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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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    darzustellen, wie das bei so vielen Werken mit
    schlüpfrigem Beigeschmack der Fall ist. In der
    Schilderung des Geschlechtslebens ist er
    immer äußerst zurückhaltend, ja geradezu
    keusch, ein Gegner aller Verderbtheit, dem
    alles rein ist. Sein künstlerisches Verdienst«
    im »Totschläger« aber »besteht nicht zuletzt
    darin, daß er es gewagt hat, die üblichen
    Grenzen des Romans zu sprengen, sich über
    die erstarrte Schamhaftigkeit des
    geschriebenen Wortes hinwegzusetzen,
    abergläubische Gesetze zu verachten und einer
    bis dahin verfemten Welt, deren Schilderung
    für ruchlos galt, Eingang ins Buch zu
    verschaffen. Die Bilder jener Welt hatte er an
    Ort und Stelle eingefangen, um sie vor aller
    Augen und Sinnen erstehen zu lassen. Den
    Dummköpfen und Heuchlern unter seinen
    Zeitgenossen hat er die Abgründe gezeigt, wie
    sie wirklich sind, und nicht, wie sie sich in
    ihrer ahnungslosen, törichten oder
    gewissenlosen Vorstellung spiegelten ...
    Deshalb verdient Zola unsere Achtung und
    Bewunderung ...«
    Soweit das Lob des Kritikers für den Mut des
    Autors, der gleichsam verbotenes Gebiet
    betreten und es der Literatur zugänglich
    gemacht hat.
    Bliebe noch die Frage zu klären, in welchem
    Umfang dieser Vorstoß in eine bis dahin von
    der Literatur bewußt oder unbewußt
    vernachlässigte soziale Klasse gelang.
    Hierauf antwortete Barbusse: Zolas
    »Totschläger« war zwar ein Roman über den
    Arbeiter von einer bis dahin unerhörten und
    unerreichten Offenheit, aber er war kein
    Arbeiterroman. Anders ausgedrückt: der Autor
    des »Totschlägers« war zwar nicht dem
    Beispiel seiner bürgerlichen Kollegen gefolgt
    und hatte die Menschen seines Buches nicht
    wie exotische Tiere mit indiskreter und
    teilnahmsloser Neugierde von ferne studiert,
    sondern er hatte sich wirklich mitten unter sie
    gestellt, an ihren Sorgen und Freuden
    teilgenommen, mit ihnen gelacht, geliebt und
    gelitten – aber mit den Augen der Wissendsten
    von ihnen die Welt zu sehen und damit ihr
    Dasein in seinen sozialhistorischen
    Bedingungen und Voraussetzungen zu
    begreifen, hatte auch er nicht vermocht. Und
    aus dieser für Zola fast unvermeidlichen
    Begrenztheit der historischen Position
    resultiert notwendig die Begrenztheit in der
    Wiedergabe des ergriffenen Gegenstandes.
    So war aus dem »Roman über das Volk« und
    über »die Sitten der Arbeiter«, der ihre
    »Laster, ihren Verfall, ihre moralische und
    physische Häßlichkeit aus ihrem Milieu, aus
    der dem Arbeiter von der Gesellschaft
    bereiteten Lage erklären sollte«, die
    Geschichte der Gervaise Macquart geworden,
    der Frau aus dem Volke, der Arbeiterfrau. Und
    seitenlang bemüht sich Zola im Selbstgespräch
    der ersten Skizzierung seines Romans aus
    dieser künstlerischen Idee, Niedergang und
    Verfall einer Arbeiterfrau zu schildern, eine
    wirksame Fabel herauszukristallisieren. Er
    möchte seine Heldin durch jede erdenkbare
    Krise und jede erdenkbare Schande
    hindurchgehen und schließlich in einer
    Tragödie enden lassen. Aber alle Einzelheiten,
    die ihm aus diesem Lebensweg und aus der
    bisherigen, durch die früheren Bände der
    »RougonMacquart« Reihe gegebenen
    Familiengeschichte zufließen, sind mehr oder
    weniger Genrebilder aus dem Arbeiterleben
    oder persönliche Ereignisse und Erlebnisse
    eines Einzelschicksals. So daß er sich
    schließlich selbst enttäuscht eingesteht: » ...
    ich kann mich von dieser Plattheit der Intrige
    nur durch die Größe und Wahrheit meiner
    Bilder aus dem Volksleben retten. Nichts gibt
    dem Ganzen so richtig eine plastische Form.
    Wenn ich das dumme, platte und dreckige
    Leben nehme, muß ich ihm einen starken
    bildhaften Ausdruck verleihen. Der Stoff an
    sich ist armselig ...« Denn der »Roman über
    den langsamen Verfall von Gervaise und
    Coupeau, wobei dieser seine Frau mit sich
    zieht«, schien Zola allein keinerlei
    Ansatzpunkte für eine dramatische Schürzung
    des Geschehens zu bieten.
    Während der Arbeiten am Entwurf und am
    Überblicksplan – Zola hatte sich damit
    während seines Urlaubs Auguste 1875 in
    SaintAubinsurmer beschäftigt –, ja sogar noch
    während der Arbeit an dem bereits nach
    Kapiteln geordneten ersten Plan schlug sich
    Zola mit der Schwierigkeit herum, einen
    dramatischen Effekt oder zumindest einen
    dramatischen Schlußeffekt zu finden. Da. er
    im »Totschläger« noch nicht wie später im
    »Germinal« die objektive gesellschaftliche
    Tragik des Arbeiterlebens in den

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