Der tolle Nick
höre! Wir werden so geheim sein, daß niemand mehr von uns hören wird!«
»Was für ein schlechter Witz! Das Unternehmen ist so verrückt, wie es nur sein kann. Verläßt dich der Mut? Dann geh zurück, es ist noch Zeit …«
Joshua plusterte sich auf. »Was soll das? Ich folge Euch bis zum bitteren Ende. Außerdem wurde mir vorhergesagt, daß ich im Bett sterben werde. Was habe ich zu befürchten?«
»Also dann: auf!« sagte Sir Nicholas lachend. »Auf, und ›unverzagt‹!«
9
Die Beglaubigungsschreiben des Chevalier de Guise machten es ihnen leicht, die Grenze zu überschreiten. Soweit Beauvallet die Dokumente entziffern konnte, hatte er aus ihnen erfahren, daß der junge Franzose ein Vetter des Duc de Guise war, und da diese Tatsache erwähnt wurde, war es wahrscheinlich, daß er noch nie zuvor in einem derartigen Auftrag nach Spanien gereist war. Beauvallet zweifelte nicht daran, daß er seine Rolle vollendet spielen konnte, aber er wußte auch, daß es um sein Leben ging. Ein Mißgeschick, ein einziger Franzose in Madrid, der den Chevalier kannte, und sein Leben war verwirkt. Dieser Gedanke ließ ihn sein Pferd noch mehr antreiben – denn nie genoß er das Leben so, als wenn er Gefahr lief, es zu verlieren. Die Sonne spiegelte sich im blitzenden Metall wider. Zwischen acht Kronen war der Name Andrea Ferrara eingraviert und darunter das treffende Motto: »Mein Biß ist fest.« Ein Degen und mein Verstand gegen ganz Spanien! trällerte Beauvallet und pfiff dann ein Volkslied. Und dann dachte er an die Frau, um deretwillen er die Reise unternahm – und die Meilen verstrichen wie im Flug.
Während der langen Tage auf den Straßen hatte er genügend Zeit nachzudenken, denn es dauerte fast zwei Wochen bis er die Tore Madrids erreichte – einer weißen Stadt, die sich auf einem Hochplateau erhebt und nach Norden hin von den Guadarrama-Bergen, nach Süden von der hohen Bergkette begrenzt wird, die das Plateau von Toledo trennt.
Die Straßen entlockten Joshua viele Flüche, während er mit dem Packpferd kämpfte. Er war schon vor Jahren einmal mit Beauvallet nach Spanien gereist, beteuerte aber, vergessen zu haben, wie unwahrscheinlich schlecht die Straßen waren. Er ritt hinter Beauvallet her und beobachtete alles mit wachen, mißtrauischen Augen. »Nichts als Schafe!« grunzte er. »Genug, um das Land leerzufressen. Du liebe Güte, ist das ein armes Land! Überall nichts als Elend, Herr. Keine Felder, keine Bauern, nichts als nackte Felsen und Sand! Und überall Schafe – die Schafe hätte ich fast vergessen, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Nennt Ihr das vielleicht eine Straße? Wir Engländer können den Spaniern einiges beibringen, scheint mir!«
»Laß deine Zunge nicht davonlaufen!« ermahnte ihn Beauvallet scharf. »Kein Wort mehr von Engländern! Ja, es ist ein wüstes Land. Wie, glaubst du, kann man hier zu Pferd am raschesten die Grenze erreichen?«
»Überhaupt nicht, ohne daß das Roß zusammenbricht. Das Land steckt ja noch im Mittelalter, möchte ich sagen. Denkt doch einmal an das schöne Haus, das Mylord in Alreston gebaut hat, und seht Euch dann diese düsteren Festungen an.« Er deutete auf ein etwas abseits von der Straße aufragendes, grimmiges Schloß und schauderte. »Nein, mir gefällt dieses Land gar nicht, Herr. Es ist böse, Herr! Glaubt meinen Worten – es ist böse!«
Sie erklommen die Guadarrama-Berge und stiegen dann auf die weite, ausgedörrte Hochebene nieder. Sie ritten Meile um Meile und sahen endlich Madrid vor sich, das sie an einem kalten Abend erreichten. Joshua saß zitternd auf seinem Pferd und beklagte sich über das extreme Klima. Während des Tages wurde er von der Sonne gebraten, so jammerte er, und abends fielen arktische Winde ein, die ihm sicher den Tod bringen würden.
Beauvallet kannte Madrid schon, fand aber, daß es seit seinem letzten Aufenthalt größer geworden war. Er suchte den Gasthof »Zur Aufgehenden Sonne« auf, der nur wenige Schritte von der Puerta del Sol lag. Es war nicht mehr notwendig, Joshua zur Vorsicht zu ermahnen. Der kleine, drahtige Bursche hatte seine Klagen eingestellt, als sie die steilen Straßen ins Stadtzentrum hinaufritten, und Beauvallet wußte, daß er alles mit viel Mut und Frechheit angehen würde. Daß er sie aus Zerstreutheit verraten würde, fürchtete Beauvallet nicht. Er sprach ein fließendes, wenn auch rauhes Französisch und ein recht gutes Spanisch. Daß er in seine Muttersprache verfallen würde, wenn er
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