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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Ansprache, in der er erklärte, dass er eine Reportage über die sozialen Probleme der Immigrationschreibe, und zeigte das Foto von Meseret vor. Zwei Männer bestätigten, dass sie den Schwarzen gesehen hatten. »Und den hier?« Lunau zeigte ein Bild von Michael. Die Männer schauten skeptisch. »Irgendwie sehen die alle gleich aus.«
    »Haben Sie Meseret einmal mit jemandem streiten sehen?«
    »Was soll das heißen?«, fragte einer der Alten. »Wollen Sie uns jetzt unterstellen, dass wir hier fremdenfeindlich sind?«
    »Nein, ich meinte eigentlich, dass die Schwarzen untereinander gestritten hätten.«
    »Wir lassen uns von der Presse nicht das Wort im Mund umdrehen.«
    Beifälliges Gemurmel war zu hören. Niemand der Gäste in der Bar wollte Michael Duhula je gesehen haben.
    Lunau fuhr unverrichteter Dinge zurück Richtung Lido degli Estensi.
33
    Als er an seine Ferienwohnung kam, saß da Oba mit seinem ondulierten, glänzenden Haar. Lunau war erleichtert, dass er, wenn er Licht in der weißgetünchten Wohnung machen würde, nicht alleine war, dass er mit jemandem reden, dass jemand in einem Bett schlafen und morgens über die Fliesen gehen würde. Oba sprang auf und kam auf das Auto zu. »Es ist nach Mitternacht.«
    »Tut mir leid.«
    Sie luden stumm den Kofferraum aus, und Lunau zeigte Oba sein Zimmer. Die Wohnung hauchte bereits einen fremdartigen Geruch aus.
    »Ich muss dir ein Bett beziehen.«
    »Nicht nötig.«
    Lunau sah, dass Silvia in der Eile die Bettwäsche der Kinder vergessen hatte. Er zog Saras Laken mit den fallschirmspringenden Häschen ab, dann Mirkos Inter-Mailand-Set. Er roch an dem Stoff, an dem der Duft der Sonnenmilch, des Kindershampoos und der Sommerschweiß der Kinder haftete. Er blieb einen Moment reglos stehen, wartete darauf, dass das Ziehen nachließ, überlegte, ob er die Laken bei sich behalten sollte und stopfte sie in einen Müllsack, bezog das Bett frisch und belud die Waschmaschine in der Küche.
    Oba stellte die Einkaufstaschen mit seinen Habseligkeiten neben das Bett und sah Lunau an.
    »Ist das Zimmer okay?«
    Oba nickte und sah Lunau weiter an. Dieser nahm wieder den merkwürdigen Geruch wahr. Nach einem Reinigungsmittel. Zuerst hatte er gedacht, es seien die Folgen von Silvias Wohnungsputz, aber den Geruch schien Oba mitgebracht zu haben. Sie blickten einander an, Oba rührte sich nicht.
    »Was ist?«, fragte Lunau.
    »Ich weiß, es ist spät, aber haben Sie etwas zu essen?«
    »Sicher. Ich habe selbst nur ein belegtes Brötchen gegessen.«
    Lunau kochte eine Pasta. Sie setzten sich an den kleinen Küchentisch und schaufelten das Gericht in sich hinein. Lunau öffnete eine Flasche Wein und schenkte sich ein.
    »Du bist Moslem, oder?«
    »Nein. Christ. Meseret war Moslem.«
    Lunau gab Oba von dem Wein und sagte: »Erzähl mir von euch.«
    »Wir kommen aus Nachbardörfern.«
    »Das eine muslimisch, das andere christlich?«
    »Wie bei euch in Deutschland. Ein Dorf ist evangelisch, das daneben katholisch.«
    Lunau war nicht sicher, ob das stimmte. Er stammte aus Berlin, aus einem Musikerhaushalt, in dem Religion keine große Rolle spielte. »Woher weißt du das?«, fragte er.
    »Mein Cousin wohnt in Bayern.«
    Meseret war in Djifèr, Oba in Palmarin aufgewachsen. Eine zwölf Kilometer lange Landzunge verband die beiden Küstenorte, bis ein Sturm sie 1991 wegspülte. Aber Oba und Meseret sahen sich auf dem Wasser, wenn sie mit ihren Vätern zum Fischen rausfuhren, und sie blieben Freunde.
    »Als die großen Trawler aus Europa und Japan auftauchten, war es mit unserer Arbeit vorbei. Wir fingen so wenig, dass wir nicht einmal mehr den Sprit bezahlen konnten.«
    »Und deshalb habt ihr beschlossen, nach Europa auszuwandern?«
    Oba nickte.
    »Warst du mit Meseret hier auch fischen?«
    »Nein. Er ist nur zwei, drei Mal mit einem Italiener zum Dorschfang rausgefahren, aber das brachte auch nichts ein außer Ärger.«
    »Was für Ärger?«
    »Es war angeblich verboten. Es gab hohe Strafen.«
    »Wie hat Meseret sein Geld verdient?«
    »Wie wir alle.«
    »Eben nicht. Er hatte viel mehr Geld als ihr, obwohl er seine Waren nicht verkaufte.«
    »Wie meinen Sie das?« Oba hielt die Gabel vor sein Gesicht und sah die Nudeln an.
    »Er hat seine Waren nicht abgesetzt, sondern in der Garage gehortet.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »War er denn ein guter Verkäufer?«
    Oba stocherte nach dem nächsten Bissen, druckste herum, dann sagte er: »Na ja, er war nicht sehr gewissenhaft, kam oft zu spät,

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