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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlo von der Birke
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kurzes Haar, das
    sich auf der niedrigen Stirn kräuselte, und sein
    schöner gelber Bart mit den herabhängenden
    Locken entbrannten und erhellten ihm das
    ganze Gesicht mit ihren Goldfäden, ein wahres
    Goldgesicht, ungelogen. Dazu ein Hals gleich
    einer Säule, weiß wie ein Kinderhals; eine
    gewaltige Brust, breit genug, um eine Frau
    quer darauf zu betten; gemeißelte Schultern
    und Arme, die denen eines Riesen in einem
    Museum nachgebildet zu sein schienen. Wenn
    er ausholte, sah man seine Muskeln schwellen,
    unter der Haut rollende und hart werdende
    Fleischgebirge; seine Schultern, Brust und
    Hals blähten sich; es ward Licht rings um ihn,
    er wurde schön, allmächtig wie ein Herrgott.
    Zwanzigmal hatte er Fifine bereits
    niedersausen lassen, die Augen auf das Eisen
    gerichtet, bei jedem Schlag Atem holend, und
    hatte nur an seinen Schläfen zwei große
    Schweißtropfen, die herabrannen. Er zählte:
    einundzwanzig,

    zweiundzwanzig,
    dreiundzwanzig. Fifine fuhr gelassen fort, sich
    wie eine große Dame zu verneigen.
    »So ein Angeber!« murmelte Salzschnabel,
    genannt Trinkohndurst.
    Und Gervaise, die Goldmaul gegenüberstand,
    schaute mit gerührtem Lächeln zu. Mein Gott,
    was waren die Männer doch dumm! Schlugen
    denn diese beiden da nicht bloß deswegen auf
    ihre Bolzen ein, um ihr den Hof zu machen?
    Oh, sie begriff sehr wohl, sie stritten sich mit
    Hammerschlägen um sie; sie waren wie zwei
    große, rote Hähne, die vor einer kleinen
    weißen Henne den starken Kerl spielen. Auf
    was für Einfälle man kommen kann, nicht
    wahr! Das Herz wählt doch manchmal eine
    kuriose Art und Weise, sich kundzutun. Ja, ihr
    galt dieses Donnern Dédèles und Fifines auf
    den Amboß, ihr galt dieses ganze breit
    gequetschte Eisen; ihr galt diese in Betrieb
    befindliche, von einer Feuersbrunst
    flammende, von einem Sprühen greller Funken
    erfüllte Schmiede. Dort schmiedeten sie ihr
    eine Liebe, sie stritten sich um sie, wer am
    besten schmiede. Und wirklich, im Grunde
    bereitete ihr das Vergnügen, denn schließlich
    lieben Frauen Komplimente. Besonders
    Goldmauls Hammerschläge hallten in ihrem
    Herzen wider; sie erklangen dort wie auf dem
    Amboß, eine helle Musik, die das heftige
    Pulsen ihres Blutes begleitete. Das mutet wie
    eine Torheit an, aber sie fühlte, daß das etwas
    da in sie einrammte, etwas Festes, ein wenig
    vom Eisen des Bolzens. Ehe sie
    hereingekommen war, hatte sie in der
    Dämmerung auf den feuchten Bürgersteigen
    ein unbestimmtes Verlangen verspürt, ein
    Bedürfnis, einen guten Bissen zu essen; jetzt
    war sie befriedigt, als hätten Goldmauls
    Hammerschläge sie gespeist. Oh, sie zweifelte
    nicht an seinem Sieg. Ihm würde sie gehören.
    Salzschnabel, genannt Trinkohndurst, war zu
    häßlich in seiner dreckigen blauen Leinenhose
    und seiner dreckigen Arbeitsjacke, sah beim
    Herumhüpfen aus wie ein entsprungener Affe.
    Und sie wartete, hochrot und doch glücklich
    über die starke Hitze, und empfand Genuß
    dabei, von Kopf bis Fuß vom letzten Wuchten
    Fifines durchgerüttelt zu werden. Goujet zählte
    immer noch.
    »Und achtundzwanzig!« rief er schließlich und
    stellte den Hammer auf die Erde. »Fertig, ihr
    könnt nachsehen.«
    Der Kopf des Bolzens war blank, glatt, ohne
    jeden Abgrat, eine wahre Schmuckarbeit, rund
    wie eine in der Gußform hergestellte Kugel.
    Mit dem Kinn wackelnd, betrachteten ihn die
    Arbeiter; es war nichts daran auszusetzen, es
    war geradezu, um davor niederzuknien.
    Salzschnabel, genannt Trinkohndurst,
    versuchte zwar Witze zu machen, aber er
    faselte, er kehrte schließlich mit kraus
    gezogener Nase an seinen Amboß zurück.
    Inzwischen hatte sich Gervaise dicht an Goujet
    herangedrängt, wie um besser zu sehen.
    Etienne hatte den Blasebalg losgelassen, die
    Schmiede füllte sich abermals mit Dunkel, mit
    dem Untergang eines roten Gestirns, das auf
    einen Schlag in tiefe Nacht versank. Und der
    Schmied und die Wäscherin empfanden eine
    Süße, als sie fühlten, wie diese Nacht sie
    einhüllte in diesem vor Ruß und Feilspänen
    schwarzen Schuppen, in dem Gerüche alten
    Eisens aufstiegen; sie hätten sich im Bois de
    Vincennes51 nicht einsamer geglaubt, wenn
    sie sich auf dem Grunde einer Grasmulde ein
    Stelldichein gegeben hätten.
    Er nahm sie bei der Hand, als habe er sie
    erobert.
    Draußen wechselten sie dann kein Wort. Es
    fiel ihm nichts ein; er sagte lediglich, daß sie
    Etienne hätte mitnehmen können, wenn nicht
    noch eine halbe Stunde zu arbeiten

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