Der tolle Nick
nach Worten suchte, war nicht anzunehmen.
Sir Nicholas verlangte eine Kammer und aß dort allein, wobei ihn nur Joshua bediente. »Da es äußerst unwahrscheinlich ist, Joshua, daß der französische Botschafter irgend etwas von den Briefen weiß, die ich bei mir trage, wirst du erzählen, daß ich zu meinem Vergnügen reise, Joshua. Von geheimen Dokumenten weißt du nichts.«
»Herr, was werdet Ihr mit diesen Papieren tun?« fragte Joshua beunruhigt.
Unter dem kleinen Schnurrbart verzog sich Sir Nicholas’ Mund zu einem kleinen Lächeln. »Sie Seiner Katholischen Majestät übergeben, was denn sonst?«
»Herr, Ihr wollt direkt in die Höhle des Löwen gehen?« zitterte Joshua.
»Ich kenne nur einen Löwen, Bürschchen, und der ist nicht in Spanien zu Hause«, sagte Beauvallet. »Morgen reite ich zum Alkazar. Bereite den französischen Anzug vor.« Er zog die gestohlenen Dokumente aus seinem Wams und legte sie vor sich auf den Tisch. »Und nähe mir das in ein Seidentuch ein.« Er zwinkerte. »Was, du zitterst ja noch immer? Bekreuzige dich und ruf: Jesus, hilf. Das paßt gut zu deiner Rolle!«
Der Zutritt zum Alkazar war nicht so einfach zu erlangen wie zu den Gemächern Königin Elisabeths. Es dauerte lange, und es waren viele Fragen zu beantworten, bis die Beglaubigungsschreiben des angeblichen Chevaliers weitergereicht wurden und er in dem großen, düsteren Saal allein gelassen wurde.
Er setzte sich in einen reichgeschnitzten Stuhl aus Zypressenholz und blickte interessiert um sich. Dunkler Marmor, schwerer Brokat und flämische Tapisserien, auf denen das Leben verschiedener Heiliger dargestellt war, waren überall zu sehen. Am Fuß einer breiten Treppe stand eine Bronzestatue; der Boden war mit türkischen Teppichen belegt, die dem englischen Auge fremd waren und den Klang der Schritte dämpften. Der Alkazar schien totenstill zu sein. Zu beiden Seiten der hohen Flügeltüren standen ausdruckslose Lakaien; von Zeit zu Zeit durchschritten verschiedene Personen die Halle, aber keiner sprach ein Wort. Beauvallet sah einen Höfling in Samt und Seide; eine dunkelgekleidete Gestalt, die Beauvallet für einen Sekretär hielt; einen Dominikanerpriester, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen war und der die Hände in den Ärmeln seines Gewandes versteckt hielt; einen älteren Mann, der Beauvallet neugierig anstarrte; einen Offizier der Wache und eine dahineilende Frau, vielleicht ein Hofdame.
Der hohe Saal wirkte bedrückend; die Stille hätte jeden angegriffen. Für einen Engländer war es ein Ort der düsteren Vorahnung, der verborgenen Schrecken. Es bedurfte gar nicht des Anblicks des Dominikanermönchs, um häßliche Bilder in seinem Geist auferstehen zu lassen.
Aber Sir Nicholas sah keine grauenhaften Bilder vor sich, und sein Herz schlug so ruhig wie eh und je. Ein falscher Schritt, und er würde England nie wiedersehen; aber eine fast unverschämte Kühnheit ließ ihn sicher sein, daß er keinen falschen Schritt tun würde. Vor einem Monat hatte der Marquis de Belrémy in Paris gesagt: »Mon Dieu, quel sangfroid! « Hätte er seinen Verwandten in diesem Augenblick gesehen, so wäre er noch sprachloser gewesen und hätte wahrscheinlich mit großer Überzeugung festgestellt, daß Nick auch noch im Schlund der Hölle spaßen würde.
Nach einer geschlagenen halben Stunde kam der Lakai mit einem Sekretär in langem Gewand zurück, der Beauvallet durchdringend ansah. »Ihr seid der Chevalier de Guise?« fragte er auf französisch.
Sir Nicholas schwang seine goldene Ambrakugel. Was er von den Guises wußte, ließ ihn annehmen, daß sie sich nicht um eines bloßen Schreiberlings willen erheben würden. So neigte er also nur den Kopf.
»Ihr habt Briefe an Seine Majestät?« fuhr der Sekretär fort.
Wieder neigte Beauvallet den Kopf und sah, daß er einen vorteilhaften Eindruck machte. Insgeheim dachte er: »Unsere Königin umgibt sich mit besseren Männern als diesem hier, bei Gott!« Er hatte rasch in dem Sekretär einen Parvenü erkannt.
Der Sekretär verbeugte sich ebenfalls und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich werde die Briefe Seiner Majestät übergeben, Señor.«
Beauvallet hob erstaunt die feinen schwarzen Brauen. Vielleicht glaubte er es seiner Rolle schuldig zu sein, vielleicht war es nur eine Unverfrorenheit oder einfach der Wunsch, den berühmt-berüchtigten Philipp zu sehen; wie dem auch war, er sagte sanft: »Mein Befehl, Señor, lautet, diese Briefe Seiner Majestät mit eigenen
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