Der Tote in der Wäschetruhe
oder Du hast in Deinem Leben keine Ruhe mehr.
... Falls ich bis Montag keine Antwort habe von Dir wird es einmal ein Unglück geben und keiner wird mich daran hindern, mir ist alles egal was mit mir passiert dafür ist meine Liebe zu Dir viel zu groß und auch keine Mauer oder Gitterfenster werden mich davon zurückhalten.
... Hoffe das Du gut mit Deinem Vati schläfst.«
Stänzer wartet eine Antwort erst gar nicht ab, sondern schlägt zu. Es ist der erste Sonntag im Monat März 1978. Elvira hat Spätschicht im Kraftwerk. Die Kollegen hatten sie eindringlich ermahnt, dass mit den Fehlschichten Schluss sein muss. Er weiß, dass sie wieder bei der Arbeit ist, kennt ihre Schichtzeiten, schließlich arbeiten sie im gleichen Betrieb. Als Elvira Funkel gegen 22.30 Uhr im Lübbenauer Neubaugebiet aus dem Bus steigt, der die Kraftwerker nach Schichtschluss in die Stadt und in die umliegenden Gemeinden bringt, steht Stänzer plötzlich vor ihr. Sie will an ihm vorbeigehen, doch der weicht ihr nicht von der Seite. »Komm mit zu mir, ich liebe dich so sehr«, bettelt er. »Lass mich, es ist Schluss, ich gehe zu Vati in die Wohnung«, macht sie ihm klar.
»Komm mit, oder ...«, mehr hört Elvira nicht. Dann prasseln Schläge mit Händen und Fäusten auf Kopf und Gesicht nieder. Sie stürzt zu Boden, findet sich auf der Grünfläche vor einem Häuserblock wieder. Zwei Männer hören die verzweifelten Hilferufe der Frau. Als sie sich nähern, flüchtet der Täter. Die Männer begleiten das Opfer nach Hause und bringen es bis in die Wohnung. Dort taucht auch Stänzer auf. Massiv bedrängt er die Zeugen seiner Schlägerei, sie sollten der Polizei ja die Wahrheit sagen. Seine Wahrheit. »Die hat wie eine Irre geschrieen und ist auf mich losgegangen. Ich habe mich nur gewehrt«, behauptet Stänzer. Vermeintlich liebevoll versucht er, Elvira das Blut aus dem Gesicht zu wischen. Gemeinsam mit dem Vater gelingt es den Männern, Stänzer aus der Wohnung zu drängen. Elvira geht am nächsten Tag zum Betriebsarzt. Der stellt Kopfprellungen und ein Schädelhirntrauma fest und schreibt sie für mehrere Tage krank. Die Polizei ermittelt gegen Stänzer wegen Körperverletzung.
Die Tat zeigt die ganze Janusköpfigkeit des Wilfried Stänzer. An seiner Gewalttätigkeit sind bisher alle Beziehungen zu Frauen gescheitert. Seine Ehe ist nach drei Jahren zerbrochen, weil die Ehefrau und Mutter seines Kindes in die Arme eines anderen geflüchtet ist. Eine spätere Liaison hat nach anfänglicher Harmonie keine Chance, weil er sich gegenüber dem Kind der Lebenspartnerin ebenso herrschsüchtig verhält wie zu ihr. Er droht wiederholt, dass sie und das Kind die Wohnung nicht lebend verlassen werden, wenn sie ihm Freundschaft und Bett kündigt. Eine andere zeitweilige Partnerin muss das Kreisgericht Calau bemühen, um an ihre Sachen zu kommen. Die hatte sie bei ihm gelassen, als sie Hals über Kopf den sexbesessenen und gewalttätigen Mann verließ. Auf seinem Schuldkonto stehen eine Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung und eine Haftstrafe wegen Autodiebstahls. Einmal hatten ihn seine Eltern im Kindesalter wegen Erziehungsschwierigkeiten für zwei Monate in ein Heim für schwererziehbare Kinder gegeben.
Aber Stänzer ist auch ein fleißiger, pünktlicher und einsatzbereiter Arbeiter, der sein Schlosserhandwerk versteht und der bei der freiwilligen Feuerwehr ein anerkannter Florianjünger ist. Im Betrieb steigt er, obwohl er nur den Abschluss der achten Klasse geschafft hat, zum Reparaturverantwortlichen auf. Sind Überstunden notwendig, schaut er nie auf die Uhr. Das alles bringt ihm die Auszeichnung mit dem Bestenabzeichen des Volkseigenen Betriebes der Stufe Silber ein. Sein Meister lobt: »Es ist der ruhigste Kollege, den man kennt.«
Den Kollegen seiner Brigade fallen die unglaublich schnell wechselnden Frauenbekanntschaften auf. Kaum hat er eine kennengelernt, zieht er zu ihr oder sie zu ihm. Doch schnell ist immer wieder Schluss mit der Glückseligkeit, und die Frauen wenden sich von ihm ab. Was ihnen bleibt, ist die Angst vor dem einst begehrten Mann und seinen ständigen Gewaltdro-hungen. »Wenn Stänzer in Rage kommt, sieht er rot«, ist im Betrieb bekannt. Mit brachialer Gewalt und mit aller Körperkraft versucht er, seinen Willen vor allem gegenüber Schwächeren durchzusetzen.
Elvira steht noch ganz unter dem Schock des gewalttätigen Überfalls, da taucht Stänzer genau eine Woche später wieder bei ihr auf. Es ist kurz nach
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