Der Todschlaeger
Goujet.
Darin war sie sehr streng. Sie wünschte, daß
man ihr die Wäsche zurückbrachte, ohne daß
ein Stück fehlte, der Ordnung halber, wie sie
sagte. Eine weitere Forderung von ihr war, daß
die Wäscherin genau am festgesetzten Tag und
jedesmal zur gleichen Stunde kam; so verlor
niemand seine Zeit.
»Doch, es ist alles dabei«, antwortete Gervaise
lächelnd. »Sie wissen ja, ich lasse nichts
zurück.«
»Das stimmt«, bekannte Frau Goujet. »Sie
nehmen zwar Fehler an, aber den haben Sie
noch nicht.« Und während die Wäscherin
ihren Korb leerte und die Wäsche auf das Bett
legte, lobte die alte Frau sie: sie versenge die
Stücke nicht, zerreiße sie nicht wie so viele
andere, reiße mit dem Bügeleisen nicht die
Knöpfe ab, sie nehme nur zuviel Waschblau
und stärke die Hemdbrüste zu sehr. »Sehen
Sie, das ist ja Pappe«, fuhr sie fort und ließ
eine Hemdbrust krachen. »Mein Sohn beklagt
sich ja nicht, aber das schneidet ihm den Hals
ein ... Morgen wird er den Hals blutig haben,
wenn wir von Vincennes zurückkommen.«
»Nein, sagen Sie das nicht!« rief Gervaise
zutiefst betrübt. »Die Hemden zum
Sichfeinmachen müssen ein bißchen steif sein,
wenn man nicht einen Lappen auf dem Leibe
haben will. Sehen Sie sich doch die feinen
Herren an ... Ich besorge Ihre ganze Wäsche
allein. Niemals rührt eine Arbeiterin sie an,
und ich behandle sie pfleglich, das versichere
ich Ihnen, lieber würde ich sie zehnmal wieder
von vorn beginnen, weil es für Sie ist,
verstehen Sie.« Sie war leicht errötet, während
sie das Ende des Satzes herstammelte. Sie
fürchtete, sich das Vergnügen anmerken zu
lassen, das sie daran fand, Goujets Hemden
selber zu bügeln. Sicher hatte sie keine
schmutzigen Gedanken, aber sie schämte sich
doch ein bißchen.
»Oh, ich greife Ihre Arbeit nicht an, Sie
arbeiten ganz vortrefflich, das weiß ich«, sagte
Frau Goujet. »Also, hier ist eine Haube, die
fein und sauber gearbeitet ist. Nur Sie können
die Stickereien so hervortreten lassen. Und die
Röhrenfalten sind von einer Einheitlichkeit!
Ich sage Ihnen ja, ich erkenne Ihre Hand
sofort. Wenn Sie einer Arbeiterin nur ein
Wischtuch geben, so merkt man das ... Nicht
wahr, Sie nehmen ein bißchen weniger Stärke,
das ist alles. Mein Sohn legt keinen Wert
darauf, wie ein feiner Herr auszusehen.«
Inzwischen hatte sie das Buch vorgenommen
und strich die Stücke mit der Feder durch.
Alles war in Ordnung. Als sie abrechneten,
bemerkte sie, daß Gervaise ihr für eine Haube
sechs Sous berechnete; sie erhob laut
Einspruch, aber sie mußte zugeben, daß
Gervaise bei den heutigen Preisen wirklich
nicht teuer war, nein, Männerhemden fünf
Sous,
Frauenhosen
vier
Sous,
Kopfkissenbezüge anderthalb Sous, Schürzen
einen Sou, das war nicht teuer, wo doch sehr
viele Wäscherinnen für alle diese Stücke zwei
Liards oder sogar einen Sou mehr nahmen.
Als Gervaise dann die schmutzige Wäsche
angesagt hatte, die die alte Frau eintrug,
stopfte sie sie in ihren Korb; sie ging nicht
fort, war verlegen, weil sie eine Bitte auf den
Lippen hatte, die sie sehr befangen machte.
»Madame Goujet«, sagte sie schließlich,
»wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich
diesen Monat gern das Geld für die Wäsche
nehmen.«
Gerade diesen Monat war der Betrag sehr
hoch, die Rechnung, die sie soeben zusammen
aufgestellt hatten, belief sich auf zehn Francs
und sieben Sous.
Frau Goujet schaute sie einen Augenblick mit
ernster Miene an. Dann antwortete sie:
»Ganz, wie es Ihnen beliebt, mein Kind. Ich
will Ihnen dieses Geld nicht abschlagen, da Sie
es nun einmal brauchen – Nur ist das kaum der
Weg, Ihre Schulden zu begleichen; ich sage
das um Ihretwillen, verstehen Sie. Wirklich,
Sie sollten sich in acht nehmen.«
Mit gesenktem Kopf nahm Gervaise
stammelnd die Zurechtweisung hin. Die zehn
Francs sollten das Geld für einen Schuldschein
vollzählig machen, den sie bei ihrem
Kokshändler unterschrieben habe.
Aber bei dem Wort Schuldschein wurde Frau
Goujet noch strenger. Sie stellte sich als
Beispiel hin: sie schränke sich ein, seitdem
Goujets Tagelohn von zwölf auf neun Francs
gesenkt worden sei. Wenn man in der Jugend
nicht klug sei, dann leide man im Alter
Hunger. Sie hielt jedoch an sich, sie sagte
Gervaise nicht, daß sie ihr ihre Wäsche einzig
und allein deshalb gab, um es ihr zu
ermöglichen, ihre Schuld zu bezahlen; früher
hatte sie alles allein gewaschen, und
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