Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
beruhigt, abgekühlt durch
    die stocksteifen Gesichter der Lorilleux. Sie
    hatte nie den Fuß über deren Schwelle gesetzt,
    ohne Unbehagen zu empfinden. Die Augen auf
    die Erde, auf die Rauten des hölzernen
    Lattenrostes gerichtet, durch den die
    Goldabfälle fielen, sprach sie sich nun mit
    vernünftiger Miene aus. Mama Coupeau habe
    drei Kinder, wenn jedes hundert Sous gebe, so
    würde das nur fünfzehn Francs ausmachen,
    und das sei wirklich nicht genug, davon könne
    man nicht leben; man müsse den Betrag
    zumindest verdreifachen.
    Lorilleux aber erhob laut Einspruch. Woher
    solle er denn fünfzehn Francs im Monat
    stehlen? Die Leute seien ja komisch, man halte
    ihn wohl für reich, weil er Gold bei sich zu
    Hause habe. Dann hackte er auf Mama
    Coupeau herum: sie wolle morgens nicht ihren
    Kaffee entbehren, sie trinke ihr Schnäpschen,
    sie bekunde Ansprüche wie jemand, der
    Vermögen gehabt hat. Bei Gott! Jedermann
    liebe seine Bequemlichkeit; wenn man es aber
    nicht verstanden habe, einen Sou beiseite zu
    legen, nicht wahr, dann mache man es eben
    wie die Kumpels, man schnalle sich den
    Bauchriemen enger. Übrigens sei Mama
    Coupeau noch nicht in dem Alter, wo man
    nicht mehr arbeiten könne; sie sehe noch ganz
    schön deutlich, wenn es einen guten Bissen auf
    dem Boden der Schüssel aufzugabeln gelte;
    kurzum, sie sei eine alte ausgekochte Person,
    sie träume davon, sich verhätscheln zu lassen.
    Selbst wenn er die Mittel dazu hätte, würde er
    falsch zu handeln glauben, jemand in seiner
    Faulheit zu unterstützen.
    Doch Gervaise blieb versöhnlich, erörterte
    friedlich diese schlechten Beweggründe. Sie
    suchte die Lorilleux zu erweichen. Aber
    schließlich gab ihr der Mann keine Antwort
    mehr. Die Frau stand nun vor der Schmiede
    und war im Begriff, ein Stück Kette in der
    langstieligen, mit verdünntem Scheidewasser
    gefüllten kleinen Kupferpfanne abzubeizen.
    Sie war immerzu bestrebt, Gervaise den
    Rücken zuzuwenden, als wäre sie hundert
    Meilen weit entfernt. Gervaise redete immer
    noch, sah zu, wie sie sich inmitten des
    schwarzen Staubes der Werkstatt in die Arbeit
    verbohrten, den Leib gekrümmt, die Kleider
    geflickt und schmierig, zur vertierten Härte
    alter Werkzeuge gekommen bei ihrer
    engstirnigen Maschinenverrichtung. Da stieg
    ihr jäh der Zorn in die Kehle, sie schrie:
    »Also gut, das ist mir lieber, behalten Sie Ihr
    Geld! – Ich nehme Mama Coupeau zu mir,
    verstanden! Neulich habe ich abends eine
    Katze aufgelesen, da kann ich wohl Ihre
    Mutter auflesen. Und es wird ihr an nichts
    fehlen, und sie wird ihren Kaffee und ihr
    Schnäpschen haben! – Mein Gott, was für eine
    dreckige Familie!«
    Mit einem Schlag hatte Frau Lorilleux sich
    umgedreht. Sie schwang die Pfanne, als wolle
    sie ihrer Schwägerin das Scheidewasser ins
    Gesicht schütten. Sie haspelte hervor:
    »Scheren Sie sich davon, oder ich richte ein
    Unglück an! – Und rechnen Sie nicht auf die
    hundert Sous, denn ich gebe nicht einen
    Pfifferling! Nein, nicht einen Pfifferling! – Na
    ja, hundert Sous! Mama würde Ihr
    Dienstmädchen sein, und Sie würden sich an
    meinen hundert Sous gütlich tun! Wenn sie zu
    Ihnen zieht, sagen Sie ihr das, kann sie
    verrecken, ich werde ihr nicht mal ein Glas
    Wasser schicken ... Los, raus! Machen Sie, daß
    Sie wegkommen!«
    »Was für ein Ungeheuer, dieses Weib!« sagte
    Gervaise und schlug heftig die Tür zu.
    Gleich am nächsten Tag nahm sie Mama
    Coupeau zu sich. Sie stellte ihr Bett in die
    große Kammer, in der Nana schlief und die ihr
    Licht durch eine runde Luke in der Nähe der
    Decke erhielt. Der Umzug dauerte nicht lange,
    denn Mama Coupeau besaß als ganzes
    Mobiliar dieses Bett, einen alten
    Nußbaumschrank, den man in die Stube mit
    der schmutzigen Wäsche stellte, einen Tisch
    und zwei Stühle. Der Tisch wurde verkauft,
    und die beiden Stühle erhielten neues
    Strohgeflecht. Und noch am Abend ihres
    Einzuges fegte die alte Frau ein bißchen aus,
    wusch das Geschirr ab, kurzum, sie machte
    sich nützlich, weil sie sehr froh war, aus der
    Klemme heraus zu sein.
    Die Lorilleux platzten bald vor Wut, zumal
    sich Frau Lerat gerade mit den Coupeaus
    wieder ausgesöhnt hatte. Eines schönen Tages
    hatten sich die beiden Schwestern, die
    Blumenmacherin und die Kettenmacherin,
    wegen Gervaise gebackpfeift. Die erstere hatte
    es gewagt, Gervaises Verhalten ihrer beider
    Mutter gegenüber gutzuheißen; dann war sie,
    da sie die andere aufgebracht sah, aus einem
    Bedürfnis

Weitere Kostenlose Bücher