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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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plötzlich die Zusammenhänge. »Du meinst, er ist nicht in Süßwasser ertrunken, sondern in Salzwasser? Im Meer?«
    »Richtig. Im Meerwasser. Im Unterschied zum Flusswasser, dessen Salzkonzentration geringer ist als im Blut, ist sie bei Salzwasser höher als im Blut. Deshalb ist noch Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in die Lunge übergetreten und hat die lila Färbung verursacht. Es gibt keinen Zweifel. Der Junge ist irgendwo im Meer ertränkt worden.«
    LaBréa überlegte fieberhaft, strich sich die Haare aus der Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Und wieso finden wir ihn dann hier, in der Seine? Wie ist er hierhergekommen?«
    »Auf jeden Fall nicht mit der Strömung, Maurice. So viel steht fest. Flussaufwärts kann er nicht hierher getrieben worden sein.«
    »Hm. Dann wurde er von irgendwoher an der Küste, wo er ertrunken ist, an einen Abschnitt der Seine geschafft und dort ins Wasser geworfen.«
    »Vermutlich.«

    »Wieso macht sich der Mörder die Mühe, den Leichnam vom Meer an die Seine zu transportieren?«
    »Das rauszufinden ist deine Aufgabe. Ich kann mich nur an die Fakten halten. Und die sind eindeutig. Er ertrank im Salzwasser und kam post mortem ins Süßwasser der Seine.«
    Er ist elendig krepiert, dachte LaBréa. Ob in Süß- oder Salzwasser, für den Leidensprozess dieses Kindes spielte das wohl keine Rolle. Der gesamte Ertrinkungsvorgang dauert zwischen drei und fünf Minuten, das wusste LaBréa. Brigitte schien seine Gedanken zu ahnen.
    »Er hat verzweifelt um sein Leben gekämpft«, meinte sie und trat hinüber an den Seziertisch. LaBréa folgte ihr. Er betrachtete den schmächtigen Leichnam. Trotz des durch Fäulnisgase aufgetrieben Leibes bemerkte er die Feingliedrigkeit der Arme und Beine. Die Fesseln an den Händen des Jungen waren entfernt und zur Untersuchung des Fasermaterials ins Labor gegeben worden. Brigitte hob das linke Handgelenk des Opfers ein wenig an.
    »Die Fesselwunden sind unterblutet«, sagte sie. »Beim Ertrinken wollte er seine Hände freibekommen. Er hat heftig und in Panik an den Fesseln gezerrt. Er bekam Krampfanfälle, bis das Stadium der Apnoe eintrat.«
    Ein kalter Schauer lief LaBréa über den Rücken. Er stellte sich vor, wie der Junge hilflos mit den Beinen strampelt, um den Kopf über Wasser zu halten. Es gelingt ihm nicht, seine Bewegungen werden schwächer. Arme und Hände kann er nicht benutzen, und das beschleunigt den Vorgang des Erstickens. Wasser dringt in seine Atemwege, in seine Lunge. Er weiß, dass er sterben wird. Immer mehr gerät er
in Panik. Sieht jemand zu, wie er um sein Leben kämpft? Wird er beobachtet, wie ein Insekt, das man unters Mikroskop legt? In welcher Welt leben wir, dachte LaBréa, dass so etwas möglich ist … Er riss sich aus seinen Gedanken.
    »Was hast du sonst noch gefunden, Brigitte?«
    »Eine ganze Menge. Wir haben Farbproben von den Augenrändern genommen. Deine Vermutung, dass es sich um Eyeliner handelt, ist richtig. Schwarzer Eyelinerstift der Marke Chanel.«
    LaBréa war erstaunt.
    »So genau kann man das feststellen?«
    Brigitte lächelte erneut.
    »Ja. Ein Chemiker beim New York Police Department hat vorletztes Jahr mal eine genaue Analyse gängiger Kosmetika erstellt. Lippenstift, Eyeliner, Gesichtscremes und so weiter. Darauf konnten wir zurückgreifen.«
    Sie lenkte LaBréas Blick auf die Finger des Jungen, von denen sich bereits die Haut abgelöst hatte. »Proben von den Fingernägeln konnten wir nicht asservieren. Sie waren bis aufs Nagelbett abgekaut. Da wird der Nachweis von fremden Hautzellen schwer.«
    »Abgekaute Fingernägel … Dann muss er schon vorher massive psychische Probleme gehabt haben. Bevor er ertränkt wurde«, erwiderte LaBréa leise.
    Brigitte deutete auf die Oberarme des Jungen. »Blutergüsse von Griffspuren. Hier. Vielleicht wurde er festgehalten. Aber nicht, damit man ihn schlagen konnte. Dann hätten wir entsprechend mehr Spuren. Er wurde missbraucht.«
    »Das habe ich mir fast gedacht.«

    »Vermutlich ist er von hinten gepackt und festgehalten worden.«
    »Spermiennachweis?«
    »Nein. Nach achtundvierzig Stunden sind sie abgestorben. Das bedeutet, dass der Junge mindestens seit achtundvierzig Stunden tot ist. Aber auch nicht viel länger, sonst wäre, wie schon erwähnt, bei diesen Temperaturen und dem warmen Flusswasser der Fäulnisprozess viel weiter fortgeschritten.«
    »Dann kann ich es als amtlich nehmen, dass der Todeszeitpunkt vor etwa zwei Tagen lag?«
    »Ja. Plus/minus einer

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