Der Todschlaeger
zur
Obsthändlerin zu gehen und nachzusehen, ob
getrocknete Birnen da seien. Sie spürte den
Winter und wollte nicht vor dem erloschenen
Ofen mit den Zähnen klappern. Die Coupeaus
schimpften sie bloß ein Rindvieh, weil sie auf
die Birnen warteten. Sie würde zweifellos
zurückkehren; im vergangenen Winter war sie
allerdings drei Wochen weggeblieben, als sie
hinunterging, um für zwei Sous Tabak zu
holen. Aber die Monate verflossen, und die
Kleine tauchte nicht wieder auf. Diesmal
mußte sie einen gewaltigen Galopp
eingeschlagen haben. Als der Juni nahte, kam
sie auch mit der Sonne nicht zurück. Es war
ohne Frage vorbei, sie hatte irgendwo
Weißbrot gefunden. Die Coupeaus verkauften
eines Tages, als sie in der Klemme saßen, das
eiserne Bett des Kindes für runde sechs
Francs, die sie in SaintOuen vertranken. Das
war ihnen im Wege, dieses Bett.
Im Juli rief Virginie eines Morgens die
vorübergehende Gervaise und bat sie, ihr beim
Geschirrspülen behilflich zu sein, weil Lantier
am Abend vorher zwei Freunde zum Bewirten
mitgebracht hatte. Und als Gervaise das
Geschirr abwusch, vom Freßgelage des
Hutmachers schön fettiges Geschirr, rief
dieser, der im Laden noch beim Verdauen war,
auf einmal:
»Wissen Sie was, Mutter! Neulich habe ich
Nana gesehen.«
Virginie, die angesichts der sich leerenden
Bonbongläser und Schubladen mit
sorgenvoller Miene am Ladentisch saß,
schüttelte wütend den Kopf. Sie mußte an sich
halten, um sich nicht allzusehr darüber
auszulassen, denn das roch schließlich faul.
Lantier sah Nana recht oft. Oh, sie hätte nicht
die Hand für ihn ins Feuer gelegt, er war der
Mann dazu, das Schlimmste zu tun, wenn ihm
ein Rock im Kopf herumtrabte.
Frau Lerat, die soeben hereingekommen war
und die augenblicklich sehr befreundet war mit
Virginie, deren vertrauliche Geständnisse sie
entgegennahm, zog ihren Flunsch voller
Anzüglichkeit und fragte:
»In welchem Sinne haben Sie sie gesehen?«
»Oh, in gutem Sinne«, antwortete der
Hutmacher sehr geschmeichelt, wobei er
lachte und seinen Schnurrbart zwirbelte. »Sie
saß in einer Kutsche; und ich, ich bin auf dem
Pflaster herumgepantscht ... Wirklich, ich
schwör's Ihnen! Es war ja gar kein Grund
vorhanden, es abzustreiten, denn die Söhne aus
guter Familie, die dicke mit ihr befreundet
sind, sind verdammt froh darüber!« Sein Blick
hatte Feuer gefangen, er wandte sich zu
Gervaise, die im Hintergrund des Ladens stand
und dabei war, eine Schüssel abzutrocknen.
»Ja, sie saß in einer Kutsche, und eine Toilette
von einer Eleganz! Ich habe sie nicht erkannt,
so sehr ähnelte sie einer Dame aus der
vornehmen Gesellschaft mit den weißen
Beißerchen in ihrem blütenfrischen Frätzchen.
Sie war es, die mir mit dem Handschuh
gewinkt und dabei hold zugelächelt hat ... Sie
hat einen Vicomte aufgegabelt, glaube ich. Oh,
die hat's geschafft! Der können wir alle den
Buckel runterrutschen, sie hat Glück bis über
beide Ohren, dieses Luder! – Ein allerliebstes
Kätzchen! Nein, solch ein Kätzchen können
Sie sich gar nicht vorstellen!«
Gervaise trocknete immer noch ihre Schüssel
ab, obwohl sie längst sauber und blank war.
Virginie überlegte, sie war in Sorge wegen
zweier Wechsel, die sie am nächsten Tage
bezahlen mußte, und sie wußte nicht wie,
während Lantier dick und fett den Zucker
ausschwitzte, von dem er sich ernährte, und
den Süßwarenladen, der bereits zu drei
Vierteln durchgebracht war und in dem ein
Geruch nach Verfall wehte, mit seiner
Begeisterung für gut gekleidete kleine Dinger
erfüllte. Ja, er brauchte nur noch ein paar
gebrannte Mandeln zu knabbern und ein paar
Stücke Gerstenzucker zu lutschen, um das
Geschäft der Poissons wegzuputzen. Auf
einmal gewahrte er auf dem
gegenüberliegenden Bürgersteig den
Polizisten, der Dienst hatte und der zugeknöpft
vorüberging, wobei ihm der Säbel gegen den
Schenkel schlug. Und das erheiterte ihn noch
mehr. Er nötigte Virginie, nach ihrem Mann zu
schauen.
»Nanu«, murmelte er, »der macht ja heute früh
ein schönes Gesicht, der Badinguet! –
Aufgepaßt! Er kneift die Arschbacken zu sehr
zusammen, er hat sich wohl irgendwo ein
Glasauge einsetzen lassen, um seine Leute zu
ertappen.«
Als Gervaise wieder in ihre Wohnung
hinaufging, fand sie Coupeau im Stumpfsinn
eines seiner Anfälle auf dem Bettrand sitzend.
Mit seinen erstorbenen Augen betrachtete er
den Fliesenfußboden. Da setzte sie
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