Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der tolle Nick

Der tolle Nick

Titel: Der tolle Nick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
Vom Netzwerk:
vorausgesetzt, die Pflanze trüge das Gewicht eines Menschen. Das war alles, was Sir Nicholas ausfindig machen konnte. Es war herzlich wenig. Er ging in sein Gefängnis zurück, setzte sich ans Fenster und schrieb einen unschuldigen Brief an seinen andalusischen Freund.
    Unter Umständen hätte es auffallen können, daß der Chevalier eigentlich immer am Fenster stand oder saß. Die Wachen dachten sich jedoch nichts dabei. Auf der Straße war ohnehin wenig genug zu sehen, und der arme Herr hatte ja sonst nichts, womit er sich hätte beschäftigen können, bis ihm der Gouverneur einige Bücher schickte. Aber auch lesen kann man ja schließlich nicht den ganzen Tag.
    Sir Nicholas, der die Straße unter seinem Fenster beobachtete, hatte in dem bescheiden aussehenden, glattrasierten Menschen, der langsam auf der gegenüberliegenden Straßenseite dahinschlenderte, nicht gleich seinen Prahlhans von einem Diener erkannt. Die scheinbar ziellosen Blicke, die dieser Mensch, der wie ein Beamter aussah, auf das Haus richtete, erregte allerdings seine Aufmerksamkeit. Er runzelte die Stirn.
    Joshua stand nun genau gegenüber dem Fenster und blickte wieder nach oben. Beauvallets Züge glätteten sich, er hob die Hand und gab Joshua ein Zeichen. Der Diener blickte sich um. Es war niemand zu sehen. Er blieb ruhig stehen und war offensichtlich erfreut. Sir Nicholas strich sich mit der Hand über den Bart und über die Spitzen seines Schnurrbartes und löste damit größte Bekümmerung aus. Er selbst lachte.
    »Ach«, jammerte Joshua leise. »So wird man also behandelt! Also wahrlich, Herr, ist dies der Augenblick, zu scherzen? Das geziemt sich doch wahrhaftig nicht! Gott sei Dank geht es Euch gut und Ihr seid offenbar guter Laune. Spotten könnt Ihr also noch immer!« Er schüttelte bekümmert den Kopf. »Ihr seid wirklich unverbesserlich. Nun müßte ich Euch aber einiges mitteilen. Nur wie?« Er sah einen Mann um die Ecke kommen und bückte sich, als wolle er einen Stein aus seinem Schuh entfernen. Danach ging er weiter, bis der Mann um die andere Straßenecke gebogen war, und kam darauf rasch zurück. Hinaufrufen konnte er zu dem Fenster nicht, das stand fest. Er legte den Kopf schief und überlegte. Die Straße war noch immer menschenleer, als er wieder unter Beauvallets Fenster trat. Nun begann er, seinem Herrn eine Pantomime vorzuspielen. Don Diego stellte er dar, indem er mit kleinen Schritten trippelte, an einer imaginären Rose roch und sich überschwenglich verbeugte. Sir Nicholas lächelte und nickte. Joshua stellte nun dar, wie er sich rasch aufs Pferd warf und in Eile davonritt.
    Nach Beendigung seiner Vorstellung blickte er fragend nach oben. Sir Nicholas hatte wieder die Stirn gerunzelt. Er zeichnete mit dem Finger ein großes »V« in die Luft und blickte fragend auf seinen Diener. Joshua nickte heftig und machte seinem Herrn Zeichen, die ausdrücken sollten, er möge sich beeilen.
    Daß Sir Nicholas mehr oder weniger verstand, was er damit sagen wollte, war deutlich zu sehen. Er bedeutete Joshua zu verschwinden und begann, in Gedanken versunken, in seinem Zimmer auf und ab zu gehen.
    Wenn Dominica bereits nach Vasconosa abgereist und Diego ihr knapp auf den Fersen war, ließ dies nichts Gutes ahnen. Sir Nicholas hatte sich damit zufriedengegeben, bis Dienstag oder auch noch etwas länger in seinem Gefängnis zu bleiben, da ihm ein Ausbruch nichts genützt hätte, solange sich Dominica noch in Madrid befand. Im Gegenteil, damit wäre alles verloren gewesen. Wenn er einmal aus diesem Gefängnis ausgebrochen war, konnte er nichts anderes tun, als so rasch wie möglich aus Spanien zu verschwinden. Er hätte dann keine Zeit mehr, irgendwelche Schritte Dominicas abzuwarten. Die neue Entwicklung änderte allerdings einiges an der Situation. Sir Nicholas setzte sich auf sein Bett und strich sich gedankenverloren den Bart.
    »Hütet Euch vor Beauvallet, wenn Ihr ihn so seht!« hätte Joshua Dimmock gesagt. Die kastilische Garde war mit seinen Gepflogenheiten allerdings nicht so vertraut. Er begann, Pläne zu schmieden, Ränke zu spinnen. Ein Fehlschlag würde die Preisgabe seiner wahren Identität bedeuten. Er wußte genau, was ihn in diesem Fall erwartete, zuckte aber nur die Schultern und sog den Duft seiner Ambrakugel ein.
    Während er so dasaß, entwickelte er einen Plan. Er war tollkühn genug und entsprach seinem Sinn für Humor. »Also, Nick«, sagte er zu sich selbst. »›Unverzagt‹ wird also wieder unser

Weitere Kostenlose Bücher