Der tolle Nick
es aussieht. Die Waffen allein, die dort drüben untergebracht sind, nehmen schon sehr viel Platz ein; dort ist kein Raum mehr für Quartiere, und auf dieser Höhe befinden sich ja auch die Räume der Wachen.«
»Auf einer Seite des Gebäudes müßten sich doch leicht hundert Mann unterbringen lassen«, widersprach Sir Nicholas. »Bei vier Seiten – ach, die Einfahrt ist ja auch auf dieser Seite, also drei Seiten für je hundert Mann.«
»Nein, nein, Ihr dürft den Gouverneur nicht vergessen«, sagte der Soldat.
»Ach, richtig«, meinte Sir Nicholas, »ich habe vergessen, daß er ja auch hier wohnt.« Er machte ein bedauerndes Gesicht. »Hoffentlich gefällt es ihm. Ich finde dieses Haus nicht sehr einladend.«
»Ihr habt ja auch Pech, Señor«, wurde er aufgeklärt. »Der Gouverneur hat einen hübschen Garten und viele schöne Räume, das kann ich Euch sagen!«
Sir Nicholas wechselte das Thema. Die Anlage der Wohnung des Gouverneurs und die genaue Lage seines Gartens waren alles, was er wissen sollte, und das würde er auf seine Art schon noch herausfinden. Er beklagte sich über die sengende Hitze und beendete seinen Spaziergang. Als Don Cristobal ihm etwas später einen Besuch abstattete und sich erkundigte, ob der Chevalier seinen Spaziergang absolviert hätte, dankte ihm Sir Nicholas, fügte aber hinzu, daß er in Hinkunft wohl eher auf dem Gang werde bleiben müssen.
»Da unten ist es ein wenig zu heiß, Señor. Ich wünschte wirklich, daß sich der Bote von Monsieur de Lauvinière etwas beeilen möge!« Er sah Don Cristobals besorgten Gesichtsausdruck und lächelte. »Schaut nicht so besorgt drein, Señor. Ich werde mich eben mit dem Gang begnügen, und außerdem kann diese Einkerkerung ja nicht mehr Wochen dauern!«
»Chevalier, Ihr habt recht! Die Sonne brennt wirklich zu stark in diesem Hof. Aber ich glaube nicht, daß es etwas dagegen einzuwenden gäbe, wenn Ihr Euren täglichen Spaziergang in meinem Garten machtet. Ich werde dafür sorgen.«
»Das ist zu liebenswürdig, Señor. Nein, nein, der Gang tut es auch. Ich möchte nicht als Eindringling in Euren Garten kommen!« sagte Beauvallet.
»Doch nicht als Eindringling! Betrachtet es als abgemacht. Ich bin für Euer Wohlergehen verantwortlich, und man hat mir versichert, daß Seine Majestät unbedingt wünscht, Euch diese unglückliche Zeit so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«
Beauvallet schien zu überlegen. Er zog einige Münzen aus der Tasche und schnitt ein saures Gesicht, als er sie anblickte. »Seht zu, daß Ihr dieses Dieners habhaft werdet, Señor; dafür wäre ich Euch zu größtem Dank verpflichtet. Aber ich glaube, ich habe noch genügend Geld, um mir einige Kleinigkeiten kaufen zu können. Wenn es gestattet ist, werde ich mir mit einigen Büchern die Zeit vertreiben. Ich weiß auch nicht, ob ich an meine Freunde schreiben darf.«
Don Cristobal zögerte. »Ich bedaure, Señor, aber ich wäre verpflichtet, alle Botschaften, die Ihr aus diesem Haus schicken wollt, zu lesen.«
»Ach, Ihr könnt selbstverständlich lesen, was ich schreibe«, antwortete Sir Nicholas.
»Ich werde Euch Tinte und Papier bringen lassen«, versprach Don Cristobal und zog sich zurück.
Am folgenden Vormittag wurde Beauvallet in die Unterkunft des Gouverneurs geführt. Man ging über dieselbe Treppe wie am Tag zuvor und durch die Tür, die er an der gegenüberliegenden Seite der Einfahrt gesehen hatte. Sie führte in eine große Halle, die sehr reich möbliert und mit Vorhängen aus schweren Stoffen und Stühlen mit italienischer Intarsienarbeit geschmückt war. Auf der anderen Seite der Halle führte eine Tür in den von Bäumen überschatteten Garten. Durch diese Tür traten sie hinaus.
Sir Nicholas nahm an, daß hinter der Mauer die Straße verlief, wie auf der anderen Seite des Gebäudes. Die Mauer war hoch, aber nicht glatt, und zwei Spalierbäume rankten sich an ihr empor. Mit Hilfe eines Seiles wäre diese Mauer durchaus zu überwinden. Im Notfall konnte man es auch ohne Hilfe versuchen, das Risiko wäre dabei allerdings größer. In den Garten konnte man offenbar nur durch diese eine Tür gelangen.
Sir Nicholas betrachtete die Außenseite des Gebäudes genau. Die Fenster waren hier vergittert, und die Wand war auf der einen Seite dicht mit Glyzinien bewachsen. Wenn man in einen der Räume im oberen Stockwerk gelangen könnte, wäre es durchaus möglich, die Mauer an dieser Glyzinie hinunterzuklettern,
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