Der Tote im Kofferraum
Cornelius Pratt, der die letzte grüne Erbse aus seinem Bart klaubte, um sich dann vermutlich in den Garten zurückzuziehen.
Keith sagte: »Ich muß zu den Schafen hinausreiten.«
Delia wollte ihn einen Moment zurückhalten, deshalb fragte sie: »Wo ist Ihr Pferd?«
»Angepflockt, in der Nähe der Garage. Keine schlechte Stute. Kommen Sie und sehen Sie sie sich an.«
Diese Einladung brauchte er nicht zu wiederholen. Als sie den Weg hinuntergingen, sagte Delia: »Sie waren beim Mittagessen keine große Hilfe. Sie haben sich kein einziges Mal an der Unterhaltung beteiligt.«
»Das brauchte ich auch nicht. Sie sind mit allem ausgezeichnet zurechtgekommen, und Miss Pink war ausgesprochen redselig. Eine traurige Geschichte.«
»Ja, aber mir reichen allmählich diese tragischen Begebenheiten. Hat Mrs. Warwick-Smith Ihnen schon einmal von Mr. Gibbs erzählt? Ich habe ihn ans Ende der Tafel gesetzt, weil er sozusagen ein Verwandter ist.«
»Ich glaube nicht. Sie sprach nie von sich selbst oder dem Leben, das sie führte, bevor sie Henry heiratete. Ich kann mir vorstellen, daß sie vorher sehr glücklich war.«
»Ja, dessen bin ich sicher. Ihr erster Mann muß sehr lieb gewesen sein. Er starb an einer Infektionskrankheit. Tracy Gibbs ist sein Cousin. Mrs. Warwick-Smith erzählte mir, daß sie alle drei gemeinsam aufgewachsen sind. Ich vermute, daß Tracy sie auch geliebt hat.«
»Das kann ich ihm nicht verdenken. Wie Grace nur auf die Idee kam, diesen Teufel zu heiraten... Aber Sie scheinen ja eine Menge darüber zu wissen.« Er lächelte sie zärtlich an und schien keineswegs enttäuscht zu sein, daß Tracy wieder da war.
»Sie hat mir in jener Nacht sehr viel erzählt, nach dem Schock, wissen Sie... Ja, ich kann mir auch nicht vorstellen, warum sie jenen Mann und nicht Mr. Gibbs geheiratet hat. Er schien sehr betroffen zu sein, nicht wahr? Sie muß ihm alles erzählt haben. Irgendwie habe ich das Gefühl...«
Sie brach den Satz ab und wollte das Thema wechseln. Sie konnte es nicht übers Herz bringen, von Graces Zuneigung für ihren Cousin zu sprechen. Aber er schien völlig unbewegt, als er fragte: »Was meinen Sie? Ich könnte wetten, Sie denken an eine Liebesromanze, an ein Happy-End für Grace, nicht wahr?«
Wie konnte er nur so unbefangen darüber reden? Delia schöpfte Hoffnung. Vielleicht war er gar nicht in Grace verliebt. Vielleicht tat sie ihm nur leid. Sie klopfte deshalb schelmisch auf den Busch: »Nun, warum nicht? Das ist doch ganz natürlich. Mrs. Warwick-Smith ist liebenswürdig und so unglaublich attraktiv. Das wissen Sie selbst doch am besten.«
Inzwischen waren sie an dem Pfahl angelangt, wo die Stute angebunden war. Keith stand neben dem Pferd und streichelte liebevoll dessen Nacken. Bei Delias Anblick hatte sich die Stute wieder aufgebäumt; aber als sie die Hand ihres Herrn fühlte, hörte sie auf zu zittern und beruhigte sich.
»Das ist richtig, gutes Mädchen, entspann dich nur«, redete Keith auf die Stute ein. »Und du entspann dich auch, mein Liebling. Mach dir keine unnötigen Sorgen. Grace ist eine schöne Frau. Ich mag sie gern. Aber deswegen liebe ich sie nicht, nur weil ich Mitleid mit ihr und ihrem Schicksal habe. Stimmst du mir da nicht zu? Hast du vielleicht einen deiner >lahmen Hunde< geliebt?« Er nahm sie lachend in seine Arme, und sie hätte beinahe vor Glück geweint; aber sie lachte und wechselte schnell das Thema. »Warum bindest du eigentlich dein Pferd mit einem so dicken Strick fest? Du könntest doch einfach die Zügel über den Pfahl werfen.«
»Weil die Stute so widerspenstig ist, Miss Allwissend, und alle Zügel zerreißt. Eines Tages, wenn ich Jim glauben kann, wird sie sich dieses Laster abgewöhnen.« Er wickelte das Seil um den Nacken der Stute und schwang sich in den Sattel. Dann rief er Trusty. Schließlich sagte er völlig unerwartet: »Danke für das feudale Mahl. Du bist eine gute Gastgeberin, und das Weizengebäck war ausgezeichnet. Leider mußte ich Trusty ein Stück abgeben, denn der Kerl machte sich an den Füßen der Schriftstellerin zu schaffen, so daß ich ihn ablenken und beruhigen mußte.« Er ritt fort, vor Glück strahlend.
Delia war ein Stein vom Herzen gefallen. Keith liebte sie, nicht Grace. Sie hätte vor Freude hüpfen können, ging aber dennoch in ihrem gewohnten Schritt zum Haus zurück.
Auf der Veranda hörte sie Jim, der sich gerade entschuldigte. »Ja, ich bin sicher, daß die Aussicht phantastisch ist, aber ich sollte lieber
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