Der Todschlaeger
ein Hemd auf dem schmalen Brett des
Waschtischs ausgebreitet, das infolge der
Abnutzung durch das Wasser zerfressen und
ausgebleicht war. Sie rieb das Hemd mit Seife
ein, wendete es, rieb es von der anderen Seite
ein. Bevor sie antwortete, ergriff sie ihren
Wäschebleuel und fing an drauflos zu
schlagen; sie schrie ihre Sätze heraus und
unterstrich sie mit derben und taktmäßigen
Schlägen.
»Ja, ja, Wäscherin ... Mit zehn Jahren ... Zwölf
Jahre ist das her ... Wir gingen zum Fluß ...
Das roch besser als hier ... Das hätten Sie
sehen sollen, da war eine Stelle unter den
Bäumen ... mit klarem fließenden Wasser ... In
Plassans, wissen Sie ... Sie kennen Plassans
nicht? – Bei Marseille?«
»Das ist ja toll!« rief Frau Boche aus, ganz
verwundert über die Derbheit der
Bleuelschläge. »So ein Prachtweib! Die würde
einem ja mit ihren kleinen Mädchenarmen
Eisen platt klopfen!«
Die Unterhaltung wurde sehr laut fortgeführt.
Die Concierge war manchmal gezwungen, sich
herüberzubeugen, weil sie nichts verstand. Die
ganze Weißwäsche wurde geschlagen, und
zwar tüchtig! Gervaise tauchte sie erneut in
den Zuber und nahm sie Stück für Stück
wieder heraus, um sie ein zweites Mal mit
Seife einzureiben und zu bürsten. Mit der
einen Hand hielt sie das Stück auf dem
Waschtisch fest, und mit der anderen, die die
kurze Wurzelbürste hielt, brachte sie
schmutzigen Schaum aus der Wäsche heraus,
der in langen Geiferfäden herabfiel.
Bei dem schwachen Geräusch der Bürste
kamen sie alsdann einander näher und
plauderten vertraulicherweise.
»Nein, wir sind nicht verheiratet«, begann
Gervaise wieder. »Ich mache kein Hehl
daraus. Lantier ist nicht so nett, daß man
wünschen könnte, seine Frau zu sein. Wenn
die Kinder nicht da wären, na, ich sage Ihnen!
– Ich war vierzehn Jahre alt und er achtzehn,
als wir unser erstes kriegten. Das andere ist
vier Jahre später gekommen ... Das ist passiert,
wie so was immer passiert. Sie wissen ja. Ich
war nicht glücklich zu Hause. Wegen eines Ja,
wegen eines Nein versetzte mir Vater
Macquart Fußtritte ins Kreuz. Du meine Güte,
da sucht man sich eben außer Hause sein
Vergnügen ... Man hätte uns ja verheiratet,
aber ich weiß nicht mehr, unsere Eltern haben
es nicht gewollt.« Sie schüttelte ihre Hände ab,
die sich unter dem weißen Schaum röteten.
»Das Wasser ist ganz schön hart in Paris«,
sagte sie.
Frau Boche wusch nur noch lässig. Sie hielt
inne und zog das Einseifen in die Länge, um
dableiben zu können und diese Geschichte
kennenzulernen, die ihre Neugier seit vierzehn
Tagen auf die Folter spannte. Ihr Mund stand
halb offen in ihrem groben Gesicht, und ihre
hervorstehenden Augen glänzten. Mit der
Genugtuung, das schon vorausgesehen zu
haben, dachte sie: Es stimmt, die Kleine redet
zuviel. Es hat Krach gegeben.
Laut sagte sie dann:
»Er ist also nicht nett?«
»Reden Sie mir nicht davon!« antwortete
Gervaise. »Da unten war er sehr gut zu mir,
aber seit wir in Paris sind, kann ich mit ihm
nicht mehr auskommen ... Sie müssen wissen,
daß seine Mutter voriges Jahr gestorben ist
und ihm etwas hinterlassen hat, ungefähr
siebzehnhundert Francs. Er wollte nach Paris
gehen. Da Vater Macquart mir immer noch
mir nichts, dir nichts Ohrfeigen langte, habe
ich dann eingewilligt, mit ihm fortzuziehen.
Wir haben die Reise mit den beiden Kindern
gemacht. Er sollte mich als Wäscherin
unterbringen und in seinem Beruf als
Hutmacher arbeiten. Wir hätten sehr glücklich
sein können – Aber, sehen Sie, Lantier ist
ehrgeizig, verschwenderisch, ein Mensch, der
nur an sein Vergnügen denkt. Er taugt eben
nicht viel ... Wir sind also im Hotel
Montmartre in der Rue Montmartre
abgestiegen. Und dann kamen Diners, Wagen,
Theater, eine Uhr für ihn, ein seidenes Kleid
für mich; denn er hat ein gutes Herz, wenn er
Geld hat. Sie verstehen, daß wir bei dem Drum
und Dran nach zwei Monaten pleite waren. Zu
diesem Zeitpunkt sind wir ins Hotel Boncœur
gezogen, und das verfluchte Leben hat
angefangen ...« Sie brach ab, die Kehle war ihr
mit einem Male wie zugeschnürt, und sie
unterdrückte ihre Tränen. Sie war mit dem
Bürsten ihrer Wäsche fertig. »Ich muß mein
heißes Wasser holen«, murmelte sie. Aber
Frau Boche, die über diese Unterbrechung der
vertraulichen Mitteilungen sehr verdrossen
war, rief den Waschhausgehilfen, der gerade
vorbeikam.
»Mein lieber Charles, seien Sie
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