Der Tote in der Wäschetruhe
unterstreicht Klaus Schulze, dass ihm das Ansinnen von Undine Teschke, ihn in seine Wohnung zu begleiten, völlig irritiert hat. »Ich dachte, sie macht Witze.«
Als sein späteres Opfer deutlich machte, das sie es mit der Eroberung ernst meint, sei er wütend geworden, dass Blut habe ihm gekocht, er habe einen Knoten im Hals gespürt. »Ich befand mich jetzt in einem Zustand hochgradiger Erregung. Ich hatte keine Gewalt mehr über mich, fühlte einen starken Druck im Kopf und alles um mich herum begann sich zu drehen wie ein Karussell.«
Frage des Staatsanwaltes: Warum haben Sie die Geschädigte erwürgt?
Antwort: Weil die Nerven mit mir durchgegangen sind. Ich war so wütend, dass ich nicht mehr wusste, was ich mache.
Frage: Warum haben Sie das Opfer nicht einfach verlassen?
Antwort: Ich habe mehrmals versucht, wegzurennen und wurde sie nicht los. Was weiß ich, wie lange sie noch hinterhergekommen wäre. Sie kam doch immer wieder mit.
An zwei Tagen im Februar 1977 wird der Fall Schulze in zweiter Instanz vor dem Bezirksgericht verhandelt. Die Staatsanwaltschaft bleibt bei ihrer Mordanschuldigung. Auch der psychiatrische Gutachter sieht in einer ergänzenden Expertise weiterhin keine medizinische Erklärung für die Gedächtnislücke des Angeklagten, für die eigentliche Tatausführung oder für einen Zustand völliger Bewusstlosigkeit.
Und das Gericht? Erneut ist es der erste Strafsenat, vor dem der Prozess stattfindet. Und es sind die gleichen Richter wie in der ersten Instanz, die nun prüfen, ob es neue Beweise gibt für die Einschätzung, dass Undine Teschke nicht durch einen heimtückischen und brutalen Mord, sondern »nur« durch Totschlag ums Leben kam. Totschlag im Sinne des Strafgesetzbuches der DDR liegt u.a. dann vor, wenn
»... der Täter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder seinen Angehörigen von dem Getöteten zugefügte Misshandlung, schwere Bedrohung oder schwere Kränkung in einem Zustand hochgradiger Erregung (Affekt) versetzt und dadurch zur Tötung hingerissen oder bestimmt worden ist«.
Mord wie Totschlag sind vorsätzliche Tötungsdelikte, doch in der Strafzumessung gibt es erhebliche Unterschiede. Während für Mord eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bis lebenslängliche Haft angedroht wird, kann Totschlag mit höchstens zehn Jahren Freiheitsentzug geahndet werden.
Nach den neuen Aussagen des Angeklagten geht das Gericht im Ergebnis der Hauptverhandlung davon aus, dass dieser durch das Verhalten der später Getöteten durchaus erregt war. Deren Hartnäckigkeit, mit ihm zusammenzubleiben, habe ihn in Wut versetzt. Allerdings, so das Gericht, hat der Tatablauf eine Vorgeschichte und Schulzes Wut ist nicht plötzlich ausgebrochen. In dieser Zeit habe der Angeklagte sein Verhalten mehrmals der Situation entsprechend angepasst. Er habe keinen ernsthaften Versuch unternommen, seine Erregung zu beherrschen und zu steuern. So hat er nach Überzeugung der Richter mit der jungen Frau weiter Zärtlichkeiten ausgetauscht, nachdem er sich von ihr bereits einmal kurzzeitig ein Stück entfernt hatte. Der Angeklagte sei nicht unverschuldet in eine Affektsituation geraten.
In der Strafzumessung geht das Gericht dennoch vom ersten Urteil ab. Es sieht zwar wiederum den Mord als erwiesen an, verhängt gegen Klaus Schulze aber eine zeitliche Freiheitsstrafe von 13 Jahren und entzieht ihm für zehn Jahre die staatsbürgerlichen Rechte. Zu seinen Gunsten wird das bisherige straffreie Leben sowie das aufdringliche Verhalten der Geschädigten am Tatabend gewertet. Die Staatsanwaltschaft hatte erneut lebenslänglichen Freiheitsentzug gefordert, die Verteidigung auf Totschlag plädiert.
Die Verteidigung legt erneut Berufung ein. Diesmal bestätigt das Oberste Gericht die Auffassung der Richter in Cottbus. Damit ist das Urteil Ende März 1977 rechtskräftig.
Klaus Schulze führt sich in der Haft tadellos. Er hebt sich durch gute Arbeitsleistungen hervor. Drei Neuerervorschläge von ihm erbringen einen gesellschaftlichen Nutzen von fast 37000 Mark. Er wird mit Geldprämien und Sonderbesuchserlaubnissen belohnt. Gertrud hält weiter zu ihrem Mann.
1982 und 1984 stellt der Verurteilte Anträge auf vorzeitige Haftentlassung, die mit der guten Führung in der Haft sowie der schwierigen familiären Situation mit fünf Kinder, von denen ein Kind schwerstgeschädigt ist, begründet wird. Die Staatsanwaltschaft wendet sich dagegen, sieht das schwere Verbrechen an Undine Teschke zu diesem Zeitpunkt
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