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Der Törichte Engel

Der Törichte Engel

Titel: Der Törichte Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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knurrte etwas, dann warf sie einen Blick auf den Fernseher hinter Mavis und zeigte hin. Der Ton war ausgeschaltet, aber man sah eine Wetterkarte von Kalifornien. Etwa achthundert Meilen vor der Küste drehte sich ein großer Farbfleck als ruckendes Satellitenfoto, so dass es aussah, als wollte eine Technicolor-Amöbe demnächst die Bay Area verschlingen.
    »Das ist gar nichts«, sagte Mavis. »Dem wollen sie noch nicht mal einen Namen geben. Würde es über den Bermudas hängen, hätten sie es schon vorgestern getauft. Und wisst ihr, wieso? Weil diese Dinger bei uns nicht an Land kommen. Der Scheißer wird hundert Meilen vor Anacapa Island rechts abbiegen, abwärts wandern und auf Yucatan niedergehen. Wir dagegen können wegen der Dürre nicht mal unsere Autos waschen.«
    »Wenigstens verhindert der Regen die Attacken der Sandpiraten«, verkündete Molly und zerbiss einen Eiswürfel.
    »Hä?«, sagte Lena.
    »Was hast du gesagt?« Mavis fummelte an ihrem Hörgerät herum.
    »Nichts«, antwortete Molly. »Was haltet ihr denn von Lasagne? Ihr wisst schon: ein bisschen Knoblauchbrot, ein kleiner Salat.«
    »Ja, ohne Soße und Käse könnten wir das wahrscheinlich für fünf Dollar pro Kopf hinkriegen«, sagte Mavis.
    »Lasagne finde ich nicht besonders weihnachtlich«, erklärte Lena.
    »Wir könnten sie in Weihnachtsmann-Pfannen zubereiten«, schlug Molly vor.
    »Nein!«, fuhr Lena sie an. »Keine Weihnachtsmänner! Einen Schneemann oder so was meinetwegen, aber keine gottverdammten Weihnachtsmänner!«
    Mavis beugte sich vor und tätschelte Lenas Hand. »Der Weihnachtsmann hat viele von uns befummelt, als wir klein waren, Liebes. Wenn dir dein Bart wächst, solltest du über den Scheiß hinweg sein.«
    »Ich kriege keinen Bart.«
    »Wachst du dich ab? Weil man nämlich gar nichts sieht«, sagte Molly, wollte helfen.
    »Ich habe keinen Bart«, sagte Lena.
    »Wenn du meinst, Mexikanerinnen hätten es schwer – Rumäninnen fangen mit zwölf an, sich zu rasieren«, erklärte Mavis.
    Lena nutzte die Gelegenheit, ihre Ellbogen auf dem Tresen auszubreiten und sich die Haare zu raufen.
    »Was?«, sagte Mavis.
    »Was?«, sagte Molly.
    Und dann folgte ein seltsamer Moment des Schweigens zwischen den dreien – nur das dumpfe Wummern der Jukebox im Hintergrund und die leisen Lügen der Leute. Sie sahen sich um, damit sie nichts sagen mussten, dann wandten sie sich der Eingangstür zu, als Vance McNally, Pine Coves Oberster Rettungssanitäter, hereinkam und einen langen, röhrenden Rülpser von sich gab.
    Vance war Mitte fünfzig und sah sich selbst als Charmeur und Held, obwohl er in Wahrheit eher ein Tölpel war. Seit über zwanzig Jahren fuhr er nun den Krankenwagen, und nichts bereitete ihm mehr Freude, als schlechte Nachrichten zu überbringen. Es war ein Zeichen dafür, wie wichtig er war.
    »Habt ihr schon gehört, dass die Highway Patrol Dale Pearsons Wagen oben in Big Sur am Lime Kiln Rock gefunden hat? Sieht so aus, als wäre er angeln gewesen und ins Wasser gefallen. Tja, wenn erst die Brandung von diesem Sturm da kommt, werden sie ihn nie finden. Theo ist oben und sieht sich um.«
    Lena taumelte zu ihrem Barhocker und kletterte hinauf. Sie war überzeugt davon, dass jedermann in der Bar – zumindest alle Einheimischen – sie anstarrten, um zu sehen, wie sie reagierte. Sie ließ ihr langes Haar vor dem Gesicht herabhängen und versteckte sich dahinter.
    »Dann also Lasagne«, sagte Mavis.
    »Aber keine beschissenen Weihnachtsmann-Pfannen!«, knurrte Lena, ohne aufzublicken.
    Mavis nahm die beiden Plastikbecher vom Tresen. »Unter normalen Umständen hättet ihr genug, aber wie es aussieht, solltet ihr zwei jetzt mal richtig mit dem Trinken anfangen.«

9
Einheimische haben auch lichte Momente
     
    Donnerstagmorgen war es offiziell: Dale Pearson, der böse Immobilienmakler, galt als vermisst. Theo Crowe sah sich den großen, roten Truck genau an, der dort am Lime Kiln Rock in der Wildnis von Big Sur oberhalb von Pine Cove am brandenden Pazifik parkte. Es war die Gegend, in der die Hälfte aller Autowerbefilme weltweit gedreht wurde – alles von Detroiter Minivans bis hin zu deutschen Lux-O-Cruisers wurde dabei gefilmt, wie es die Klippen von Big Sur umrundete, als müsste man nur die Leasingpapiere unterschreiben, und schon wäre das Leben eine majestätische Küstenstraße und vor einem lägen nur noch Müßiggang und Wohlstand. Dale Pearsons großer, roter Truck sah tatsächlich sorgenfrei und wohlhabend aus, wie

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