Der tolle Nick
doch in Eurer Muttersprache, Chevalier. Ich spreche nur schlecht Französisch, aber es ist die Sprache der Gebildeten!« Ihr Französisch war ausgezeichnet.
»Meine Liebe, der Chevalier hoffte, Euren armen Bruder zu finden. Wir haben von dem traurigen Ereignis seines Hinscheidens gesprochen.«
Sie antwortete, ohne ihren Gemahl auch nur anzusehen. »Warum traurig, Señor? Hoffen wir, daß er den ewigen Frieden gefunden hat. Ihr habt meinen Bruder gekannt, Chevalier?«
»Nein, Madame, aber ich kannte einen seiner Freunde und hoffte, mit dieser Empfehlung mich ihm vorstellen zu können.«
»Ihr hättet ihn überhaupt nicht unterhaltsam gefunden«, sagte Doña Beatrice. »Besser, wenn Ihr mich kennt.«
Sir Nicholas verbeugte sich. »Davon bin ich überzeugt, Madame«, sagte er und dachte, daß er wahrscheinlich sogar die Wahrheit gesprochen hatte.
»Ihr müßt am Freitag zu meinem Ball kommen«, verkündete sie. »Es wird eine gräßliche formelle und langweilige Angelegenheit werden. Ihr werdet mir die Langeweile vertreiben. Es wird Euch auch nichts anderes übrigbleiben, als meinen Sohn kennenzulernen.« Sie seufzte und wandte sich wieder an Don Rodriguez. »Señor, Don Diego befindet sich irgendwo im Haus. Schickt bitte nach ihm.«
»Ich hatte schon das Vergnügen, Madame. Ich traf ihn gestern am Mentidero.«
»Dann braucht Ihr ihn nicht nochmals zu sehen«, sagte sie, als hätte sie ihn völlig verstanden. »Es ist nicht nötig, daß Ihr nach ihm schickt, Señor.«
»Aber ganz im Gegenteil, Madame, es wird mir ein Vergnügen sein.«
Einen Augenblick blickte sie ihn gerade an. Er glaubte nicht, je Augen gesehen zu haben, die so kalt, so zynisch und doch so vergnügt dreinsahen. »Señor, schickt nach Don Diego«, seufzte sie.
Nach wenigen Augenblicken kam Don Diego herein, eingehüllt in eine Wolke von Moschus. Er war Sir Nicholas gegenüber übertrieben höflich; während die beiden Männer miteinander plauderten, lehnte sich seine Mutter in ihren Stuhl und betrachtete sie mit ihrem allwissenden Lächeln.
»Der Chevalier wird an deinem Ball teilnehmen, mein Sohn«, sagte sie. »Mein lieber Chevalier, vergebt mir! Ich habe vergessen, Euch zu sagen, daß der Ball zu Ehren meines Sohnes ist. Sein Geburtstag. Ich vergesse, der wievielte es ist, aber er kann es Euch sicher sagen.«
»Das wird den Chevalier kaum interessieren, Señora«, sagte Don Diego beleidigt.
»Ich hoffe, daß ich auch Eure Nichte treffen werde, Madame«, sagte Beauvallet. »Oder erscheint sie noch nicht in der Öffentlichkeit?«
Don Diego sah böse drein; Doña Beatrice fächelte sich weiter Luft zu. »Sie wird anwesend sein«, sagte sie ruhig.
Es fiel Beauvallet auf, daß beide Männer sie erstaunt ansahen, doch schien sie das nicht zu bemerken. Er stand auf, um sich zu verabschieden, küßte ihre Hand und wurde hinausgeleitet.
Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, zuckte Don Diego verärgert die Schultern und trat dann ans Fenster:
»Warum müßt Ihr ihn für Freitag einladen?« fragte er. »Gefällt er Euch denn so gut? Er stolziert herum, als gehöre ihm ganz Madrid.«
»Ich dachte, daß er mich vielleicht unterhalten könnte«, antwortete seine Mutter. »Ein sehr gewinnender junger Mann. Es amüsiert mich sehr, dich so in den Hintergrund treten zu sehen, mein Sohn.«
Don Rodriguez fiel ein: »Wie könnt Ihr das sagen? Diego ist ein echter Caballero, der beste in Madrid, darauf könnte ich einen Eid schwören. Seine Manieren, sein Auftreten –«
»Exquisit. Ich habe ihn nie anders gesehen und fürchte, daß ich ihn auch nie anders sehen werde.«
»Señora, ich kann nicht behaupten, daß ich Euch verstehe«, sagte Don Diego mit einem kurzen Auflachen.
Sie stand auf. »Wie solltest du auch? Du solltest dich in ein Gemälde zurückziehen, Diego; in ein Gemälde mit sanften Linien und graziösen Figuren. Der Chevalier könnte sich in so einem Gemälde keinen Augenblick ruhig verhalten.« Sie ging und kicherte leise vor sich hin.
Vater und Sohn sahen einander an. »Deine Mutter hat – einen seltsamen Humor«, meinte Don Rodriguez schwach.
»Meine Mutter«, erwiderte Don Diego gereizt, »liebt es, wenn man sie für rätselhaft hält. Sie behauptet, daß Doña Dominica kommen wird, aber wird sie das wirklich tun?« Er öffnete die kleine Dose mit Süßigkeiten, die er stets bei sich trug, und steckte ein Bonbon in den Mund. »Wenn sie zustimmt, wäre es das erste Mal.«
»Überlaß das deiner Mutter. Sie ist – sie
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