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Der Tote im Kofferraum

Der Tote im Kofferraum

Titel: Der Tote im Kofferraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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beantwortete er Jims nächste Frage, und Jim mußte mit Bedauern feststellen, daß er dann auch nicht Warwick-Smith — tot oder lebendig — zur Tiefwasserbucht hatte fahren können.
    Pratt würde man, wenn auch ungern, von der Liste der Verdächtigen streichen müssen. In mancher Hinsicht hatte er ein geradezu klassisches Motiv: der zornige Künstler liebt eine wohlhabende Frau, die unglücklich mit einem Ekel von Mann verheiratet ist. Es hätte nur einer kleinen Andeutung bedurft, daß die Angebetete vergiftet werden solle, um in Pratt glühende Rachegefühle zu wecken. Vorsichtig brachte Jim das Gespräch auf Graces Krankheit. Ob es wohl Tuberkulose war? fragte er scheinheilig.
    Das bestritt Pratt leidenschaftlich. Offensichtlich war für ihn der Gedanke an ein solches Leiden im Zusammenhang mit der vergötterten Frau undenkbar. »Sie hätte auf jeden Fall in die Hände des besten Spezialisten gehört; aber dieser Mann war zu hartherzig und gefühllos. Er redete von Neurose! Er hatte überhaupt keinen Blick für ihre zarte Schönheit. Er war ein grober Klotz. Mich hat er oft in einer Weise angeredet, wie ich es mir nicht hätte bieten lassen dürfen; doch ich fand mich mit allem ab, nur um an ihrer Seite zu bleiben und sie im Notfall beschützen zu können.«
    Wie notwendig das war, ahnte Pratt offensichtlich nicht. Immerhin mußte seine Sympathie für Mrs. Warwick-Smith eine große Hilfe gewesen sein, bemerkte Jim, um Pratt die rechten Worte zu entlocken. »Ich hielt mich bereit«, erwiderte der junge Mann. »Und mein rechter Arm war auch bereit.« Er spannte die Muskeln seines kräftigen Arms.
    »Aber sie würde kaum diese Art von Schutz brauchen«, entgegnete Jim. »Obgleich es hier natürlich sehr einsam ist.«
    »Es war nicht die Einsamkeit, die sie zu fürchten hatte. Ihre Feinde waren in nächster Nähe«, erwiderte Cornelius mit düsterer Miene. Jim versuchte ihm noch mehr zu entlocken, aber er sagte nichts mehr.
    Hatte er vermutet, daß Graces schlimmster und grausamster Feind ihr eigener Mann war? Wenn ja, hätte er dann gezögert, ihn umzubringen? Jim grübelte noch über diese Fragen, als sie zu Pratts Hütte kamen. Plötzlich wurde Cornelius sehr herzlich und lud Jim ein, mit hineinzugehen und sein Bild anzuschauen, das er vor den tragischen Ereignissen begonnen hatte.
    Aber das hätte Jim nicht ertragen können. Er blickte flüchtig von der Tür aus in den kleinen Wohnraum und sah eine Reihe mit Leinwand bespannter Keilrahmen an den Wänden stehen und fühlte sich wie in einem Alptraum. Er wollte einfach nicht mitgehen und sich von dem jungen Mann auch noch diffizile künstlerische Gesichtspunkte erklären lassen. Die grünen Rechtecke auf schwarzem Grund waren vergleichsweise harmlos, aber warum hatte er quer über die Rechtecke die Worte >Dein Herz und meins< geschrieben? Jim verstand nichts von Kunst und konnte deshalb nicht begreifen, warum irgend jemand ein grünes Rechteck als Herz haben sollte. Er erklärte Cornelius, daß er wieder nach Sunset Lodge zurückgehen müsse, um noch mit dem Inspektor zu reden, bevor dieser wegführe, und verabschiedete sich freundlich von dem jungen Mann.
    Auf dem Rückweg nach Sunset Lodge dachte Jim über das Gespräch mit dem Künstler nach. Es hatte nicht viel ergeben. Pratt war offensichtlich in Grace Warwick-Smith vernarrt und verrückt genug, um für sie einen Mord zu begehen. Aber war er der Typ, um kaltblütig einen Mord zu planen? Und wie gelang es ihm, das Opfer wegzuschaffen, und warum versteckte er es in Delias Auto?
    Immerhin lief es auf dieselbe rätselhafte Frage hinaus — warum wählte der Mörder dieses eigenartige Versteck, wenn doch ganz in der Nähe tiefes Wasser war, wo man die Leiche leicht für immer hätte verschwinden lassen können? Was Cornelius Pratt betraf, so war Jim nicht der gängigen Meinung, daß sich Mord und Künstlertum nicht vertrügen oder daß Pratt nicht der Typ gewesen wäre, so einen Plan auszuführen. Jedermann weiß, daß es überhaupt keinen typischen Mörder gibt, und was den Mut angeht, ist es oft erstaunlich, was ein zartbesaiteter, phantasiebegabter Mann im Augenblick der Verzweiflung zuwege bringt. Diese Überlegungen ließen Jim zu dem Schluß kommen, daß es unklug wäre, Pratt vorschnell von der Liste der Verdächtigen zu streichen, nur weil er wie ein Verrückter redete und wie ein Gammler gekleidet war.
     
     
     

9
     
    Diesen und ähnlichen Gedanken hing Jim nach, als er sich Sunset Lodge näherte.

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