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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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auch Yves Ribanvilles Karriere nur eine Frage von Beziehungen und Seilschaften.
    Eric und Yves waren seit vielen Jahren befreundet, und Eric legte Wert auf Chantals Begleitung. Mit der Party heute Abend sollte Yves’ hundertste Sendung gefeiert werden, und ein erlesener Kreis von Gästen war geladen. Chantal hatte die Show nur ein einziges Mal gesehen, äußerst langweilig gefunden und sich gefragt, warum im Schnitt fünf Millionen Zuschauer einen solchen Schwachsinn über sich ergehen ließen.
    Sie nahm zwei Valium aus dem Röhrchen und schluckte sie ohne Wasser. Dann ließ sie das Kopfende ihres Bettes
herunter, schob das Fotoalbum zur Seite und schloss die Augen. Vielleicht doch noch ein, zwei Stunden Schlaf, damit sie am Abend einigermaßen fit war und die Party überstand. Früher waren bei ähnlichen Anlässen alle Augen auf sie gerichtet gewesen. Chantal Coquillon, die mächtige Agentin. Ihr scharfer Verstand, ihr Charme und die Tatsache, dass sie stets über alles und alle bestens informiert war, machten sie über Jahre zur begehrten Partylöwin. Doch diese Zeiten waren nun schon lange vorbei. Sie hatte loslassen müssen, ein schmerzlicher Prozess. Mit den Jahren, die sie älter wurde, entglitten ihr nicht nur ihre Figur und die Straffheit ihrer Haut. Auch ihre berufliche und gesellschaftliche Macht flossen davon, wie Sand, der langsam, doch stetig durch die Finger rinnt. Wer kannte heute noch ihren Namen? Einige aussortierte Politiker, frühere Wegbegleiter und alternde Stars, die ebenfalls immer mehr in Vergessenheit gerieten.
    Das Alter ist eine grausame Prüfung, dachte sie und spürte, wie die Müdigkeit endlich Besitz von ihr ergriff. Schlimmer als alles, was das Leben ansonsten bereithält. Die einzige Gnade ist die, dass man als junger Mensch noch nicht darum weiß, wie schrecklich es sein wird, wenn man auf der Schwelle zur biologischen Todeszone steht. Bei ihr begann es gleich nach ihrem fünfzigsten Geburtstag.
     
    Nick lebte schon lange im Park. Wie viele Jahre es inzwischen waren, wusste er nicht. Die Zeit unter den Seinebrücken war lange vorbei, er selbst hatte sie gar nicht mehr erlebt. Nur aus Erzählungen kannte er die eine oder andere Geschichte. Zum Beispiel die, dass in den siebziger Jahren
zwischen dem Pont Neuf und dem Pont Royal drei Clochards ermordet worden waren, darunter eine Frau. Abgestochen wie Schlachtvieh. Den Täter hatte man nie gefasst, und das Motiv blieb unklar. Zu holen gab es bei den Opfern nichts, demnach schienen die Morde das Werk eines Verrückten zu sein, der seinen Kick im Blutrausch suchte und fand. Die Polizei hatte nur halbherzig ermittelt, gab es doch schon seit Jahren die Bestrebung, die Clochards aus dem malerischen Stadtbild (wozu die Uferpromenaden unter den Brücken gehörten), zu entfernen. All dies hatte Nick von Albin erfahren, seinem Kumpel. Zusammen hatten sie jahrelang jeden Morgen die Gegend außerhalb des Parks durchstreift. Sie durchstöberten die Abfallkörbe nach Essbarem und statteten der Bäckerei auf der Rue Lesage einen Besuch ab. Die Besitzerin versorgte sie mit Croissants vom Vortag, manchmal gab es auch ein belegtes Sandwich, das übrig geblieben war. In der Bar du Soldat Perdu bekamen sie gratis ein Glas billigen Rotwein, oft auch zwei.
    Nick Sabatier hatte schon immer so gelebt, seit seinem neunzehnten Lebensjahr. Jetzt war er siebenundvierzig oder auch schon achtundvierzig, vielleicht sogar noch älter. Er wusste es nicht. Irgendwann im September hatte er Geburtstag, daran erinnerte er sich. Das Leben auf der Straße, ein Leben ohne festen Wohnsitz, ohne eigene Wohnung, ohne Einkommen, ohne Eigentum und Besitz irgendwelcher Art hinterließ seine Spuren. Dazu gehörte auch das allmähliche Vergessen aller früheren Lebensumstände. Die Vergangenheit, die Jugend, alles war in weite Ferne gerückt. Nick lebte im Hier und Heute. Von der Hand in den Mund, und das im wörtlichen Sinn. Seine Sorge galt der nächsten
Mahlzeit, einem ordentlichen Schluck Wein und dem Wetter, das einen entscheidenden Einfluss auf sein Wohlbefinden ausübte. Im letzten Winter war Lucy in einem Hauseingang erfroren. Seine Freundin Lucy. Noch keine dreißig Jahre alt, wie sie behauptete, doch mit bewegtem Lebenslauf. Er hatte sie aus einem Nest in der lothringischen Provinz, wo sie die Schule abbrach und von zu Hause weglief, über eine Drogenkarriere nebst Beschaffungskriminalität auf dem Strich bis in den Parc de Belleville geführt. Mitten am Tag hatte sie

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