Der Todschlaeger
Dein Ragout ist sehr
gut. Madame wird ein bißchen mitessen, nicht
wahr, Madame?«
Die Hebamme lehnte ab; aber ein Glas Wein
wolle sie gern trinken, weil es sie, wie sie
sagte, doch sehr aufgeregt habe, die
unglückliche Frau mit dem Baby so auf der
Strohmatte vorzufinden.
Schließlich brach Coupeau auf, um der
Familie die Neuigkeit zu verkünden.
Eine halbe Stunde später kam er mit der
ganzen Gesellschaft zurück, mit Mama
Coupeau, den Lorilleux und Frau Lerat, die er
gerade bei letzteren angetroffen hatte. Die
Lorilleux waren angesichts des Wohlstandes
des Ehepaares sehr liebenswürdig geworden
und lobten Gervaise über die Maßen, wobei sie
sich kleiner einschränkender Gebärden,
Wackeln mit dem Kinn, Klappern mit den
Augenlidern, nicht enthalten konnten, um
gleichsam ihr wirkliches Urteil
zurückzustellen. Schließlich wußten sie, was
sie wußten; sie wollten bloß nicht gegen die
Meinung des ganzen Viertels angehen.
»Ich bringe dir die ganze Sippschaft mit!« rief
Coupeau. »Na wenn schon! Sie haben dich
sehen wollen ... Mach den Schnabel nicht auf,
das ist dir verboten. Sie bleiben da und
betrachten dich ruhig, ohne daß sie dir was
übelnehmen, nicht wahr? – Ich werde ihnen
Kaffee kochen, und zwar prima Kaffee!« Er
verschwand in der Küche.
Mama Coupeau war, nachdem sie Gervaise
geküßt hatte, über die Größe des Kindes in
höchste Verwunderung ausgebrochen. Die
beiden anderen Frauen hatten ebenfalls
schallende Küsse auf die Wangen der
Wöchnerin gedrückt. Und alle drei standen vor
dem Bett und erläuterten unter lauten Ausrufen
die Einzelheiten der Entbindung, einer
drolligen Entbindung, als wenn einem ein
Zahn gezogen wird, weiter nichts. Frau Lerat
musterte die Kleine überall, erklärte, sie sei
wohlgeformt und setzte sogar absichtlich
hinzu, aus ihr werde eine famose Frau werden;
und da sie fand, daß der Kopf zu spitz sei,
knetete sie ihn trotz des Geschreis der Kleinen
leicht, um ihn abzurunden. Ärgerlich werdend,
entriß ihr Frau Lorilleux das Baby; derart an
einem Geschöpf herumzugrapschen, wenn es
noch einen so weichen Schädel habe, genüge
ja, um ihm alle Laster beizubringen. Dann
suchte sie nach der Ähnlichkeit. Beinahe hätte
man sich gestritten.
Lorilleux, der hinter den Frauen einen langen
Hals machte, sagte immer wieder, die Kleine
habe nichts von Coupeau, vielleicht ein
bißchen die Nase, aber auch die noch kaum!
Sie sei ganz die Mutter, mit Augen von
woanders; bestimmt, diese Augen stammten
nicht aus der Familie.
Coupeau erschien indessen nicht mehr wieder.
Man hörte, wie er sich in der Küche mit dem
Herd und der Kaffeekanne herumschlug.
Gervaise wurde schlecht vor Kummer; das war
doch keine Beschäftigung für einen Mann,
Kaffee zu kochen. Und sie rief ihm zu, wie er
es anstellen solle, ohne auf die energischen
PstRufe der Hebamme zu hören.
»Nehmt das Bündel weg!« sagte Coupeau, der
mit der Kaffeekanne in der Hand wieder
hereinkam. »Na, diese Frau triezt einen aber
genug! Die bringt sich ja um ... Wir trinken
das aus Gläsern, nicht wahr, denn die Tassen,
wißt ihr, sind noch beim Kaufmann.«
Man setzte sich um den Tisch, und der
Bauklempner wollte den Kaffee selbst
einschenken. Er roch schön stark, es war keine
Gießkannenlorke. Als die Hebamme ihr Glas
ausgeschlürft hatte, machte sie sich davon;
alles ging gut, man brauchte sie nicht mehr.
Falls die Nacht nicht gut verlaufe, so könne
man sie ja morgen holen lassen.
Sie war noch nicht die Treppe hinunter, als
Frau Lorilleux sie schon vernascht und
nichtsnutzig schimpfte. So eine täte sich vier
Stückchen Zucker in den Kaffee, so eine
nehme fünfzehn Francs dafür, daß sie einen
mutterseelenallein niederkommen lasse.
Aber Coupeau nahm sie in Schutz, er gebe die
fünfzehn Francs von Herzen gern; schließlich
verbrächten diese Frauen ihre Jugend mit
Studieren und seien im Recht, soviel zu
verlangen.
Darauf stritt sich Lorilleux mit Frau Lerat; er
behauptete, um einen Jungen zu bekommen,
müsse man das Kopfende seines Bettes nach
Norden stellen, während sie die Achseln
zuckte, das als Kinderei abtat und ein anderes
Rezept empfahl, das darin bestand, eine
Handvoll frischer, bei Sonnenschein
gepflückter Brennesseln unter der Matratze zu
verstecken, ohne es seiner Frau zu sagen.
Man hatte den Tisch ans Bett herangerückt.
Bis zehn Uhr lag Gervaise, die nach und nach
von unendlicher Müdigkeit befallen
Weitere Kostenlose Bücher