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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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an dem Blut klebte, eine zerknüllte Decke. Lunau grub sein Gesicht hinein und nahm Saras Geruch wahr. Dann sah er die beiden Kisten, auf denen eine Holzbohle lehnte. Darüber die geöffnete Luke. War es möglich, dass Sara durch diese Luke entkommen war?
    Draußen fand Lunau Spuren von Saras Badelatschen. Sie führten zu einem abgeernteten Maisfeld. Lunau sprang über einen Bewässerungsgraben und folgte den Fußabdrücken zwischen den vertrockneten Strünken. Plötzlich riss die Spur ab. Mitten im Feld war eine zertrampelte Stelle, von der keine Spur weiterführte.
    Lunau hörte nur die Grillen, hin und wieder ein Rascheln im trockenen Gras. Eine leichte Brise fing sich in seinen Ohrmuscheln. Hatte Sara hier gelegen und gewartet? Und dann? Er suchte den Horizont nach Scheinwerfern ab. Wo waren Michaels Kumpane?
    Lunau rannte zurück zur Halle, wo Michael reglos auf der Seite lag. »Komm schon«, sagte Lunau, hobdessen Kopf und drückte ihm eine Tafel Traubenzucker zwischen die Zähne. »Mach den Mund auf.« Michael reagierte nicht. Lunau gab ihm ein paar Ohrfeigen, goss Wasser über ihn, aber die Kaumuskeln waren so verhärtet, dass er den Kiefer nicht öffnen konnte. Lunau hatte keine Zeit. Er hatte Angst. Am liebsten hätte er mit dem Hocker auf Michael eingedroschen. Er lief zu einem Kühlschrank, holte eine Dose Cola, löste ein paar Tafeln Traubenzucker darin auf und flößte Michael die Flüssigkeit ein. Dieser schlug seine großen blutunterlaufenen Augen auf.
    »Wer hat dir gesagt, dass Joy bei mir war?«, fragte Lunau.
    Michael reagierte nicht.
    »Wen hast du mit ›meiner kleinen Schlampe‹ gemeint? Sara?«
    Michael drehte langsam den Kopf auf seinem Hals. War das ein Nein?
    »Wen?«
    Michael schloss wieder die Augen. Da hörte man das Prasseln von Autoreifen auf dem Schotter. Lunau sah sich nach einem Hinterausgang um. Den gab es nicht. Er warf Michael noch eine Packung Traubenzucker in den Boxring und rannte zum Rolltor. Der BMW kam, eine rote Staubwolke hinter sich her ziehend, über den Feldweg. Lunau rannte auf die Rückseite der Lagerhalle, suchte vergeblich nach Deckung und setzte über einen Graben. Aber die Felder waren allesamt abgeerntet oder mit Niedrigpflanzen bestellt. Er rannte über ein Salatfeld, kam an den nächsten Bewässerungskanal,kauerte sich hinter eine Trauerweide und wartete. Die Männer schienen mit Michael beschäftigt zu sein.
    Lunau bekam Schüttelfrost. Die Angst, die Wut, der ganze Irrsinn, dem er sich hingegeben hatte, fielen von ihm ab und schlugen in einer Welle wieder auf ihn ein. Er sah Bilder wie hart geschnittene Filmszenen. Den Eimer, in den Sara ihre Notdurft verrichtet hatte, Michaels glatte Brust, auf der sich die Muskelstränge abzeichneten, während die Stablampe gegen Lunaus Schläfe krachte. Sich selbst, wie er da stand, als wollte er einen Holzscheit spalten. Hätte er wirklich auf den Kopf des wehrlos auf dem Ringboden liegenden Michael geschlagen? Er erinnerte sich an die unbändige Lust, die er verspürt hatte. Hatte er nicht gehofft, Michael würde ihm einen Grund geben, um tatsächlich zuzuschlagen?
    Er schüttelte sich, suchte den Horizont ab, sah nur die fernen Lichter des Dorfes Longastrino und hoffte, dass er die Insulindosis richtig kalkuliert hatte. Dann würde der Traubenzucker Michaels Stoffwechsel wieder in Gang setzen. Sonst konnte der hypoglykämische Schock tatsächlich zu Hirnschäden und zum Tod führen.
    Lunau ging einen weiten Bogen um das Gelände mit den Hallen, fand seinen Wagen, startete den Motor und fuhr los. Als er die Asphaltstraße hinter dem Maisfeld erreichte, schaltete er die Scheinwerfer ein.
    Lunau suchte die Straßen und Feldwege ab, von Sara keine Spur. Er fuhr in das Dorf Longastrino, ließ das Auto durch die Gassen rollen. Nichts.
27
    Vor dem Tor der Ferienanlage standen zwei Streifenwagen, deren Blaulicht suchend über die weißen Fassaden sprang. Lunau lief durch die Pforte und über den Rasen, der zwischen den Ferienhäuschen lag, und riss die Tür auf. Seine Rippen stachen bei jedem Atemzug.
    Da war das Sofa. Da war Silvia. Und auf ihrem Schoß saß, die Arme um ihren Hals geschlungen, Sara. Ihre Handgelenke waren verbunden. Silvia weinte. Vor dem Sofa standen vier Polizisten in Uniform und einer in Zivil. Balboni, mit seinem breiten Schädel. Nur Mirko fehlte.
    Balboni drehte sich um, betrachtete Lunau und zog eine Augenbraue hoch. Er nickte bedeutsam, tadelnd und kränklich. Auch die anderen Beamten starrten Lunau

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