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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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»Du kannst eine Weile bei mir unterkommen.«
    Oba schaute ungläubig. »Meinen Sie das ernst?«
    Lunau nickte.
    »Umsonst?«
    »Ja.«
    »Ich denk drüber nach.«
    Lunau hatte mit mehr Begeisterung und Dankbarkeit gerechnet. Er lud Meserets Sachen in sein Auto und dachte wieder an die leere Wohnung am Meer. Als er den Motor starten wollte, kam Oba aus dem Haus. Er trug mehrere Taschen und Plastiktüten. »Wo genau wohnen Sie?«
    »Am Lido degli Estensi.«
    Oba stand da und überlegte. »Okay. Ich muss noch mal zur Arbeit.«
    »Jetzt?« Lunau sah auf die Uhr. Es war halb neun vorbei.
    »Ja, jetzt. Ich habe einen neuen Zweitjob.«
    »Wo?«
    »Wieso wollen Sie das wissen?« Obas Stimme hatte unwirsch geklungen.
    »Ich könnte dich ein Stück mitnehmen.«
    Der Schwarze schüttelte den Kopf. »Besser nicht. Können Sie das dafür einladen?«
    Lunau entriegelte den Kofferraum, und Oba verstaute sein Hab und Gut. »Die Adresse?«
    Lunau schrieb sie ihm auf einen Zettel.
    »Ich brauche auch einen Schlüssel.«
    »Der liegt in der Wohnung. Komm nach der Arbeit vorbei.«
    »Das wird spät. Bestimmt Mitternacht.«
    »Kein Problem. Ich werde da sein.«
    Lunau betrachtete Oba im Rückspiegel und bewunderte seinen Gleichmut. Er stand auf der Straße, ohne Wohnung, sein Besitz rollte in einem fremden Kofferraum davon, er war den ganzen Tag durch die Sonne gelaufen, hatte einen Umzug organisiert, und jetzt wandte er sich seinem Nebenjob zu. Wahrscheinlich wieder mit dem Fahrdienst, für den er fünf Euro bezahlen musste. Ein Drittel oder Viertel seines Tagesverdienstes.
    Lunau startete den Motor und fuhr Richtung Bosco Mesola. Er war sicher, dass Michael in dieser Wohnunggewesen war, auch wenn die Polizei behauptete, es gebe keine Spuren. Irgendetwas an dieser Wohnung war verstörend gewesen. Etwas, das über den Geruch von frischer Farbe, diesen halbfertigen Zustand hinausging. Lunau parkte vor dem gelben Mehrfamilienhaus, das im Licht der Straßenlaternen fröhlich leuchtete. Eine junge Frau schüttelte gerade das Tischtuch aus und verriegelte das Fenster. Ein Mann sah rauchend seinem Hund zu, der neben einem Baum sein Geschäft verrichtete. Lunau schloss die Haustür auf und ging an den Briefkästen vorbei ins Treppenhaus.
    Die Polizei hatte Meserets Wohnung zwar nicht versiegelt, aber tatsächlich erkennungsdienstlich behandelt. An Klinken, Lichtschaltern und Türstöcken hing das graue Pulver, mit denen man Fingerabdrücke gesichert hatte. Darüber klebte eine transparente Folie. Wenn Michael hier gewesen war, dann hatte er Handschuhe getragen. Ein Indiz mehr, dass er ein Verbrechen geplant hatte. Lunau stellte sich in den Flur, atmete den schweren Geruch von Wandfarbe ein, betrachtete den Wasserdampf auf den Fenstern, hörte leise den Stromzähler in seinem Kasten sirren, den Aufzug, der mit einem kurzen Knacken auf demselben Stockwerk stehenblieb.
    Was übersah Lunau?
    Er fotografierte die Küche, das Bad, den Flur und die beiden Zimmer. Dann betrachtete er die Fotos. Pistaziengrün. Sonst konnte er nichts entdecken.
    Er nahm sich mögliche Verstecke vor. Kontrollierte den Spülkasten im Bad, die Hohlrohre des Bettgestellsund der Küchenstühle, den Inhalt von Zucker- und Kaffeedosen. Er sah in die Ritzen hinter der Gastherme, hinter Sockelleisten und Hängeschränke, er betastete die Unterseiten von Möbelstücken und klopfte Boden, Fliesen und Wände nach Hohlräumen ab. Nichts.
    Er setzte sich auf die Klobrille und dachte nach. Er betätigte die Spülung, denn das Rauschen des Wassers half ihm beim Denken. Diesmal nicht. Seine Fragen blieben unbeantwortet. Woher hatte Meseret das Geld, eine zweite Wohnung zu mieten?
    Als Lunau die Wohnungstür wieder abschloss, fielen ihm am Bund zwei kleine Schlüssel auf. Der eine musste der Briefkastenschlüssel sein, und der andere? Ein Fahrradschlüssel? Aber wo war das Fahrrad?
    Er ging hinunter ins Foyer und suchte eine Kellertür. Fehlanzeige. Er ging durch die Hintertür und kam in einen gepflasterten Innenhof, dessen Rückfront durch eine Reihe von Garagen gebildet wurde. Lunau sah die Nummer 9, dieselbe Nummer, die neben Meserets Wohnungstür klebte.
    Er führte den Schlüssel ein. Er passte. Er öffnete einen der blechernen Türflügel und hörte es rumpeln und scheppern. Ein Turm aus Handtaschen und Badetüchern war ins Rutschen geraten und hatte mehrere Stellkästen umgeworfen. Darin befanden sich Schmuckstücke aus Halbedelsteinen und Holz. Lunau tastete nach einem

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