Der Todschlaeger
wurde,
lächelnd und stumpfsinnig da und hatte ihnen
den Kopf auf dem Kissen zugedreht; sie sah,
sie hörte, aber sie fand nicht mehr die Kraft,
eine Handbewegung oder ein Wort zu wagen.
Ihr war, als sei sie gestorben, eines ganz
sanften Todes gestorben, sie war glücklich, aus
der Tiefe dieses Todes heraus zuzuschauen,
wie die anderen lebten. Zuweilen stieg ein
Wimmern von der Kleinen auf inmitten der
groben Stimmen, der endlosen Betrachtungen
über einen Mord, der gestern in der Rue du
BonPuits am anderen Ende von La Chapelle
begangen worden war.
Als die Gesellschaft dann ans Aufbrechen
dachte, sprach man über die Taufe. Die
Lorilleux hatten eingewilligt, Pate und Patin
zu sein. Hinterm Rücken rümpften sie die
Nase; hätte sich das Ehepaar jedoch nicht an
sie gewandt, so würden sie ein komisches
Gesicht gezogen haben. Coupeau sah die
Notwendigkeit, die Kleine taufen zu lassen,
kaum ein; das werde ihr todsicher keine
zehntausend Francs Jahreszinsen verschaffen,
und dabei laufe man noch Gefahr, daß sie sich
einen Schnupfen hole. Je weniger man mit den
Pfarrern zu schaffen habe, desto besser. Mama
Coupeau aber schalt ihn einen Heiden. Die
Lorilleux taten sich etwas darauf zugute,
religiös zu sein, ohne daß sie scheinheilig in
die Kirchen gingen.
»Legen wir es auf Sonntag fest, wenn ihr
wollt«, sagte der Kettenmacher.
Und als Gervaise zustimmend genickt hatte,
küßten sie sie alle, wobei sie sie ermahnten,
gesund zu bleiben. Vom Baby verabschiedete
man sich ebenfalls. Jeder beugte sich mit
freundlichem Lächeln, zärtlichen Worten, als
hätte sie es verstehen können, über dieses arme
zitternde Körperchen. Man nannte sie Nana,
die Koseform des Namens Anna, den ihre
Patin führte.
»Gute Nacht, Nana ... So, Nana, nun sei schön
brav ...«
Als sie endlich gegangen waren, rückte
Coupeau seinen Stuhl dicht ans Bett und
rauchte seine Pfeife zu Ende, wobei er
Gervaises Hand in der seinen hielt. Er rauchte
langsam und brachte zwischen zwei Zügen tief
bewegt Sätze hervor.
»Na, Alte, die haben dir die Ohren voll
geschrien, was? Du siehst doch ein, ich habe
nicht verhindern können, daß sie herkamen.
Schließlich ist das ein Beweis für ihre
Freundschaft ... Aber allein fühlt man sich
wohl er, nicht wahr? Ich, ich hatte es nötig, so
ein bißchen mit dir allein zu sein. Lang ist mir
der Abend vorgekommen! – Das arme
Hühnchen! So großes Wehweh hat es gehabt!
Diese Bälger, wenn die auf die Welt kommen,
ahnen sie kaum etwas von den Schmerzen, die
sie machen. Wirklich, das muß ja sein, als ob
man einem das Kreuz aufreißt ... Wo sitzt das
Wehweh, ich will ihm einen Kuß geben.«
Zart hatte er ihr eine seiner großen Hände
unter den Rücken geschoben, und er zog sie an
sich; von der Rührung eines rauhen Mannes
gegenüber dieser noch schmerzerfüllten
Fruchtbarkeit erfaßt, küßte er ihr durch die
Bettdecke hindurch den Bauch. Er fragte, ob er
ihr nicht weh täte, er hätte sie durch
Draufpusten heilen mögen.
Und Gervaise war sehr glücklich. Sie schwor
ihm, sie habe gar keine Schmerzen mehr. Sie
sei nur darauf bedacht, so früh wie möglich
wieder aufzustehen, weil man nun nicht die
Hände in den Schoß legen dürfe.
Aber er beruhigte sie. Sei es denn nicht seine
Sorge, das Futter für die Kleine zu verdienen?
Er wäre ja ein großer Schlappschwanz, wenn
er jemals zulasse, daß diese Range ihr zur Last
falle. Es fertigbringen, ein Kind zu machen,
das scheine ihm keine große Kunst zu sein: es
zu ernähren, das sei ein Verdienst, stimmt's?
In dieser Nacht schlief Coupeau kaum. Er
hatte das Feuer im Ofen mit Asche abgedeckt.
Jede Stunde mußte er aufstehen, um dem Baby
einen Löffel lauwarmes Zuckerwasser zu
geben. Das hinderte ihn nicht daran, am
Morgen wie gewöhnlich zur Arbeit zu gehen.
Sogar seine Mittagspause nutzte er aus, um
zum Standesamt zu gehen und die Geburt
anzumelden. Unterdessen war Frau Boche, die
benachrichtigt worden war, herbeigeeilt, um
den Tag bei Gervaise zu verbringen. Doch
diese jammerte schon nach einem
zehnstündigen tiefen Schlaf und sagte, sie
fühle sich ganz gerädert, weil sie das Bett
hüten müsse. Sie würde krank werden, wenn
man sie nicht aufstehen ließe. Als Coupeau
heimkam, klagte sie ihm ihr Leid: zweifellos
habe sie Vertrauen zu Frau Boche; bloß es
bringe sie außer sich, zu sehen, wie sich eine
Fremde in ihrer Stube niederlasse, die
Schubläden aufziehe, ihre
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