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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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den
    Pfandschein zu den anderen zwischen den
    beiden Leuchtern hinzu.
    »Das haben sie mir gegeben«, sagte sie. »Ich
    wollte sechs Francs haben, aber es war nichts
    zu machen. Oh, die werden sich ja nicht
    ruinieren ... Und eine Menge Menschen sind
    da drin immer anzutreffen!«
    Lantier nahm das Fünffrancsstück nicht gleich.
    Er wünschte, sie hätte es in Kleingeld
    eingewechselt, damit er ihr etwas dalassen
    könnte. Doch er entschloß sich, es in seine
    Westentasche gleiten zu lassen, als er einen
    Rest Schinken in Papier und einen Kanten
    Brot auf der Kommode sah.
    »Ich bin gar nicht zur Milchfrau gegangen,
    weil wir ihr für acht Tage Geld schulden«,
    erklärte Gervaise. »Aber ich komme zeitig
    zurück; du kannst hinuntergehen und Brot und
    panierte Koteletts holen, während ich weg bin,
    und dann essen wir Mittag ... Bring auch einen
    Liter Wein mit herauf.«
    Er sagte nicht nein. Es schien Frieden
    einzutreten.
    Die junge Frau bündelte die schmutzige
    Wäsche fertig. Als sie jedoch Lantiers
    Hemden und Sachen unten aus dem Koffer
    nehmen wollte, schrie er sie an, sie solle das
    sein lassen.
    »Laß meine Wüsche, hörst du! Ich will das
    nicht!«
    »Was willst du nicht?« fragte sie und richtete
    sich wieder auf. »Du hast doch nicht etwa die
    Absicht, dieses verschimmelte Zeug noch mal
    anzuziehen? Das muß doch gewaschen
    werden.« Und sie musterte ihn besorgt, da sie
    auf seinem hübschen Burschengesicht dieselbe
    Härte wiederfand, als solle ihn in Zukunft
    nichts mehr erweichen.
    Er wurde ärgerlich, riß ihr die Wäsche aus den
    Händen und warf sie wieder in den Koffer.
    »Himmeldonnerwetter! Gehorch mir doch
    einmal! Wenn ich dir schon sage, daß ich nicht
    will!«
    »Aber warum?« erwiderte sie, blaß werdend,
    von einem schrecklichen Verdacht gestreift.
    »Du brauchst deine Hemden jetzt nicht, du
    gehst ja nicht gleich weg ... Was kann es dir
    schon ausmachen, wenn ich sie mitnehme?«
    Er zögerte einen Augenblick, von den
    glühenden Augen, mit denen sie ihn anstarrte,
    in Verlegenheit gebracht.
    »Warum? Warum?« stotterte er. »Verdammt!
    Du wirst überall sagen, daß du mich aushältst,
    daß du wäschst, daß du flickst. Na, das ödet
    mich eben an! Kümmere dich um deine
    Angelegenheiten, und ich kümmere mich um
    meine ... Die Waschfrauen arbeiten ja nicht für
    die Hunde.«
    Sie beschwor ihn, verwahrte sich dagegen,
    sich jemals beklagt zu haben, aber er schloß
    rücksichtslos den Koffer, setzte sich darauf
    und schrie ihr: »Nein!« ins Gesicht. Er sei ja
    wohl Herr über das, was ihm gehöre! Um den
    Blicken zu entgehen, mit denen sie ihn
    verfolgte, drehte er sich dann um, streckte sich
    auf dem Bett aus und sagte, er sei müde und
    sie solle ihm nicht länger die Ohren voll
    schreien. Diesmal schien er tatsächlich
    einzuschlafen.
    Gervaise verweilte einen Augenblick
    unentschlossen. Sie hatte große Lust, das
    Bündel mit dem Fuß wegzustoßen, sich hier
    hinzusetzen und zu nähen. Lantiers
    regelmäßiges Atmen beruhigte sie schließlich.
    Sie nahm die Kugel Waschblau und das Stück
    Seife, was ihr von ihrer letzten Wäsche
    übriggeblieben war, trat zu den Kleinen, die
    vor dem Fenster seelenruhig mit alten Korken
    spielten, küßte sie und sagte leise zu ihnen:
    »Seid schön artig, macht keinen Lärm. Papa
    schlaft.« Als sie das Zimmer verließ, klang nur
    Claudes und Etiennes gedämpftes Gelächter in
    der großen Stille unter der schwarzen Decke.
    Es war zehn Uhr. Ein Sonnenstrahl kam durch
    das halboffene Fenster herein.
    Auf dem Boulevard wandte sich Gervaise nach
    links und ging die Rue Neuve de la Goutted'Or
    entlang. Als sie an Frau Fauconniers Laden
    vorbeikam, grüßte sie mit einem leichten
    Kopfnicken.
    Das Waschhaus lag nach der Mitte der Straße
    zu, an der Stelle, wo das Pflaster anzusteigen
    begann. Über einem flachen Gebäude zeigten
    drei riesige Wasserbehälter, stark verbolzte
    Zinkzylinder, ihre grauen Rundungen,
    während sich hinten der Trockenboden erhob,
    ein sehr hohes zweites Stockwerk, das von
    allen Seiten von Fensterläden mit dünnen
    Brettchen abgeschlossen wurde, zwischen
    denen die frische Luft hindurchdrang und die
    auf

    Messingdrähten

    trocknenden
    Wäschestücke zu sehen waren. Rechts von den
    Behältern fauchte das schmale Rohr der
    Dampfmaschine mit heftigem, regelmäßigem
    Atem Strahlen weißen Dampfes.
    Ohne ihre Röcke hochzuraffen, ging Gervaise
    als eine an Pfützen gewöhnte Frau durch das
    mit Krügen voll Bleichlauge

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