Der Tote im Kofferraum
»Und wer war diese hervorragende Studentin? Hat sie es überhaupt zum Examen gebracht?« fragte sie boshaft, weil ihr der Gedanke unerträglich war, daß dieses blasse Geschöpf einmal Sekretärin bei jemandem von Bedeutung gewesen sein sollte.
»Sie schrieb unter ihrem Mädchenamen«, antwortete Minnie. Ihre Stimme zitterte ein wenig. »Ihre Artikel erschienen alle unter diesem Namen: Valerie Dutton. Sie war sehr bescheiden und haßte überflüssiges Getue um ihre Person.«
Einen Moment lang herrschte atemlose Stille. War es möglich, daß diese harmlose Person ihrer berühmten Chefin einen Hieb versetzen wollte? Jim unterdrückte sein Lachen und hustete statt dessen. Er vermied es, Wright anzusehen, als er sagte: »Valerie Dutton. Ich glaube, daß meine Frau einmal von ihr sprach. Wie hieß das Buch, Miss Pink?«
»Leider wurde es nie veröffentlicht«, sagte Minnie traurig, und Augusta triumphierte. Sicherlich war es eine jener erfolglosen Autoren, die nie einen Verleger finden. Aber Miss Pink sprach weiter. »Das tat mir aufrichtig leid. Es wäre ein großartiges Buch geworden und in einem berühmten Verlag erschienen. Sie hatte bereits einen Vertrag. Aber das Buch ist nie fertig geworden. Die Autorin starb.«
Augusta, die im Grunde sehr weichherzig war, schämte sich. Minnie hatte diese Frau offensichtlich geliebt, und außerdem war es immer traurig, wenn ein Werk aus einem solchen Grund unvollendet bleiben mußte. Sie sagte mit milder Stimme: »War sie sehr alt, Minnie, oder war es ein plötzlicher Tod?«
»Nein, sie war noch nicht alt, wenn auch etwas älter als ihr Mann. Sie schien alles zu haben. Sie war reich und beliebt, und eines Tages wäre sie sicherlich auch berühmt geworden. Nur eines hatte sie nicht — und das war Gesundheit.«
Die Gäste am Mahagonitisch wirkten betroffen, und Minnie erzählte traurig weiter: »Die ganze Zeit, die ich für sie gearbeitet habe, gab es immer wieder einige sehr schlimme Tage. Dann bat sie mich, ihr vorzulesen. Daher kenne ich jene Bücher, die von der Kultur der Maori handeln.«
»Arme Frau«, sagte Augusta mit Bedauern. »Gute Gesundheit ist ein unschätzbarer Wert. Was bedeutet schon Geld, damit verglichen?«
Keith, der während des Essens geschwiegen hatte, flüsterte Delia zu: »Philosophie am Mittag. Welch erhabenes Gefühl.«
Delia blickte ihn kurz an, lächelte aber nicht. Er hatte sich nicht die geringste Mühe gegeben, ihr bei den Vorbereitungen zu helfen, und auch bei Tisch hatte er sich nicht bemüht, zur Unterhaltung beizutragen. Tracy Gibbs war zwar auch sehr schweigsam gewesen, aber das war verständlich, nach dem, was ihm Grace wohl erzählt haben mußte. Für Keith gab es keine Entschuldigung. Er war nur schlecht gelaunt und hatte nicht einmal das Weizengebäck gelobt. Ja, noch schlimmer: Sie hatte beobachtet, wie er heimlich Trusty ein Stück gab, und der freute sich zum Glück darüber.
Miss Pink erzählte weiter: »Ja, so war es. Gesundheit war das einzige, was meiner armen Freundin fehlte. Diese entsetzlichen Magenkrämpfe, und kein Arzt konnte ihr helfen. Manchmal ging es ihr ein wenig besser, dann...«
Sie schwieg plötzlich betroffen, als sie die Reaktion der anderen Gäste bemerkte. »Diese Erinnerungen... Es ist sicherlich sehr langweilig für andere Leute; aber Sie müssen wissen, daß ich an Mrs. Smith sehr gehangen habe«, entschuldigte sie die Ausführlichkeit ihrer Erzählung.
»Smith?« fragte der Inspektor scharf. »Sagten Sie Smith, Miss Pink?«
»Ja, ein sehr gewöhnlicher Name. Kein Wunder, daß meine Freundin unter ihrem Mädchennamen schrieb. Valerie Smith ist nicht so hübsch wie Valerie Dutton.«
»Können Sie sich zufällig an seinen Vornamen erinnern?« fragte der Inspektor beiläufig.
»Hal, glaube ich. Seine Frau nannte ihn Hal. Das paßte überhaupt nicht zu ihm. So ein schöner Name für einen kleinen, unbedeutenden Mann.«
In diesem Augenblick stand Wright abrupt auf. »Könnten Sie bitte den Sergeanten und mich entschuldigen, Miss Hunt? Wir haben noch viel Arbeit mit dem schriftlichen Nachlaß.«
»Selbstverständlich. Es muß schrecklich sein, sich durch diese Unmengen von Papieren zu kämpfen, zumal der Mann wohl jeden Fetzen aufbewahrt hat.«
Wright lächelte. »Lästig ist es schon, aber am Ende manchmal erfolgreich.«
Der Inspektor und der Sergeant verabschiedeten sich von Delia und dankten für die Gastfreundschaft. Bald erhoben sich auch Tracy Gibbs, um zu Grace ins Wohnzimmer zu gehen, und
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