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Der Törichte Engel

Der Törichte Engel

Titel: Der Törichte Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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wird es nicht werden«, erwiderte Theo. »Ich glaube, der Sturm legt sich wieder.«
     
    Winterleugnung. Theo tat es, die meisten Kalifornier taten es – da das Wetter meist gut war, gingen sie davon aus, dass es immer gut bleiben würde, und so sah man mitten im strömenden Regen Leute ohne Regenschirm, und wenn sich die Temperaturen nachts dem Gefrierpunkt näherten, sah man immer noch jemanden in Surfershorts und kurzem Hemd an der Tankstelle stehen. Als nun also der Wetterdienst den Küstenbewohnern riet, Fenster und Türen zu verrammeln, da ihnen der schwerste Sturm des Jahrzehnts bevorstand, und obwohl der Wind den ganzen Tag mit Geschwindigkeiten um die neunzig Stundenkilometer wehte, bevor der Sturm überhaupt die Küste erreichte, setzten die Einwohner von Pine Cove ihre Weihnachtsroutine fort, als könnte ihnen nichts passieren.
    Winterleugnung: Sie war der Schlüssel für die »Kalifornische Schadenfreude« – das klammheimliche Vergnügen, das der Rest des Landes angesichts der Unbill Kaliforniens empfand. Das Land sagte: »Seht sie euch an, mit ihrer Fitness und ihrer Sonnenbräune, ihren Stränden und ihren Filmstars, ihrem Silicon Valley, ihren Silikonbrüsten, ihrer orangefarbenen Brücke und ihren Palmen. Mein Gott, wie ich diese selbstgefälligen, braun gebrannten Arschgeigen hasse!« Denn wenn du in Ohio bis zum Bauchnabel im Schnee stehst, wärmt nichts dein Herz so sehr wie der Anblick des brennenden Kaliforniens. Wenn du in der Überschwemmungszone von Fargo Schlick aus deinem Keller schaufelst, rettet nichts deinen Tag so sehr wie eine Villa in Malibu, die am Hang hinab ins Meer stürzt. Und wenn gerade ein Tornado deine Heimatstadt in Oklahoma wahllos mit Wohnwagen und Redneckschrott bombardiert hat, spendet nichts solchen Trost wie der Umstand, dass sich die Erde im San Fernando Valley aufgetan und eine ganze Pendlerkarawane mit ihren Geländewagen verschlungen hat.
    Mavis Sand gab sich selbst ein wenig der Kalifornischen Schadenfreude hin, und sie war in Kalifornien geboren und aufgewachsen. Insgeheim wünschte sie sich jedes Jahr Waldbrände und erfreute sich daran. Nicht so sehr, weil sie den Staat gern brennen sah, sondern weil es Mavis’ Ansicht nach nichts Schöneres gab, als einem kräftigen Mann im Gummianzug zuzusehen, wie er einen dicken Schlauch handhabte, und während der Brände bekam man davon in den Nachrichten reichlich zu sehen.
    »Ein Stück Kuchen?«, sagte Mavis und stellte ein verdächtig aussehendes Etwas auf einem Dessertteller vor Gabe Fenton ab, der – betrunken wie er war – versuchte, Theo Crowe davon zu überzeugen, dass er eine genetische Prädisposition für den Blues besaß, wobei er beeindruckend lange Worte benutzte, die außer ihm niemand verstand, und mit schöner Regelmäßigkeit fragte, ob ihm jemand ein »Amen« oder wenigstens »Five« geben konnte, was – wie sich herausstellte – nicht der Fall war.
    Im Angebot war nur ein Stück Obstkuchen.
    »Erbarmen! Meine Mom hat genau so einen Obstkuchen gemacht!«, heulte Gabe. »Gott sei ihrer armen Seele gnädig.«
    Gabe griff nach dem Teller, doch Theo fing ihn ab und hielt ihn so, dass der Biologe nicht herankam.
    »Erstens«, sagte Theo, »war deine Mutter Professorin für Anthropologie und hat in ihrem ganzen Leben nichts gebacken, zweitens lebt sie noch, und drittens bist du Atheist.«
    »Gibst du mir ein Amen?!«, entgegnete Gabe.
    Mit vorwurfsvoll hochgezogenen Augenbrauen sah Theo Mavis an.
    »Ich dachte, wir hätten darüber gesprochen: dieses Jahr kein Obstkuchen!«
    Letztes Jahr waren zwei Leute nach dem Genuss von Mavis’ Weihnachtstorte in der Ausnüchterungszelle gelandet. Sie hatte versprochen, dass es nicht wieder vorkommen würde.
    Mavis zuckte mit den Schultern. »In diesen Kuchen hab ich fast nichts reingetan. Nur einen Liter Rum und höchstens eine Hand voll Vicodin.«
    »Wir verzichten lieber«, erwiderte Theo und gab ihr den Teller zurück.
    »Meinetwegen«, sagte Mavis. »Aber hol deinen Kumpel von seinem Blues runter. Er ist mir peinlich. Und ich hab in einem Nachtclub mal einem echten burro einen geblasen, ohne dass es mir peinlich gewesen wäre, und das will einiges heißen.«
    »Meine Güte, Mavis«, sagte Theo und versuchte, die Vorstellung abzuschütteln.
    »Was? Ich hatte meine Brille nicht dabei. Ich dachte, es wäre ein stark behaarter Versicherungsvertreter mit extragroßem Talent.«
    »Ich bring ihn lieber nach Hause«, sagte Theo und stieß Gabe an, der seine

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