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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Schlüssel?«
    Michael verdrehte die Augen, Richtung Rolltor. Dort hing ein grauer Kasten. Lunau brauchte nur wenige Sekunden, dann hatte er den Schüssel in der Hand und stand vor der Eisentür.
    »Sara«, rief er, »ich bin’s, Kaspar.« Er schlug mit der flachen Hand dagegen, aber nichts tat sich.
    Er schob den Schlüssel ins Schloss.
    Er passte.
    Er öffnete die Tür.
    Der Raum war leer.
25
    Amanda saß auf dem Boden, mit dem Rücken gegen die Bettkante gelehnt. Das Display ihres Handys war schon lange wieder erloschen, der Name verschwunden. Aber nicht vor ihrem inneren Auge: »Kaspar Lunau.«.Vier Mal hatte das Telefon zu vibrieren angefangen, war über die Bodenfliesen gekrochen, aber sie hatte es nicht angefasst. Sie konnte einfach nicht. Wo mochte Kaspar jetzt sein? Und Sara?
    Ihr war übel vor schlechtem Gewissen, aber was hätte sie tun können? Sie hatte einen Eid abgelegt, und auch ohne den Eid hätte sie sich an ihr Versprechen gehalten.
    Durch die Ritzen des alten Holzrollladens sah sie die Autoscheinwerfer, die sich durch die Via Porta Mare tasteten. Ein Betrunkener grölte unten auf der Straße ein faschistisches Lied, eine Flasche klirrte.
    Joy stöhnte im Schlaf.
    Amanda legte ihr eine Hand auf den Rücken und spürte den Muskelstrang an der Wirbelsäule, das Schulterblatt. Sie fühlte sich auf eine merkwürdige Art zu diesem Menschen hingezogen und bedauerte, dass Joy auf ihre Hilfe angewiesen war. Diese Abhängigkeit brachte einen falschen Ton in ihre Freundschaft, er war wie ein Vorhang, den man am Rand einer Szene sieht und der einen daran erinnert: Alles nur gespielt. Die Wirklichkeit findet woanders statt.
    Seit acht Jahren hatte Amanda keine echte Freundin mehr gehabt, seit sie sich mit Beatrice, die sie für denwichtigsten Menschen in ihrem Leben gehalten hatte, verkracht hatte. Warum? Weil diese angeblich auf dem Klo beim Rauchen zu Anna aus der letzten Reihe gesagt hatte, Amandas Vater sei ein bourgeoises Arschloch. Kaum zu begreifen, dass sie, Amanda, wegen einer solchen Nichtigkeit, wegen einer Aversion, die sie in Wahrheit teilte, eine Freundschaft aufgegeben hatte. Aber vielleicht war eben auch diese Freundschaft nichtig gewesen.
    Wenige Monate später hatte sie Marco kennengelernt.
    Und jetzt Joy.
    Ein gellender Schrei fuhr durch die Finsternis, dann noch einer. Es waren die Schreie einer Frau, die durch die Wand drangen.
    Joy fuhr hoch und rief etwas in einer fremden Sprache.
    »Pst«, sagte Amanda, »alles in Ordnung, das ist Nadia. Ich geh mal nachsehen.«
    Amanda spürte eine Hand, die sie am Arm fasste. »Nein, bitte nicht«, flüsterte Joy.
    Sie lauschten in die Stille.
    »Sie hat sich schon wieder beruhigt«, flüsterte Amanda.
    »Ich glaube nicht, dass ich hier jemals schlafen kann«, sagte Joy.
    »Du hast schon geschlafen.«
    »Stimmt nicht«, erwiderte Joy.
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    Da fing Joy zu lachen an, auf diese unbändige, ansteckende Weise, die in keinem Verhältnis zu ihrem Auslöser zu stehen schien.
26
    »Wo ist Sara?«, schrie Lunau und rüttelte Michael an den Schultern.
    »Was war in der Spritze? Gift …?«, lallte dieser. Nun war sein Blutzuckerspiegel doch so weit gefallen, dass er die Kontrolle über seine Muskeln verlor.
    »Nein. Insulin.«
    Michaels Augäpfel drehten sich nach oben. »Ich … Du musst … Hilf mir … Spritz mir ein … Gegenmittel.«
    »Wo ist Sara?«
    Michaels Pupillen waren verschwunden, seine Extremitäten zuckten. Der hypoglykämische Schock ließ seine Muskeln verkrampfen und würde in Kürze das Gehirn lahmlegen.
    »Wenn du mir sagst, wo Sara ist, bekommst du das Gegenmittel. Wenn nicht, fällst du ins Koma, und dein Gehirn ist im Eimer.«
    Michael versuchte, sich zur Seite zu rollen, mit den Zähnen an Lunaus Hosenbein zu kommen, aber immer wieder schnurrte er zusammen wie eine Raupe.
    »Wo ist Sara?«, schrie Lunau ihm ins Ohr. Er fasste Michaels Kopf, zog ihn zu sich heran und wiederholteimmer wieder: »Wo ist sie?« Lunau nahm die Stablampe, spürte das vertrauenerweckende Gewicht in den Händen und hob sie wie ein Beil über Michaels Kopf.
    Michael versuchte, in irgendeine Richtung zu deuten. Lunau löste die Fessel, und Michaels Arme flogen nach vorne. Er winkelte die Extremitäten an wie ein Fötus.
    »Wo? Im Anbau?«, schrie Lunau. Michael nickte in abgehackten Bewegungen.
    Lunau trat wieder in den kahlen Raum und schaute sich um. Es roch nach Urin und Mäusedreck. Am Boden lagen ein Plüschtier, ein Kabelbinder,

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