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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Wasserstrahl berieselte, um ein
    Weich werden des Stahles zu verhindern; und
    fertig war es, die Spindel senkte sich, der
    Bolzen sprang mit seinem runden, wie in der
    Form gegossenen Kopf auf die Erde. In zwölf
    Stunden stellte diese verdammte Maschine
    Hunderte von Kilogramm her. Goujet war
    nicht bösartig, aber in manchen Augenblicken
    hätte er gern Fifine genommen, um auf dieses
    ganze Eisenzeug loszuschlagen, aus Zorn
    darüber, daß dessen Arme stärker waren als
    seine. Das bereitete ihm heftigen Kummer,
    selbst wenn er sich bemühte, vernünftig zu
    sein und sich sagte, daß Fleisch nicht gegen
    Eisen ankämpfen könne. Eines Tages würde
    die Maschine sicher den Arbeiter umbringen;
    die Tageslöhne der Arbeiter waren bereits von
    zwölf auf neun Francs gesunken, und es hieß,
    sie sollten abermals herabgesetzt werden; kurz,
    sie hatten nichts Heiteres an sich, diese großen
    Bestien, die Niete und Bolzen machten, wie
    sie Wurst gemacht hätten. Diese da betrachtete
    er gut drei Minuten lang, ohne irgend etwas zu
    sagen; seine Brauen runzelten sich, und sein
    schöner gelber Bart sträubte sich drohend.
    Dann ließ ein Ausdruck der Sanftmut und der
    Schicksalsergebenheit seine Züge nach und
    nach weich werden.
    Er wandte sich zu Gervaise um, die sich dicht
    an ihn drängte, er sagte mit einem traurigen
    Lächeln:
    »Das sticht uns ganz schön aus, was! Aber
    vielleicht dient das später mal dem Wohl
    aller.«
    Gervaise pfiff auf das Wohl aller. Sie fand die
    Maschinenbolzen schlecht gemacht.
    »Sie verstehen mich«, rief sie feurig, »sie sind
    zu gut gemacht ... Ihre sind mir lieber. Da
    spürt man wenigstens die Hand eines
    Künstlers.«
    Sie verschaffte ihm eine sehr große
    Befriedigung, indem sie so sprach, weil er
    einen Augenblick Angst gehabt hatte, sie
    verachte ihn, nachdem sie die Maschinen
    gesehen hatte. Freilich! Wenn er auch stärker
    war als Salzschnabel, genannt Trinkohndurst,
    die Maschinen waren stärker als er. Als er sich
    auf dem Hof endlich von ihr trennte, drückte
    er ihr wegen seiner heftigen Freude die
    Handgelenke zum Zerbrechen.
    Die Wäscherin ging jeden Sonnabend zu den
    Goujets, um ihnen ihre Wäsche
    zurückzubringen. Sie wohnten immer noch in
    dem kleinen Haus in der Rue Neuve de la
    Goutted'Or. Im ersten Jahr hatte sie ihnen
    regelmäßig zwanzig Francs monatlich von den
    fünfhundert Francs zurückgezahlt; um die
    Abrechnungen nicht durcheinanderzubringen,
    wurde das Buch nur am Monatsende addiert,
    und sie legte den erforderlichen Rest hinzu,
    um die zwanzig Francs vollzumachen, denn
    die Wäsche für die Goujets überstieg im
    Monat kaum sieben oder acht Francs. So hatte
    sie denn gerade etwa die Hälfte der Summe
    beglichen, als sie eines Tages, an dem die
    Vierteljahresmiete fällig war und sie nicht
    mehr aus noch ein wußte, weil Kunden ihre
    Zusagen nicht gehalten hatten, zu den Goujets
    laufen und die Miete von ihnen hatte borgen
    müssen. Noch zweimal hatte sie sich, um ihre
    Arbeiterinnen zu bezahlen, ebenfalls an sie
    gewandt, so daß die Schuld wieder auf
    vierhundertfünfundzwanzig

    Francs
    angestiegen war. Nun zahlte sie keinen Sou
    mehr, sie tilgte ihre Schulden einzig und allein
    durch das Waschen. Nicht etwa, daß sie
    weniger arbeitete oder daß ihre Geschäfte
    schlechter gingen. Im Gegenteil. Doch es
    entstanden Löcher bei ihr, das Geld schien zu
    zerrinnen, und sie war froh, wenn sie geradeso
    auskam. Mein Gott, wenn man nur lebt, nicht
    wahr, so hat man nicht allzusehr zu klagen. Sie
    nahm zu, sie gab jeder kleinen Nachlässigkeit
    ihrer beginnenden Wohlbeleibtheit nach, weil
    sie nicht mehr die Kraft hatte, beim Gedanken
    an die Zukunft zu erschrecken. Na, wenn
    schon! Geld würde immer einkommen, es
    rostete, wenn man es beiseite legte. Frau
    Goujet blieb jedoch mütterlich zu Gervaise.
    Manchmal kanzelte sie sie sanft ab, nicht
    wegen ihres Geldes, sondern weil sie sie gern
    hatte und weil sie fürchtete, sie könnte sich
    zugrunde richten.
    Von ihrem Geld sprach sie nicht einmal.
    Kurzum, sie brachte viel Zartgefühl dabei auf.
    Der Tag nach Gervaises Besuch in der
    Schmiede war gerade der letzte Sonnabend des
    Monats. Als sie bei den Goujets ankam – sie
    legte großen Wert darauf, selbst zu ihnen zu
    gehen –, waren ihr vom Korb die Arme so
    zerschlagen, daß sie zwei reichliche Minuten
    lang keine Luft bekam. Man weiß gar nicht,
    wie schwer Wäsche ist, besonders wenn Laken
    dabei sind.
    »Sie bringen doch alles?« fragte Frau

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