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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Apollogalerie. Frau Lerat und Fräulein
    Remanjou klagten und erklärten, sie träten sich
    die Beine in den Leib. Aber der Kartonmacher
    wollte Lorilleux den antiken Schmuck zeigen.
    Der befände sich nebenan hinten in einem
    kleinen Raum, zu dem er mit geschlossenen
    Augen hinfinden würde. Er täuschte sich
    jedoch und irrte mit der Hochzeitsgesellschaft
    durch sieben oder acht Säle, die menschenleer,
    kalt und nur mit schmucklosen Vitrinen
    ausgestattet waren, in denen sich eine Unzahl
    von zerbrochenen Töpfen und sehr häßlichen
    Männerchen nebeneinanderreihten. Die
    Hochzeitsgesellschaft fröstelte, langweilte sich
    gewaltig. Als sie dann eine Tür suchten,
    gerieten sie zu den Zeichnungen. Es gab ein
    erneutes unendliches Gerenne: die
    Zeichnungen nahmen kein Ende, Saal folgte
    auf Saal, ohne etwas zum Lachen, mit
    beschmierten Blättern Papier unter
    Glasscheiben an den Wänden. Herr Madinier,
    der den Kopf verlor und nicht zugeben wollte,
    daß er sich verirrt hatte, ging auf eine Treppe
    zu und ließ die Hochzeitsgesellschaft ein
    Stockwerk höher steigen. Diesmal wanderten
    sie mitten im Marinemuseum umher, zwischen
    Modellen von Instrumenten und Kanonen,
    Reliefkarten und Schiffen, die Spielzeuggröße
    hatten. Nach einem viertelstündigen Marsch
    stieß man ganz in der Ferne auf eine weitere
    Treppe. Und nachdem die Gesellschaft sie
    hinuntergegangen war, befand sie sich wieder
    mitten in den Zeichnungen. Da erfaßte sie alle
    Verzweiflung, sie trieben sich aufs Geratewohl
    in den Sälen herum, wobei die Paare, immer in
    einer Reihe hintereinander, Herrn Madinier
    folgten, der sich die Stirn abwischte, außer
    sich, wütend auf die Verwaltung war, die er
    beschuldigte, die Türen verlegt zu haben.
    Voller Verwunderung sahen die Wärter und
    Besucher sie vorüberziehen. In weniger als
    zwanzig Minuten erblickte man sie wieder im
    Salon Carre, in der französischen Galerie und
    längs der Vitrinen, in denen die kleinen
    orientalischen Götter schlafen. Nie mehr
    würden sie hier herauskommen. Ihnen waren
    die Beine wie zerschlagen, sie nahmen sich
    überhaupt nicht mehr zusammen, machten
    einen ungeheuren Lärm und ließen bei ihrem
    Rennen Frau Gaudrons Bauch hinter sich
    zurück.
    »Es wird geschlossen! Es wird geschlossen!«
    schrien die gewaltigen Stimmen der Wärter.
    Und beinahe hätte sich die Gesellschaft
    einschließen lassen. Ein Wärter mußte die
    Führung übernehmen und sie bis zu einer Tür
    bringen. Nachdem sie ihre Schirme in der
    Garderobe wieder in Empfang genommen
    hatten, atmeten sie dann auf dem Hof des
    Louvre auf. Herr Madinier fand seine
    Sicherheit wieder; er habe unrecht gehabt, daß
    er nicht nach links abgebogen sei, nun erinnere
    er sich, daß der Schmuck links sei. Im übrigen
    tat die ganze Gesellschaft so, als freue sie sich,
    das gesehen zu haben.
    Es schlug vier Uhr. Bis zum Abendessen
    waren noch zwei Stunden. Man beschloß,
    einen Spaziergang zu machen, um die Zeit
    totzuschlagen. Die Damen, die sehr müde
    waren, hätten sich gern hingesetzt; da aber
    niemand etwas zum Verzehren anbot, setzte
    man sich wieder in Marsch und ging am Quai
    entlang. Dort stellte sich ein neuer
    Wolkenbruch ein, der so heftig war, daß die
    Toiletten der Damen trotz der Regenschirme
    verdorben wurden. Frau Lorilleux, der bei
    jedem Tropfen, der ihr Kleid naß machte, das
    Herz ertrank, schlug vor, unter der PontRoyal
    Schutz zu suchen. Übrigens drohte sie, ganz
    allein dort hinunterzusteigen, wenn man ihr
    nicht folge. Und der Zug ging unter die
    PontRoyal. Dort war man ausgezeichnet
    aufgehoben. Fürwahr, das konnte man einen
    prima Einfall nennen! Die Damen breiteten
    ihre Taschentücher über die Pflastersteine,
    ruhten sich dort aus mit gespreizten Knien,
    rissen mit beiden Händen die zwischen den
    Steinen wachsenden Grashalme aus und
    schauten zu, wie das schwarze Wasser
    dahinfloß, ganz so, als seien sie auf dem
    Lande. Die Männer vertrieben sich die Zeit
    damit, ganz laut zu schreien, um das Echo vom
    gegenüberliegenden Brückenbogen zu hören.
    Nacheinander schimpften Boche und
    RöstfleischBibi auf die Leere, schleuderten ihr
    mit voller Kraft »Schwein!« entgegen und
    lachten laut, wenn das Echo ihnen das Wort
    zurücksandte. Als ihnen die Kehlen heiser
    geworden waren, nahmen sie dann flache
    Kieselsteine

    und

    spielten
    Butterstullenschmeißen. Der Wolkenbruch
    hatte aufgehört, aber die Gesellschaft fühlte
    sich so wohl, daß sie nicht mehr ans Fortgehen
    dachte.

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