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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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Goujet.
    Darin war sie sehr streng. Sie wünschte, daß
    man ihr die Wäsche zurückbrachte, ohne daß
    ein Stück fehlte, der Ordnung halber, wie sie
    sagte. Eine weitere Forderung von ihr war, daß
    die Wäscherin genau am festgesetzten Tag und
    jedesmal zur gleichen Stunde kam; so verlor
    niemand seine Zeit.
    »Doch, es ist alles dabei«, antwortete Gervaise
    lächelnd. »Sie wissen ja, ich lasse nichts
    zurück.«
    »Das stimmt«, bekannte Frau Goujet. »Sie
    nehmen zwar Fehler an, aber den haben Sie
    noch nicht.« Und während die Wäscherin
    ihren Korb leerte und die Wäsche auf das Bett
    legte, lobte die alte Frau sie: sie versenge die
    Stücke nicht, zerreiße sie nicht wie so viele
    andere, reiße mit dem Bügeleisen nicht die
    Knöpfe ab, sie nehme nur zuviel Waschblau
    und stärke die Hemdbrüste zu sehr. »Sehen
    Sie, das ist ja Pappe«, fuhr sie fort und ließ
    eine Hemdbrust krachen. »Mein Sohn beklagt
    sich ja nicht, aber das schneidet ihm den Hals
    ein ... Morgen wird er den Hals blutig haben,
    wenn wir von Vincennes zurückkommen.«
    »Nein, sagen Sie das nicht!« rief Gervaise
    zutiefst betrübt. »Die Hemden zum
    Sichfeinmachen müssen ein bißchen steif sein,
    wenn man nicht einen Lappen auf dem Leibe
    haben will. Sehen Sie sich doch die feinen
    Herren an ... Ich besorge Ihre ganze Wäsche
    allein. Niemals rührt eine Arbeiterin sie an,
    und ich behandle sie pfleglich, das versichere
    ich Ihnen, lieber würde ich sie zehnmal wieder
    von vorn beginnen, weil es für Sie ist,
    verstehen Sie.« Sie war leicht errötet, während
    sie das Ende des Satzes herstammelte. Sie
    fürchtete, sich das Vergnügen anmerken zu
    lassen, das sie daran fand, Goujets Hemden
    selber zu bügeln. Sicher hatte sie keine
    schmutzigen Gedanken, aber sie schämte sich
    doch ein bißchen.
    »Oh, ich greife Ihre Arbeit nicht an, Sie
    arbeiten ganz vortrefflich, das weiß ich«, sagte
    Frau Goujet. »Also, hier ist eine Haube, die
    fein und sauber gearbeitet ist. Nur Sie können
    die Stickereien so hervortreten lassen. Und die
    Röhrenfalten sind von einer Einheitlichkeit!
    Ich sage Ihnen ja, ich erkenne Ihre Hand
    sofort. Wenn Sie einer Arbeiterin nur ein
    Wischtuch geben, so merkt man das ... Nicht
    wahr, Sie nehmen ein bißchen weniger Stärke,
    das ist alles. Mein Sohn legt keinen Wert
    darauf, wie ein feiner Herr auszusehen.«
    Inzwischen hatte sie das Buch vorgenommen
    und strich die Stücke mit der Feder durch.
    Alles war in Ordnung. Als sie abrechneten,
    bemerkte sie, daß Gervaise ihr für eine Haube
    sechs Sous berechnete; sie erhob laut
    Einspruch, aber sie mußte zugeben, daß
    Gervaise bei den heutigen Preisen wirklich
    nicht teuer war, nein, Männerhemden fünf
    Sous,

    Frauenhosen

    vier

    Sous,
    Kopfkissenbezüge anderthalb Sous, Schürzen
    einen Sou, das war nicht teuer, wo doch sehr
    viele Wäscherinnen für alle diese Stücke zwei
    Liards oder sogar einen Sou mehr nahmen.
    Als Gervaise dann die schmutzige Wäsche
    angesagt hatte, die die alte Frau eintrug,
    stopfte sie sie in ihren Korb; sie ging nicht
    fort, war verlegen, weil sie eine Bitte auf den
    Lippen hatte, die sie sehr befangen machte.
    »Madame Goujet«, sagte sie schließlich,
    »wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich
    diesen Monat gern das Geld für die Wäsche
    nehmen.«
    Gerade diesen Monat war der Betrag sehr
    hoch, die Rechnung, die sie soeben zusammen
    aufgestellt hatten, belief sich auf zehn Francs
    und sieben Sous.
    Frau Goujet schaute sie einen Augenblick mit
    ernster Miene an. Dann antwortete sie:
    »Ganz, wie es Ihnen beliebt, mein Kind. Ich
    will Ihnen dieses Geld nicht abschlagen, da Sie
    es nun einmal brauchen – Nur ist das kaum der
    Weg, Ihre Schulden zu begleichen; ich sage
    das um Ihretwillen, verstehen Sie. Wirklich,
    Sie sollten sich in acht nehmen.«
    Mit gesenktem Kopf nahm Gervaise
    stammelnd die Zurechtweisung hin. Die zehn
    Francs sollten das Geld für einen Schuldschein
    vollzählig machen, den sie bei ihrem
    Kokshändler unterschrieben habe.
    Aber bei dem Wort Schuldschein wurde Frau
    Goujet noch strenger. Sie stellte sich als
    Beispiel hin: sie schränke sich ein, seitdem
    Goujets Tagelohn von zwölf auf neun Francs
    gesenkt worden sei. Wenn man in der Jugend
    nicht klug sei, dann leide man im Alter
    Hunger. Sie hielt jedoch an sich, sie sagte
    Gervaise nicht, daß sie ihr ihre Wäsche einzig
    und allein deshalb gab, um es ihr zu
    ermöglichen, ihre Schuld zu bezahlen; früher
    hatte sie alles allein gewaschen, und

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