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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Bohren in den Schläfen vertreiben   …
    Der Laternenträger blieb so abrupt stehen, dass Müllerjohannihm nahe genug kam, die Ausdünstungen des Körpers unter der groben schwarzen Jacke zu riechen.
    «Hört Ihr?», fragte er. Seine tiefe Stimme klang im Flüstern dumpf. «Schritte.»
    Müllerjohann lauschte in die Nacht. Irgendwo knarrte ein alter Fensterflügel oder eine Tür, ein Hund jaulte leise, vielleicht war es auch ein Kind. Sonst nichts. Hinter einigen Fenstern sah er noch den dünnen Schein einer Kerze, und obwohl die Feuer längst zur Nacht niedergebrannt und die Glut abgedeckt war, roch es nach dem Rauch von Holz und Torf. Ein wenig auch nach den Pferden aus dem nahen Marstall des Rats.
    «Da ist nichts», sagte er und merkte, dass auch seine Stimme nur ein Flüstern war. «Geh weiter.» Er begann sich schläfrig zu fühlen und wollte endlich nach Hause.
    «Wie Ihr meint», murmelte der Träger und bog in die Lilienstraße ein. In keinem der alten, vier oder gar fünf Stockwerke hoch aufragenden Häuser brannte noch ein Licht. Müllerjohann war ungezählte Male durch diese Gasse gegangen, am Tag wie in der Nacht. Nie war sie ihm so schmal und dunkel erschienen wie jetzt. Der unebene, von Karrenrädern zerfurchte Boden ließ seine von plötzlicher Müdigkeit schweren Füße stolpern. Waren da nicht tatsächlich Schritte, leise und schleichend? Bewegten sich da nicht Schatten in der Hofeinfahrt hinter der Werkstatt des Ofensetzers? Das war nur sein müder Kopf, in dem neuer Schmerz lauerte. Majorantee, morgen würde er Majorantee trinken und im November, wenn die Wirte der Logierhäuser weniger unverschämt waren, zur Kur nach Lauchstädt fahren oder   …
    «Da ist jemand, Herr», flüsterte der Laternenträger angstvoll, «kommt schnell. Hier ist es sicherer.» Müllerjohann stolperte dem schwankenden Licht in einen kaum schulterbreitenGang nach, den die vorkragenden Wände zu einem beinahe geschlossenen nachtschwarzen Tunnel machten. Der schlagartig aufsteigende Geruch nach Jauche, Schimmel und Verwesung nahm ihm den Atem. Er glaubte das uralte Gebälk des Fachwerks ächzen zu hören und spürte Kälte in seinem Nacken wie eine Zange. Er wollte zurück auf die Straße, doch seine Augen klammerten sich an dem matter werdenden Licht fest, seine Füße eilten vorwärts, und als er seinem Begleiter nach um eine Ecke bog und nur wenige Schritte entfernt wieder die Helligkeit der Mondnacht sah, wusste er, wo er war, und sein Herzschlag, stolpernd wie seine Füße, beruhigte sich. Vor ihm lag der Armenfriedhof von St.   Gertrud, und bei allem Respekt vor den Toten und den möglicherweise umgehenden Geistern empfand er den geweihten Boden als einen Hort der Sicherheit.
    Er sah über die Schulter zurück in die Finsternis, da war niemand, kein Schatten, auch kein Geräusch. Überhaupt war das Ganze nur ein Spuk gewesen, Ausgeburt der hasenfüßigen Seele des Laternenträgers, dem würde er   …
    Mit einem scharfen Tadel auf der Zunge drehte er sich wieder um. Da war keine Laterne mehr, auch kein Träger. Konnte der Kerl nicht warten, wie es seine Pflicht war?
    Hastig trat er aus dem Gang hinaus auf den Weg entlang der Friedhofsmauer. Da sah er die Laterne. Sie lag verlöscht im Schatten der Mauer.
    Das war das Letzte, was er sah. Eine schwielige Hand presste sich auf seinen Mund, ein schwarzes Tuch legte sich über seine Augen und – und dann war nichts mehr. Müllerjohann mochte ein glücklicher Mensch sein, ein mutiger war er nicht. Eine tiefe Ohnmacht ließ ihn zu Boden sinken, und selbst der Schmerz, als rissige Fingernägel im Fallen sein Gesicht zerkratzten, holte ihn nicht ins Bewusstsein zurück.
     
    Anne Herrmanns war mit einem guten Schlaf gesegnet. Normalerweise. Am Ende dieses ereignisreichen Tages lauschte sie auf den gleichmäßigen Atem ihres Mannes und zählte die Rosenknospen auf der burgunderfarbenen Seide des Bettvorhanges, was in der Dunkelheit eine wahrhaft ermüdende Sache sein sollte, aber auch nicht half. Endlich gab sie auf und glitt vorsichtig, um ihren Mann nicht zu wecken, aus dem Bett. Eine liebevoll-besorgte Ermahnung, sie möge endlich schlafen, der Tag sei doch lang und betrüblich genug gewesen, wollte sie nun nicht hören.
    Sie setzte sich auf die Polsterbank vor dem Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Auf der anderen Seite der Straße gingen zwei dunkle Gestalten mit einer Stocklaterne, vor einer der Türen in der geschlossenen Häuserreihe blieben sie stehen. Sie

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