Der Todschlaeger
Remanjous
zerknitterte
Röcke
die
Moden
durcheinanderbrachten und das Plunderzeug
des
Armenluxus
hintereinander
vorüberschleppten. Aber vor allem die Hüte
der Herren erregten Heiterkeit, alte
aufbewahrte Hüte, die durch die Dunkelheit im
Schrank ihre Farbe verloren hatten, mit
komischen, hohen, ausgeweiteten, spitz
zulaufenden Formen, ungewöhnlichen,
aufgestülpten, flachen, zu breiten oder zu
schmalen Krempen. Und das Lächeln nahm
noch zu, als ganz am Ende Frau Gaudron, die
Wollkämmerin, um das Schauspiel zu
beschließen, sich in ihrem grell lila Kleid und
mit ihrem Bauch einer schwangeren Frau, den
sie riesig und weit vorgestreckt vor sich her
trug,
vorwärts
bewegte.
Die
Hochzeitsgesellschaft beschleunigte ihren
Gang jedoch nicht, war gutmütig, freute sich,
angeschaut zu werden, und hatte ihren Spaß an
den Scherzen.
»Sieh mal, die Braut!« rief einer der
halbwüchsigen Rüpel und zeigte auf Frau
Gaudron. »O weh! Die hat ja einen tollen Kern
verschluckt!«
Die ganze Gesellschaft brach in Gelächter aus.
RöstfleischBibi drehte sich um und meinte,
das hätte der Bengel gut gesagt. Die
Wollkämmerin lachte am lautesten und stellte
sich zur Schau; das war keine Schande, im
Gegenteil; mehr als eine Dame schielte beim
Vorübergehen hin und wäre gern in demselben
Zustand gewesen wie sie.
Man war in die Rue de Clery eingebogen.
Darauf ging man durch die Rue du Mail. Auf
dem Place des Victoires entstand eine
Stockung. Der Braut war der Schnürsenkel
ihres linken Schuhes aufgegangen, und als sie
ihn am Fuß des Standbildes Ludwigs XIV.14
wieder zuband, drängten sich die Paare
wartend hinter ihr und machten Scherze über
das Stückchen Wade, das sie sehen ließ.
Nachdem man die Rue Croixdes PetitsChamps
hinuntergegangen war, langte man schließlich
am Louvre15 an.
Höflich bat Herr Madinier darum, die Führung
des Zuges übernehmen zu dürfen. Der Louvre
sei sehr groß, man könne sich verlaufen; und
außerdem kenne er die schönen Stellen, weil er
oft mit einem Künstler hergekommen sei,
einem sehr klugen Burschen, dem eine große
Kartonagenfirma Zeichnungen abkaufe, um sie
auf Schachteln anzubringen. Als die
Hochzeitsgesellschaft unten ins assyrische
Museum geraten war, fröstelte sie ein wenig.
Donnerwetter! Warm war es hier ja nicht, der
Saal hätte einen famosen Keller abgegeben.
Und langsam bewegten sich die Paare mit
erhobenem Kinn und zuckenden Lidern
vorwärts zwischen den steinernen Kolossen,
den Göttern aus schwarzem Marmor, die
stumm in ihrer priesterlichen Steifheit
dastanden, den ungeheuerlichen Tieren, halb
Katze, halb Frau, die Totengesichter mit
spitzen Nasen und geschwollenen Lippen
hatten. Sie fanden das alles sehr häßlich.
Heutzutage bearbeitete man den Stein weitaus
besser. Eine Inschrift in phönizischen
Schriftzeichen verblüffte sie. Das war doch
nicht möglich, dieses Geschreibsel hatte ja
wohl nie jemand lesen können.
Aber Herr Madinier, der mit Frau Lorilleux
schon auf dem ersten Treppenabsatz war, rief
nach den anderen und schrie in die Gewölbe
hinein: »Kommen Sie doch! Das Zeug da ist ja
nichts ... Im ersten Stock gibt's was zu sehen.«
Die strenge Kahlheit der Treppe machte sie
ernst. Ein prächtiger Türhüter in roter Weste
und goldbetreßter Livree, der sie auf dem
Treppenabsatz zu erwarten schien, erhöhte ihre
Aufregung. Ehrfurchtsvoll und so leise wie
möglich gehend, betraten sie die französische
Galerie.
Die Augen vom Gold der Rahmen erfüllt,
gingen sie alsdann, ohne stehenzubleiben, die
lange Flucht der kleinen Säle entlang und
sahen die Bilder vorüberziehen, die zu
zahlreich waren, als daß man sie genau hätte
betrachten können. Eine Stunde vor jedem
Bild hätte man gebraucht, wenn man sie hätte
verstehen wollen. Wie viele Gemälde, verflixt
noch mal! Das nahm ja kein Ende. Da mußte
allerhand Geld drin stecken. Dann brachte
Herr Madinier sie am Ende jäh vor dem »Floß
der Medusa«16 zum Stehen und erklärte
ihnen, was es darstellte. Ergriffen, reglos,
schwiegen alle. Als man sich wieder in Gang
setzte, faßte Boche das allgemeine Empfinden
zusammen: das sei famos gemacht.
In der Apollogalerie setzte besonders das
Parkett die Gesellschaft in höchste
Verwunderung, ein glänzendes Parkett, klar
wie ein Spiegel, in dem sich die Füße der
Sitzbänke widerspiegelten. Fräulein Remanjou
schloß die Augen, weil sie auf Wasser zu
gehen glaubte.
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