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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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gewesen
    wäre. Sie ging schließlich, als er sie
    zurückrief, da er sie ein paar Minuten länger
    dazubehalten suchte.
    »Kommen Sie doch, Sie haben ja nicht alles
    gesehen ... Nein, wirklich, es ist äußerst
    sehenswert.«
    Er führte sie nach rechts in einen anderen
    Schuppen, in dem sein Arbeitgeber eine ganze
    maschinelle Fertigung untergebracht hatte.
    Auf der Schwelle zögerte sie, von instinktiver
    Angst erfaßt. Der weite, von den Maschinen
    erschütterte Saal bebte, und große, mit roten
    Feuern gefleckte Schatten wallten umher. Aber
    er beruhigte sie lächelnd, schwor, daß es nichts
    zu fürchten gäbe; sie müsse lediglich darauf
    achten, daß sie ihre Röcke nicht zu nahe an
    den Getrieben nachschleife. Er ging voraus, sie
    folgte ihm in diesem ohrenbetäubenden Lärm,
    in dem alle möglichen Geräusche zischten und
    ratterten, inmitten dieser Rauchschwaden, die
    von unbestimmten Wesen bevölkert waren,
    von geschäftigen schwarzen Männern, ihre
    Arme schwenkenden Maschinen, die sie nicht
    voneinander unterscheiden konnte. Die
    Durchgänge waren sehr schmal, man mußte
    über Hindernisse hinwegsteigen, Löchern aus
    dem Wege gehen, beiseite treten, um einem
    Gefährt auszuweichen. Man konnte sein
    eigenes Wort nicht verstehen. Sie sah noch
    nichts, alles tanzte. Als sie dann das Gefühl
    hatte, als sei über ihrem Kopf ein weites
    Flügelrauschen, blickte sie hoch und verweilte
    beim Betrachten der Treibriemen, der langen
    Bänder, die an der Decke ein gigantisches
    Spinnengewebe spannten, von dem sich jeder
    Faden endlos abspulte. Der Dampfmotor
    verbarg sich in einer Ecke hinter einer kleinen
    Ziegelmauer; die Treibriemen schienen von
    allein dahinzueilen, den Schwung aus der
    Tiefe des Dunkels herzubringen, mit ihrem
    stetigen regelmäßigen, wie der Flug eines
    Nachtvogels sanften Gleiten. Doch beinahe
    wäre sie hingefallen, als sie gegen eins der
    Ventilatorrohre stieß, das sich auf dem
    gestampften Erdboden verzweigte und seinen
    scharfen Windhauch an die kleinen Schmieden
    neben den Maschinen verteilte. Und er zeigte
    ihr das zuerst, er ließ den Wind auf einen Ofen
    fahren; große Flammen breiteten sich
    fächerförmig nach vier Seiten aus, eine
    gezackte, blendende, kaum mit einem Anflug
    von Lack gefärbte Halskrause aus Feuer; das
    Licht war so grell, daß die kleinen Lampen der
    Arbeiter wie Schattentropfen im Sonnenschein
    aussahen. Dann sprach er lauter, um
    Erklärungen zu geben, er ging zu den
    Maschinen hinüber: die Maschinenscheren, die
    Eisenstangen fraßen, mit jedem Biß ein Stück
    abknabberten, die Stücke eins nach dem
    anderen hinten ausspieen; die hohen,
    komplizierten Bolzen und Nietenmaschinen,
    die die Köpfe mit einem einzigen Druck ihrer
    mächtigen Spindel schmiedeten; die
    Putzmaschinen mit dem gußeisernen
    Schwungrad, einer gußeisernen Walze, die bei
    jedem Stück, von dem sie den Abgrat
    entfernten, wütend die Luft durchpeitschte; die
    Gewindebohrmaschinen, die von Frauen
    bedient wurden und die mit dem Ticktack ihrer
    unter dem Schmieröl glänzenden Stahlgetriebe
    das Gewinde der Schrauben und ihrer Muttern
    schnitten. Sie konnten so die ganze Arbeit
    verfolgen, von dem an den Wänden
    hochgerichteten Stabeisen an bis zu den
    fertigen Bolzen und Nieten, von denen ganze
    Kisten voll die Ecken verstellten. Da verstand
    sie, sie lächelte und wackelte dabei mit dem
    Kinn; aber trotzdem blieb ihr die Kehle ein
    wenig zugeschnürt, sie war beunruhigt, so
    klein und so zart zu sein unter diesen rauhen
    Metallarbeitern, drehte sich manchmal um, das
    Blut zu Eis erstarrt beim dumpfen Ruck einer
    Putzmaschine. Sie gewöhnte sich an das
    Dunkel und sah Nischen, in denen reglose
    Männer den keuchenden Tanz der
    Schwungräder regulierten, wenn ein Ofen jäh
    das Schlaglicht seiner Flammenkrause
    emporschießen ließ. Und zur Decke kam sie
    unbeabsichtigt immer wieder zurück, zum
    Leben, zum eigentlichen Blut der Maschinen,
    zum geschmeidigen Flug der Treibriemen,
    deren ungeheure und stumme Kraft sie
    hochblickend in der Ungewissen Nacht des
    Gebälks vorübergleiten sah.
    Inzwischen war Goujet vor einer der
    Nietenmaschinen stehengeblieben. Dort
    verweilte er nachdenklich mit gesenktem Kopf
    und starren Blicken. Die Maschine schmiedete
    Vierzigmillimeterniete mit der gelassenen
    Mühelosigkeit eines Riesen. Und nichts war in
    der Tat einfacher. Der Heizer nahm das
    Stückchen Eisen aus dem Ofen; der
    Zuschläger steckte es in das Gesenk, das ein
    stetiger dünner

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