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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Vordergrund
    rückte, mußte er versuchen, in den rein
    subjektiven Verhaltensweisen der Menschen
    zueinander den inneren Kausalzusammenhang
    ihres tragischen Schicksals zu erfassen und
    darzustellen. Als häufigstes, folglich
    naheliegendstes und glaubwürdigstes Drama –
    und tausendfach erprobtes literarisches
    Erfolgsmuster – erschien ihm daher eine
    Eifersuchtsgeschichte, die möglichst mit Mord
    und Totschlag enden sollte.
    Dazu mußte Gervaise auch nach ihrer
    Verheiratung mit Coupeau immer noch Lantier
    lieben und auf Adèle, die neue Freundin
    Lantiers – sie, nicht ihre Schwester kommt im
    ersten Entwurf wieder –, eifersüchtig sein. Als
    sie die beiden eines Tages durch die Mithilfe
    der Boches und Lorilleux' im Bett überrascht,
    wirft sie mit einer Flasche Vitriol nach ihnen.
    Da zerrt Lantier, vor Schmerzen halb
    wahnsinnig, Gervaise an den Haaren in den
    Hof. Und um das Drama vollständig zu
    machen, kommt in diesem Augenblick
    natürlich der scheue Liebhaber Goujet hinzu,
    und um es, wie Zola sagt, »noch grausiger« zu
    gestalten, ist Gervaise von Lantier schwanger.
    Fürchterlicher Zweikampf der beiden Rivalen
    Lantier und Goujet mit Coupeau als
    Zuschauer, heimtückischer Fußtritt Lorilleux'
    gegen Gervaises Bauch, ein Fußtritt, an dessen
    Folgen sie stirbt; ein Versatzstück, das Zola in
    abgewandelter Form in der »Erde« benutzt hat.
    Es ist in diesen Vorüberlegungen wirklich
    alles vorhanden, was diesem geplanten
    Abschluß die Pseudodramatik eines
    Hintertreppenrührstücks par excellence
    verleiht. Jeder Vorstadttheaterdirektor wäre
    von der erschütternden »Nüchternheit« dieses
    »einfachen Lebens der Gervaise Macquart«
    begeistert gewesen.
    Zola ist auch nicht so recht wohl bei diesem
    Plan. Er will »in der Einfachheit der Fakten,
    im normalen Durchschnitt des Lebens«
    bleiben. Er will zeigen, wie »Gervaise langsam
    von Stufe zu Stufe sinkt, indem sie Coupeau
    und Lantier nachgibt, indem sie zu Frau
    Fauconnier als Arbeiterin zurückkehren muß«,
    nachdem sie es vorher durch Fleiß und
    Ausdauer so weit gebracht hat, selbst eine
    kleine Plätterei aufzumachen, und wie sie
    schließlich »in die Prostitution und die
    Trunksucht abgleitet«.
    Aber wo ist in dieser Entwicklung der
    tragische Knotenpunkt? Wo die Möglichkeit,
    das Interesse des Lesers mit einem
    aufregenden Geschehen zu packen? Nicht
    einmal die genaue Motivierung dieses Verfalls
    ist Zola im Entwurf klar. Nach der
    Formulierung: »Das Leben in dem kleinen
    Laden, Coupeau tut nichts mehr ...« könnte es
    scheinen, als habe er Coupeaus, moralischen
    Verfall mit dem erreichten bescheidenen
    »Wohlstand« und Lantiers Wiederauftauchen
    motivieren wollen. Das hätte natürlich mit
    einer Begründung seines Schicksals aus
    seinem Milieu und Beruf heraus schon
    überhaupt nichts mehr zu tun gehabt. Darauf
    besinnt sich Zola aber beim Skizzieren seiner
    Gestalten: Coupeau soll eine Arbeiterexistenz
    verkörpern, anfangs den Typ des netten,
    anständigen, guten Arbeiters, der nach und
    nach durch das Milieu verdorben wird, dem
    Trunk verfällt, mit neunzehn Jahren bereits
    physisch und moralisch ein Scheusal ist. Und
    Zola ruft sich noch einmal ins Gedächtnis, daß
    er »den Einfluß des Milieus« auf ihn studieren
    will. Und in diesem Zusammenhang ist ihm
    wahrscheinlich der Gedanke gekommen,
    Coupeau ähnlich wie seinen Vater durch einen
    Berufsunfall auf die schiefe Bahn geraten zu
    lassen. Aber damit dies Schicksal noch härter
    und unverdienter erscheint, trifft Coupeau das
    Unglück ohne jedes persönliche Verschulden,
    denn er ist nicht angetrunken wie sein Vater.
    Im ersten Entwurf ist dieses Detail, der Sturz
    vom Dach, noch nicht zu finden; im
    Übersichtsplan wird es bereits kurz erwähnt,
    ohne daß Zola deshalb sein Schlußdrama
    aufgibt. Erst in der endgültigen Plangestaltung
    verzichtet Zola auf diesen melodramatischen
    Effekt und läßt den langsamen Abstieg von
    Gervaise und Coupeau in unerbittlicher innerer
    Kausalreihe abrollen, als deren auslösendes
    und damit wichtigstes Moment nunmehr
    Coupeaus Sturz vom Dach erscheint, auch
    wenn natürlich erst die erblich gegebene
    Disposition zur Trunksucht und die
    gleichermaßen erblich bedingte charakterliche
    Veranlagung der beiden Gestalten die reale
    Möglichkeit für das Auslösen dieser Folgen
    schaffen.
    Coupeaus Sturz vom Dach, der nun zum
    Angelpunkt des ganzen Verhängnisses wurde,
    lag durchaus in den normalen Gefahren seines
    Berufes. Es war

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