. Er hatte gräßliche
Kopfschmerzen und Schwindelanfälle, bei
denen ihm Funken vor den Augen tanzten. Mit
einem Schlage befielen ihn stechende
Schmerzen in Armen und Beinen; er wurde
blaß, war gezwungen, sich zu setzen, und
verweilte stumpfsinnig stundenlang auf einem
Stuhl; nach einem dieser Anfälle war sein Arm
sogar einen ganzen Tag gelähmt geblieben.
Mehrere Male legte er sich zu Bett; er kroch in
sich zusammen und verbarg sich mit dem
heftigen und steten Atmen eines leidenden
Tieres unter dem Laken. Alsdann begannen
wieder die Verstiegenheiten von SainteAnne.
Mißtrauisch, unruhig, von hitzigem Fieber
gequält, wälzte er sich in Tobsuchtsanfällen
umher, zerriß seine Kittel, biß mit seinem
krampfhaft zuckenden Kiefer in die Möbel;
oder er verfiel in tiefe Gerührtheit, gab Klagen
von sich wie ein Mädchen, schluchzte und
jammerte, daß er von niemandem geliebt
werde. Eines Abends fanden ihn Gervaise und
Nana, die zusammen heimkamen, nicht mehr
in seinem Bett. An seiner Stelle hatte er die
Kopfrolle hingelegt. Und als sie ihn, zwischen
Bett und Wand verborgen, entdeckten,
klapperte er mit den Zähnen und erzählte, es
würden gleich Männer kommen, um ihn zu
ermorden. Die beiden Frauen mußten ihn
wieder ins Bett bringen und wie ein Kind
beruhigen.
Coupeau kannte nur eine Medizin: sich seine
halbe Flasche Rattengift einzuverleiben, einen
Stockschlag in den Magen, der ihn auf die
Beine brachte. Alle Morgen kurierte er so sein
schleimiges Erbrechen. Sein Gedächtnis war
seit langem geschwunden, sein Schädel war
leer; und kaum stand er wieder auf den Füßen,
machte er sich über die Krankheit lustig. Er sei
niemals krank gewesen. Ja, er war an dem
Punkt angelangt, da man verreckt und dabei
sagt, es gehe einem gut. Übrigens wurde er
auch wieder kindisch, was alles andere anging.
Kehrte Nana nach fast sechswöchigem
Umherschweifen heim, so schien er zu
glauben, sie käme von einer Besorgung im
Viertel zurück. Oft traf sie ihn, wenn sie einen
Herrn untergehakt hatte, und machte Witze,
ohne daß er sie erkannte. Kurzum, er zählte
nicht mehr; sie würde sich auf ihn gesetzt
haben, wenn sie keinen Stuhl gefunden hätte.
Bei den ersten Frösten machte sich Nana
wieder einmal dünne unter dem Vorwand,
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