Der Todschlaeger
sich
in Lorilleux' Sessel, das rechte Bein auf einen
Hocker ausgestreckt. Dieser Spötter, der an
den Tagen mit Glatteis Witze über gebrochene
Pfoten machte, war sehr verärgert über seinen
Unfall. Es fehlte ihm an Gleichmut. Diese
beiden Monate im Bett hatte er damit
verbracht, zu fluchen und die Leute wütend zu
machen. Das war wahrhaftig kein Dasein, auf
dem Rücken liegend zu leben mit einer Stelze,
die verschnürt und steif wie eine Wurst war.
Na, die Decke kannte er nun wirklich, du
meine Güte; in der Ecke des Alkovens war ein
Riß, den er mit geschlossenen Augen hätte
zeichnen können. Als er sich dann im Sessel
niederließ, gab es eine andere Geschichte.
Sollte er etwa lange hier angenagelt sitzen wie
eine Mumie? So drollig war die Straße nun
wieder nicht, es kam niemand hier vorbei, den
ganzen Tag stank es nach Bleichlauge. Nein,
wirklich, hier alterte er zu sehr, zehn Jahre
seines Lebens hätte er gegeben, bloß um zu
wissen, wie es mit den Befestigungsarbeiten
stünde. Und immer wieder erging er sich in
heftigen Anklagen gegen das Schicksal. Der
war nicht gerecht, sein Unfall; das hätte ihm
nicht passieren dürfen, ihm, einem guten
Arbeiter, der kein Faulpelz, kein Säufer war.
Bei anderen hätte er es vielleicht verstanden.
»Papa Coupeau«, sagte er, »hat sich an einem
Sauftag den Hals gebrochen. Ich kann nicht
sagen, daß er das verdient hatte, aber erklärlich
war die Sache schließlich ... Ich dagegen war
nüchtern, völlig sorglos, ohne einen Tropfen
Alkohol im Leibe, und da purzele ich doch
runter, als ich mich umdrehen will, um Nana
mal zuzulächeln! – Findet ihr das nicht ein
starkes Stück? Wenn es einen lieben Gott gibt,
dann richtet er die Dinge ja komisch ein. Das
fresse ich nie.«
Und als er seine Beine wieder gebrauchen
konnte, hegte er einen dumpfen Groll gegen
die Arbeit. Es war ein Unglückshandwerk,
seine Tage wie die Katzen längs der
Dachrinnen zu verbringen. Nicht dumm, diese
Bourgeois! Sie schickten einen in den Tod,
weil sie selbst viel zu feige waren, sich auf
eine Leiter zu wagen; sie ließen sich gemütlich
in ihrer Kaminecke nieder und pfiffen auf die
armen Leute. Und es kam so weit, daß er
sagte, jeder solle sich doch sein Haus selber
mit Zink decken. Verflixt! Bei wirklicher
Gerechtigkeit müsse man dahin kommen:
wenn du nicht naß werden willst, bring dich
unter Dach und Fach. Dann bedauerte er, nicht
ein anderes Handwerk erlernt zu haben, das
hübscher und weniger gefährlich war, das
eines Kunsttischlers zum Beispiel. Daran sei
wieder mal Papa Coupeau schuld; Väter hätten
eben die dumme Angewohnheit, ihre Kinder
trotz allem in ihr eigenes Fach zu stecken.
Noch zwei Monate lang ging Coupeau an
Krücken. Zuerst hatte er auf die Straße
hinuntergehen, vor der Tür eine Pfeife rauchen
können. Dann war er bis zum äußeren
Boulevard gegangen, hatte sich mühsam in der
Sonne fortgeschleppt, war stundenlang auf
einer Bank sitzen geblieben. Seine
Fröhlichkeit kehrte zurück, seine höllische
Schandschnauze schärfte sich bei seinen
langen Bummeleien. Und mit der Lebenslust
bekam er eine Freude daran, so müßig
dazusitzen, mit gelösten Gliedern und in
sanften Schlummer hinübergleitenden
Muskeln. Es war gleichsam eine langsame
Eroberung durch die Faulheit, die sich seine
Genesung zunutze machte, um in seine Haut
einzudringen und ihn benommen zu machen,
indem sie ihn kitzelte. Er wurde wieder
gesund, spöttisch, fand das Leben schön und
sah nicht ein, warum das nicht immer so
weitergehen sollte. Als er sich ohne Krücken
behelfen konnte, dehnte er seine Spaziergänge
weiter aus, lief die Baustellen ab, um die
Kumpels wiederzusehen. Mit verschränkten
Armen blieb er grinsend, und kopfschüttelnd
vor den in Bau befindlichen Häusern stehen;
und er ulkte über die Arbeiter, die sich
abplackten, er streckte sein Bein aus, um ihnen
zu zeigen, wohin es führe, wenn man sich
abrackere. Dieses spöttelnde Verweilen
angesichts des Schuftens der anderen
befriedigte seinen Groll gegen die Arbeit.
Zweifellos würde er sie wiederaufnehmen, das
mußte er wohl; aber das sollte so spät wie
möglich geschehen. Oh, er hatte seinen Lohn
weg, um es an Begeisterung fehlen zu lassen.
Zudem kam es ihm so schön vor, ein bißchen
zu faulenzen.
An den Nachmittagen, an denen sich Coupeau
langweilte, ging er zu den Lorilleux hinauf.
Diese bedauerten ihn sehr, zogen ihn durch
allerlei
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