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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Remanjous
    zerknitterte

    Röcke

    die

    Moden
    durcheinanderbrachten und das Plunderzeug
    des

    Armenluxus

    hintereinander
    vorüberschleppten. Aber vor allem die Hüte
    der Herren erregten Heiterkeit, alte
    aufbewahrte Hüte, die durch die Dunkelheit im
    Schrank ihre Farbe verloren hatten, mit
    komischen, hohen, ausgeweiteten, spitz
    zulaufenden Formen, ungewöhnlichen,
    aufgestülpten, flachen, zu breiten oder zu
    schmalen Krempen. Und das Lächeln nahm
    noch zu, als ganz am Ende Frau Gaudron, die
    Wollkämmerin, um das Schauspiel zu
    beschließen, sich in ihrem grell lila Kleid und
    mit ihrem Bauch einer schwangeren Frau, den
    sie riesig und weit vorgestreckt vor sich her
    trug,

    vorwärts

    bewegte.

    Die
    Hochzeitsgesellschaft beschleunigte ihren
    Gang jedoch nicht, war gutmütig, freute sich,
    angeschaut zu werden, und hatte ihren Spaß an
    den Scherzen.
    »Sieh mal, die Braut!« rief einer der
    halbwüchsigen Rüpel und zeigte auf Frau
    Gaudron. »O weh! Die hat ja einen tollen Kern
    verschluckt!«
    Die ganze Gesellschaft brach in Gelächter aus.
    RöstfleischBibi drehte sich um und meinte,
    das hätte der Bengel gut gesagt. Die
    Wollkämmerin lachte am lautesten und stellte
    sich zur Schau; das war keine Schande, im
    Gegenteil; mehr als eine Dame schielte beim
    Vorübergehen hin und wäre gern in demselben
    Zustand gewesen wie sie.
    Man war in die Rue de Clery eingebogen.
    Darauf ging man durch die Rue du Mail. Auf
    dem Place des Victoires entstand eine
    Stockung. Der Braut war der Schnürsenkel
    ihres linken Schuhes aufgegangen, und als sie
    ihn am Fuß des Standbildes Ludwigs XIV.14
    wieder zuband, drängten sich die Paare
    wartend hinter ihr und machten Scherze über
    das Stückchen Wade, das sie sehen ließ.
    Nachdem man die Rue Croixdes PetitsChamps
    hinuntergegangen war, langte man schließlich
    am Louvre15 an.
    Höflich bat Herr Madinier darum, die Führung
    des Zuges übernehmen zu dürfen. Der Louvre
    sei sehr groß, man könne sich verlaufen; und
    außerdem kenne er die schönen Stellen, weil er
    oft mit einem Künstler hergekommen sei,
    einem sehr klugen Burschen, dem eine große
    Kartonagenfirma Zeichnungen abkaufe, um sie
    auf Schachteln anzubringen. Als die
    Hochzeitsgesellschaft unten ins assyrische
    Museum geraten war, fröstelte sie ein wenig.
    Donnerwetter! Warm war es hier ja nicht, der
    Saal hätte einen famosen Keller abgegeben.
    Und langsam bewegten sich die Paare mit
    erhobenem Kinn und zuckenden Lidern
    vorwärts zwischen den steinernen Kolossen,
    den Göttern aus schwarzem Marmor, die
    stumm in ihrer priesterlichen Steifheit
    dastanden, den ungeheuerlichen Tieren, halb
    Katze, halb Frau, die Totengesichter mit
    spitzen Nasen und geschwollenen Lippen
    hatten. Sie fanden das alles sehr häßlich.
    Heutzutage bearbeitete man den Stein weitaus
    besser. Eine Inschrift in phönizischen
    Schriftzeichen verblüffte sie. Das war doch
    nicht möglich, dieses Geschreibsel hatte ja
    wohl nie jemand lesen können.
    Aber Herr Madinier, der mit Frau Lorilleux
    schon auf dem ersten Treppenabsatz war, rief
    nach den anderen und schrie in die Gewölbe
    hinein: »Kommen Sie doch! Das Zeug da ist ja
    nichts ... Im ersten Stock gibt's was zu sehen.«
    Die strenge Kahlheit der Treppe machte sie
    ernst. Ein prächtiger Türhüter in roter Weste
    und goldbetreßter Livree, der sie auf dem
    Treppenabsatz zu erwarten schien, erhöhte ihre
    Aufregung. Ehrfurchtsvoll und so leise wie
    möglich gehend, betraten sie die französische
    Galerie.
    Die Augen vom Gold der Rahmen erfüllt,
    gingen sie alsdann, ohne stehenzubleiben, die
    lange Flucht der kleinen Säle entlang und
    sahen die Bilder vorüberziehen, die zu
    zahlreich waren, als daß man sie genau hätte
    betrachten können. Eine Stunde vor jedem
    Bild hätte man gebraucht, wenn man sie hätte
    verstehen wollen. Wie viele Gemälde, verflixt
    noch mal! Das nahm ja kein Ende. Da mußte
    allerhand Geld drin stecken. Dann brachte
    Herr Madinier sie am Ende jäh vor dem »Floß
    der Medusa«16 zum Stehen und erklärte
    ihnen, was es darstellte. Ergriffen, reglos,
    schwiegen alle. Als man sich wieder in Gang
    setzte, faßte Boche das allgemeine Empfinden
    zusammen: das sei famos gemacht.
    In der Apollogalerie setzte besonders das
    Parkett die Gesellschaft in höchste
    Verwunderung, ein glänzendes Parkett, klar
    wie ein Spiegel, in dem sich die Füße der
    Sitzbänke widerspiegelten. Fräulein Remanjou
    schloß die Augen, weil sie auf Wasser zu
    gehen glaubte.

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